Braune Erinnerungskultur in Wildeshausen

Hermann Petermann
Hermann Petermann

Es gibt auch in Wildeshausen eine Reihe von personenbezogenen Straßennamen, die für die Wildeshauser Bürger_Innen sicherlich vom Namen her geläufig sind, da sie Teil der Wildeshauser Geschichte sind. Für Einige aber sind Straßennamen grundsätzlich nichts weiter als bloße Orientierung im Alltag.


Prekär wird es, wenn jene personenbezogene Straßennamen einen (un-)sichtbaren Bestandteil brauner Vergangenheitspolitik ausmachen und die Personen trotz nachweisbaren  Bezug zur nationalsozialistischen Gewaltherrschaft öffentlich geehrt werden, ohne dass eine kritische Auseinandersetzung im öffentlichen Bewusstsein stattfindet. Mensch hat sich eben an diese Straßennamen gewöhnt und diese sind ein sichtbarer Teil der Stadt.
DIE LINKE hat nun gefordert, 2 Straßen in Wildeshausen umzubenennen. Anlass ist der jetzt von der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen vorgelegte Bericht zur NS-Vergangenheit früherer Landtagsabgeordneter, der den ehemaligen Wildeshauser Bürgermeister Heinrich Müller-Bargloy als Stahlhelm-Mitglied seit 1924, NSDAP-Mitglied, Untergruppenführer beim Reichsluftschutzbund und anderes mehr entlarvt.
Eine fragwürdige Ehrung ist auch Hermann Petermann zuteil geworden, nach dem eine Straße benannt wurde.
Er war als Ortsgruppenleiter der NSDAP seit 1931 und als Bürgermeister von 1933 bis 1945 der hauptverantwortliche Machthaber des NS-Regimes am Ort. Unter seiner Verantwortung wurden die jüdischen Bürger verfolgt, entrechtet, verdrängt, die im Krieg noch verbliebenen schließlich deportiert und in den Vernichtungslagern ermordet. Für diese Mittäterschaft wurde er nach dem Krieg von den englischen Besatzern interniert und von einem deutschen Gericht rechtskräftig verurteilt.
Am 17.02.2007 fand in Hannover ein Arbeitskreis statt: “Der Umgang mit den Folgen von NS-Zeit und Krieg in Niedersachsen nach 1945.” Klaus Schultze (Münster) sprach über „Nationalsozialismus und Erinnerungskultur in Wildeshausen (Oldenburg). Eine Fallstudie zur Karriere des Bürgermeisters Petermann (1897-1977).” Der Vortrag verfolgte die Nachkriegskarriere des nationalsozialistischen Bürgermeisters von Wildeshausen Hermann Petermann. Die Sanktionen der Nachkriegszeit – Internierung, Spruchgerichtsverurteilung und Entnazifizierung – führten auch in diesem Fallbeispiel dazu, dass sich NS-Täter, in ihrer Selbstwahrnehmung wie auch in den Augen Dritter, in Opfer verwandelten. Schon bald nach seiner Freilassung aus dem britischen Internierungslager nahm Petermann wieder führende Positionen in dem konservativen Milieu Wildeshausens ein, in dem er ungebrochen fest verwurzelt war. Die Verweigerung eines selbstkritischen Umgangs mit der eigenen Vergangenheit war in der Bevölkerung weit verbreitet und führte vielfach erneut zu Härten für überlebende Opfer des NS-Regimes. Sie war der Hintergrund dafür, dass Petermann Mitte der sechziger Jahre mit großer Zustimmung durch die Wähler seine kommunalpolitische Karriere fortsetzen konnte. Für die FDP wurde er Landrat und erneut Bürgermeister von Wildeshausen. Zeichen von Reue oder Einsichtigkeit blieb er schuldig, auf Kritik reagierte er beleidigt. Bis heute haben alteingesessene Bürger der Stadt ein überwiegend positives Bild von ihm, was eng mit einer apologetischen Selbstentlastung verbunden ist: „Petermann war in Ordnung – bei uns war alles nicht so schlimm.” Hierin liegt auch die Erklärung für einen erstaunlichen Umstand: bald nach dem Tode Petermanns 1977 setzte ihm der Rat der Stadt ein Denkmal, indem er ihm eine Straße widmete, die bis heute seinen Namen trägt.” (Quelle: http://www.h-net.org/reviews/showpdf.php?id=27794)

Diese Fehlleistung dokumentiert die fehlende Aufarbeitung deutscher und urbaner Geschichtspolitik. Im Falle von Petermann wurde die NS-Vergangenheit gar vollends ausgeblendet und “nur” die “Leistungen” als Bürgermeister in der Nachkriegszeit berücksichtigt, gleichwohl Petermann sich öffentlich niemals selbstkritisch zur NS-Mittäterschaft geäußert hat.
Bei der berechtigten Kritik durch DIE LINKE und die Forderung nach einer Umbenennung sollte auch berücksichtigt werden, dass nach einer erfolgreichen Umbenennung eine kritische Aufarbeitung des alten Namensgebers in Form einer Infotafel erfolgt und darauf hinweist, warum dieser Name politisch nicht mehr tragbar ist. Das wäre den Opfern des nationalsozialistischen Regimes geschuldet, an deren Deportation und Ermordung Petermann nachweislich mitverantwortlich war.

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