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Schönheit hat seinen Preis...und der ist wertvoll!

In einer Gesellschaft sind Normen auf ein unrealistisches äußerliches Erscheinungsbild fixiert. Auf nahezu jeder TV-Zeitung sind prominente Gesichter abgedruckt, die keinerlei Makel haben. Bilder, die dermaßen übertrieben retuschiert wurden, dass sie sich im Endeffekt von Ausgabe zu Ausgabe alle ähneln und absolut nichts mit der Realität gemein haben. Der Kult um die Schönheit nimmt bisweilen krankhafte Züge an. Schönheit gilt nicht mehr als Schicksal, das mensch hinzunehmen habe, sondern als Designprojekt, in das Zeit und Geld investiert wird. Vorbild ist der junge, athletisch wirkende Körper, der die mentale Fitness der Person durch den physischen Auftritt beglaubigt, der Gesundheitsbewusstsein ausdrückt, Leistungswille, Selbstdisziplin und Stil. Diese Idealvorstellungen erzeugen unweigerlich Druck, selbst wenn mensch sich nicht im Zentrum des Mainstream verortet.

Das Erzeugen von Mustern geschieht überall durch Wiederholen, Zitieren und pseudoindividuelles „Verfeinern“ aktueller Trends.
Unsere Köpfe sind bis oben hin voll mit Bildern, Vorstellungen und Reglementierungen über Aussehen, Stil, Verhalten und Rollen
der gesamten Menschheit. Die wird dann in „weiblich“ und „männlich“ eingeteilt. Das fängt an bei festen Rollenzuschreibungen. „Frauen“ sind so, „Männer“ sind so. Diese ansozialisierte Rollen werden verinnerlicht und reproduziert. Optische Eindrücke werden  zuallererst in gängige Schubladen verfrachtet. Dieser Eindruck brennt sich fest und beeinflusst den Umgang mit der eigenen Vorstellung von Schönheit.

Der Blick in den Spiegel und die Gedanken dabei sind nicht frei von „Lookism“ – und Normierungseinflüssen. Genauso wenig frei davon sind die MacherInnen der Werbungs-, Medien- und Informationsindustrie. So wird Schönheit normiert und auch sozial festgeschrieben. Und: Die natürliche Schönheit wird korrigiert. Um jünger auszusehen, um kosmetische Korrekturen vorzunehmen, um ein wenig von dieser Ausstrahlung zu erlangen, von der immer wieder in den Medien gesprochen und gezeigt wird.
Und seien wir ehrlich, der Kult um die Schönheit hat dich auch längst erreicht, oder? Oder bist du frei von Schmuck und Tattoos? Der Duden definiert Schönheit als Aussehen, „das so anziehend auf jemanden wirkt, dass es als wohlgefällig und bewundernswert empfunden wird“. Der Blick auf die „Schönheit“ kann freilich verzerrt sein, vor allem wenn er sich auf den eigenen Körper richtet. Viele junge Frauen finden, dass sie einen Makel haben, finden ihren Körper nicht „fehlerfrei“. Und die Boulevard-Zeitschriften verstärken dieses Gefühl, leben schließlich von Schlagzeilen, die das Aussehen betreffen. Und es gibt sogar Zeitschriften, die aufzeigen, was Frauen „wirklich“ sexy macht und Tipps geben, die garantiert wissenschaftlich erwiesen sind, wie Frauen auf Männer ihre Anziehungskraft verstärken können(1).
ForscherInnen beschäftigen sich schon länger mit dem Begriff „Schönheit“. Es gibt einen Satz, der unter ForscherInnen, die sich mit der Schönheit des Menschen befassen, als absolut gesichert gilt.

«Attraktivität liegt definitiv nicht im Auge des Betrachters.»
 
Peng, das hat gesessen! Schönheit ist demnach nicht subjektiv, sondern hat einen Wert, der in Studien gemessen werden kann, auf allen Kontinenten, in allen Gesellschaften kommen in etwa die gleichen Ergebnisse heraus. Zumindest, wenn es darum geht, was Menschen an Frauen schön finden. Was die Schönheit der Männer ausmacht, dazu besteht noch Forschungsbedarf. Und dann gibt es noch Studien, die aufzeigen, dass attraktive Angestellte im Schnitt jährlich bis zu fünf Prozent mehr verdienen als ihre weniger ansehnlichen Kollegen. Was lernen wir? Gutes Aussehen wird belohnt und schlechtes Aussehen wird bestraft. Dieser Glaube manifestiert sich in den Köpfen, dass die Hälfte der Deutschen glaubt, sie hätte nur Chancen im Leben, wenn sie gut aussieht. Schönheit wird hier zum Instrument der Macht. In der modernen Gesellschaft ist Schönheit eine Eigenschaft, die erfolgversprechend ist. Wer sich schön macht, steigert die Erfolgsaussichten.
Schon Mitte der Neunzigerjahre hat der  Politikwissenschaftler Bernd Guggenberger festgestellt, dass sich Schönheit nicht wirklich umverteilen lässt. Sie ist ein natürliches Privileg  – und deshalb ungerecht: Sie teilt die Menschheit ein in Schöne und weniger Schöne.
Es gelten heute die Ideale des Medienzeitalters, die kräftig dabei mithelfen, den Kult um die Schönheit zu forcieren. Die Messlatte wird so angesetzt, dass eigene Vergleiche mit dem von den Medien vorgegeben Schönheitsideal zu einem Leiden führt, das von einer Unzufriedenheit bis hin zu einer Depression und Suizidabsichten reicht. Das ist schon schlimm genug. Genauso schlimm aber ist, dass wir uns an das von den Medien perfekt produzierte Schönheitsideal gewöhnt haben.
Mit der zunehmenden Verbreitung der Massenmedien sowie deren immer einfacheren Zugänglichkeit entwickelten sich gesamtgesellschaftlich einheitliche Schönheitsideale. So gilt in westlichen Kulturen ein schlanker Körper als Standard. Dabei zeigt der reale Entwicklungstrend, dass sowohl Körpergröße als auch Gewicht stetig zugenommen haben.
Jemand, der diesen geltenden Schönheitsidealen entspricht, besitzt quasi eine Art von „Kapital“; ihm/ihr fällt es leichter, Zugang zu Aufstiegschancen zu nutzen und der eigene Körper wird zu einer Quelle von Prestige und Anerkennung. Die Wissenschaftlerin Linda van den Broek spricht schon 1988 in Anlehnung an die Begriffe „Rassismus“ und „Ageismus“ vom so genannten „Bodyismus“ unserer Kultur. Das heißt, der Körper - das „Aussehen - wird zur Grundlage der Bewertung und Einschätzung eines jeden Einzelnen.“
Die äußerliche, körperliche Erscheinung dient demnach auch dazu, Rückschlüsse auf die inneren Qualitäten eines Menschen zu ziehen. Der Charakter oder auch die persönliche Einstellung einer Person - Eigenschaften, die es notwendig machen, einen Menschen erst kennen zu lernen - spielen in diesem Fall keine Rolle. Das Körperideal wird damit zu einem moralischen Ideal.
Um auf das schon genannte Beispiel zurückzugreifen: Schlankheit wird gleichgesetzt mit positiven Eigenschaften wie Attraktivität, Selbstkontrolle, Erfolg und hohe Leistungsfähigkeit. Dicksein dagegen ist nach dem Prinzip des „Bodyismus“ Ausdruck von Faulheit und persönlichem Versagen. Zusätzlich wird dem Betroffenen die Verantwortung für das „Dicksein" und damit auch das „Versagen“ zugeschrieben. Der bodyistische Blick, den mensch sowohl auf sich selbst als auch auf andere wirft, wird umso härter, je mehr mensch von einem Ideal abweicht.

Die Baustelle Körper
    Der übertriebene Schönheitswahn, der durch die Medien vermittelt wird, hat nicht nur bei Erwachsenen sondern auch bereits bei 14-Jährigen(2) zur Folge, dass sie sich eine Schönheitsoperation wünschen.
Was für erschreckende Ausmaße der Schönheitswahn bereits angenommen hat, wird nicht nur durch den Wunsch von Kindern nach kosmetischen Operationen, sondern auch durch die hohe Zahl der Jugendlichen, die an Magersucht erkranken, sichtbar.
Denn nicht nur die schönen Nasen und prallen Dekolletés der Prominenten werden von den jungen Mädchen bestaunt, auch deren klapperdürre Figuren nehmen sie sich zum Vorbild. Und wer wundert sich darüber, wenn in den Medien ausführlich über den Schwur der Hilton Schwestern, nie wieder mehr als 50 kg zu wiegen, berichtet wird und ein ultra-dünnes Model nach dem andern über den Laufsteg der Pariser Fashion Week stakst. Um zu erkennen, dass der Magerwahn der Stars weder schön, noch gesund ist, fehlt den Jugendlichen die ausgereifte, starke Persönlichkeit. Und so erkranken immer mehr Heranwachsende beim Versuch ihren Vorbildern nachzueifern an Magersucht.
Dabei galt in den 20er Jahren die füllige Frau mit weiblichen Rundungen attraktiv. Eine wohlgenährte Figur vermittelte Reichtum und ein hagerer, dürrer Körper zeugte von Hunger und Elend.
Ein weiteres Phänomen ist der immer noch anhaltende Piercing- und Tattootrend, der nicht nur Einzug in die Punk-, HC-Community hält, sondern mittlerweile überall vorzufinden ist, dass es eine punkaffine „Anti-Haltung“ eigentlich nur lauten kann, sich nicht mit Körperschmuck wie Piercings und Tattoos zu „verschönern“. Der Körper wird zum Darstellungsmedium, er wird manipuliert und inszeniert für einen scheinbar erfolgreiche Partizipation an der Gesellschaft. Wer
Das Schönheitshandeln ist ein Akt der Kommunikation. Denn wer sich bspw. tätowiert, wird von Anderen registriert, wahrgenommen, das Erscheinungsbild wird kommentiert, ist also ein Akt der Kommunikation und auf andere bezogen. Die verkörperte Inszenierung ist ein entscheidender Teil des Eindrucks, den Menschen nach außen transportieren und kommunizieren. Dahinter steht die Spannung von autonom vs. fremdbestimmt. Das wiederum führt dazu, dass wir Menschen nach ihrem Aussehen bewerten und jeglichen Freiraum im Sinne von Individualität aufgeben, da wir mit der Bewertung Stigmatisierungen und Ausgrenzungen produzieren.
Doch wozu die ganzen Veränderungen? Ist denn keiner mehr mit sich zufrieden so wie mensch ist? Ohne eine Diät oder einen kosmetischen Eingriff? Ohne ein Tattoo oder Piercing? Ohne schokobraune Haut und strahlend weiße Zähne?
Mensch fragt sich, was das nächste unverzichtbare Accessoire oder die nächste „Umbaumaßnahme“ an der Baustelle Körper ist.
Wird der weit verbreitete Schönheitswahn dazu führen, dass in Zukunft Eltern entscheiden, ob ein Kind mit abstehenden Ohren oder der Anlage für einen zu kleinen Busen überhaupt das Licht der Welt erblicken darf?
Dass gerade ein nicht makelloses Gesicht und ein Körper mit gewissen kleinen Schönheitsfehlern einen Menschen interessant, attraktiv und zu etwas ganz besonderem Einzigartigen, was sich von der perfektionierten Masse abhebt, macht - das muss unsere Gesellschaft wohl erst wieder lernen. Es bleibt zu hoffen, dass es immer mehr Menschen auffällt, dass diese perfekten Gesichter und Körper auf die Dauer langweilig werden und die natürliche Schönheit wieder geschätzt wird.

Schönheitshandeln und Wohlfühlen
    Sich wohl zu fühlen, ist heute ein gesellschaftliches Muss geworden. Und diese gesellschaftliche Norm wird beeinflusst von direkten und unterschwelligen Botschaften, die in den Medien verbreitet werden.
Wir alle leben mit Botschaften, die mehr oder weniger unterschwellig mitteilen, was „Frauen“ zu bedienen haben. Sie sollen die angenehmen Seiten des Lebens herstellen: Durch ihre Optik, die sie den unterstellten Phantasien von „Männern“ anzupassen haben. Denn „Frauen“ begehren hier immer nur „Männer“ und umgekehrt. Tun sie dies in ein bis zwei Fällen nicht, sind die dargestellten, sich begehrenden „Frauen“ den „männlichen“ Beobachter_innen zur Schau gestellt. Dabei wird wieder vermittelt, dass dies eine „männliche“ Phantasie sei. Sie wird zugleich mit Normen angereichert wie „Frauen“, die zur Luststeigerung von „Männern“ handeln, dann gefälligst auszusehen haben. Frauen werden aber auch Eigenschaften zugeschrieben, die sie zum Objekt machen. Denn sie werden genommen, verniedlicht, ihnen wird sinnhaftes Handeln abgesprochen und sie haben zu funktionieren innerhalb dieses Korsetts. Das gilt auch für „Männer“.
Wir werden überflutet von „Männer“-bildern, die Stärke, Härte, die Macherpose und Denkerposition innehaben. Das geschieht durch die ständig reproduzierten Verhaltensmuster. Männer haben alles, was sie brauchen oder nehmen es sich einfach. Denn das können sie ja oder müssen es können. Sonst sind sie keine echten „Männer.“
Und: „Wir“ werden gemacht. Ein oft unausgesprochenes „wir“ wird produziert. Durch die Anwesenheit von Ausnahmefiguren, die allein durch diese Stellung in den Bildern und Botschaft „unsere“ (unterstellte) westeuropäische, weiße, heterosexuelle, einzig „Mann/ Frau“ Identität begründen sollen.
Das bedeutet: people of colour, transgender, queers, Alte, Menschen mit Behinderung und Leute, die nicht immer gleich getrimmte Körper haben werden als „Das Andere“ inszeniert und festgeschrieben. Selbst wenn dabei scheinbar positiv Bezug genommen wird, ist es immer die Herausstellung vom „Normalen“ separierter Lebensrealitäten. Dadurch wird „Das Andere“ und „Das Normale“ ständig neu geformt bzw. auf die alte – rassistische; homo-, trans*phobe und lookistische Weise neu festgeschrieben. Diese Mechanismen greifen auch unmittelbar dadurch, dass people of colour, transgender, queers, Alte, Menschen mit Behinderung und Leute, die nicht immer gleich getrimmte Körper haben, bei den meisten medialen Diskursen überhaupt nicht vorkommen. Auch eine Art westeuropäische, weiße, heterosexuelle, einzig „Mann/ Frau“ „Identität“ zu schaffen. Und diese greift durch ihre Unterschwelligkeit wohl noch tiefer.

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