· 

KIRIHITO 3

KIRIHITO 3
KIRIHITO 3

KIRIHITO 3
v. Osamu Tezuka
288 Seiten, €16,90
carlsen.de
ISBN 978-3-551-79182-5

Zum Buch: Der junge Arzt Kirihito Osanai wird mit einer mysteriösen Krankheit konfrontiert, die in einer entfernten Gebirgsregion der Insel Shikoku ihren Ursprung zu haben scheint: sie lässt Gesichter mutieren, erzeugt eine Gier nach rohem Fleisch und scheint Menschen in hundeähnliche Bestien zu verwandeln, bevor sie innerhalb weniger Monate sterben. Eine Rettung scheint nicht in Sicht.

Kirihito versucht, hinter die Ursachen zu kommen und den Opfern zu helfen, die von der Gemeinschaft verstoßen und verfolgt werden. Eine Reise um den halben Erdball wartet auf ihn, in die Abgründe menschlicher Verhaltensweisen – mit einem medizinischen Establishment im Nacken, das Kranke nur als Versuchskaninchen betrachtet und für gute Forschungsergebnisse über Leichen geht.

Gesamteindruck:

Mit dem dritten Teil der Kirihito-Triogie ist es Osamu Tezuka gelungen, die Spannung aufrechtzuerhalten und die Leidensgeschichte des Hauptprotagonisten, Kirihito Osanai, ereignisreich zu inszenieren und in einen mit medizinischen Fachwissen angereicherten Thriller zu stellen.
Auf dem Weg zurück nach Japan ist Kirihito in einem ständigen Konflikt, sich selbst und anderen ausgesetzt, als Arzt und gleichzeitig als Mensch, sowie als Tier und Monster fremddefiniert zu werden. Wertschätzung und Anerkennung als Arzt, verjagt, verfolgt und misshandelt als Tier . Gerade diese ständige Auseinandersetzung, einerseits mit dem Aussehen eines Hundes und die Bemühungen, Mensch zu bleiben, zurecht zu kommen in Teilen der Gesellschaft, die ihn als Tier ansehen und behandeln, lassen Kirihito oft an Selbstmord denken. Der offene Rassismus gipfelt in kollektiven Gewaltexzessen und Kirihito ist nur daran interessiert, mit all jenen abzurechnen, die ihn wissentlich jenes Schicksal herbeigeführt haben, was ihn mittlerweile verblendet, selbiges anzunehmen und zufrieden zu sein. Der Dialog in der Kirche zwischen ihm und Helen (S. 168ff) ist ein Beleg für die innere Zerrissenheit, den Kampf, das Schicksal anzunehmen und die Rache, die Verursacher zu bestrafen. Im letzten Teil bekommt jedeR, was er/sie verdient. Der Kollege und Vergewaltiger Urabe stirbt, der Professor steckt sich mit der Monmo-Krankheit an, und selbst Kirihito fährt wie der Graf von Monte Christo nach abgehandelten Racheplan hinaus in eine ungewisse Zukunft und fühlt sich “nicht unwohler wie ein Ausländer, der nach Japan kommt und angestarrt wird”. Beziehungs-Konflikte, Rache, Schuld&Sühne, Gier, Ethik, Macht und Neid sind die herausgestellten Eigenschaften und Zutaten für einen guten, düster inszenierten Medizin- Thriller, ein menschliches Drama voller Leid, Hoffnung und Intrigen. Die Zutaten sind bestens zusammengesetzt, Osamu charakterisiert die Personen ausdrucksstark, verknüpft gesellschaftliche Probleme wie Rassismus mit einer moralischen Instanz, die oft und gerne kontrovers thematisiert wird und mit einem tödlichen Ausgang endet, als die Analyse der Krankheit amtlich ist. Und hier setzt Osamu eine Portion Pathos ein (“als das Laub von den Bäumen fiel, wurde der Zustand des Professors lebensbedrohlich”), der schließlich -als sich alles auflöst- symbolträchtig (großes Schiff, offenes Meer) in ein offenes Ende hinausläuft, mit dem positiven Ansatz, sich nicht länger wegen des Aussehens verstecken zu müssen und sich erhobenen Hauptes in der Öffentlichkeit zu zeigen.
Osamus Zeichenstil liefert ein hervorragendes Ergebnis, jedes Panel hat die nötige Tiefe, Gefühle wie Angst oder Zorn werden im Panel besonders gut eingefangen, etwa auf Seite 181, als Kirihito wortlos durch den Regen geht, den Mantelkragen ins Gesicht geschoben und der Kopf heranzoomt, um den Fokus auf den hasserfüllten Blick zu lenken und dann wieder wegzoomt, um die Person als Bedrohung, als Schatten darzustellen, was Personen, die ihn begegnen, Angst einflößt. Diese ZeichenArt und Detailtreue hat Osamu -zumindest in Japan- den Ruf des Manga-Gott eingebracht. Tezuka, der 1989 mit nur 61 Jahren starb, ist nicht nur wegen der stilprägenden Darstellung der großen, glänzenden Kulleraugen eine Lichtfigur des Comics. Als Erfinder des populären Manga hat er die japanische Alltagskultur geprägt.