MOLOKO + #42

MOLOKO + #42
MOLOKO + #42

MOLOKO + #42
72 Seiten (21cmx21cm); €3.-
Moloko Plus, Feldstraße 10, 46286 Dorsten
www.moloko-plus.de
Torsten verfällt bei der Planung zu dieser Ausgabe in Euphorie, muss sich aber den den finanziellen Rahmenbedingungen anpassen und auf alte Muster zurückgreifen. Richtig neu ist hingegen die Erfahrung für Kolumnist Andre mit der Schwangerschaft seiner Freundin umzugehen und dabei feststellt, dass eine Geburt wie Krieg ist. Nervenstark bleibt Pascal Briggs‚ der Musik liebt und “bei allen Engpässen" das Gefühl hat, "dass ich mein Leben leben kann" und dafür dankbar ist.

Der Artikel von Marc ("Stasi, Skins und Schlägereien") rekonstruiert die Vorfälle um den Überfall rechter Skins auf die Berliner Zionskirche vom 17. Oktober 1987. Die Ost-Berliner Evangelische Zionsgemeinde war in den 80er Jahren ein Symbol für Opposition und Widerstand. So fanden in der Kirche auch Punk- Konzerte statt. Der Überfall auf die Zionskirche bestätigte, was viele zuvor längst beobachtet, aber nie offen ausgesprochen hatten: in der DDR gab es eine größere jugendliche Neonazi-Szene. Bei den Prozessen gegen einige der Schläger wurden die Beschuldigten zu erstaunlich niedrigen Strafen verurteilt. Erst in den Berufungsverhandlungen wurde das Strafmaß unter dem Druck der empörten Öffentlichkeit erhöht.
In einer weiteren historischen Nachbetrachtung wird der amerikanische Abolitionist, John Brown‘s Body, vorgestellt, der die Sklaverei mit gewalttätigen Mitteln abschaffen wollte. Seine Revolte war ausschlaggebend für die Grabenkämpfe der Nord- und Südstaaten und des daraus resultierenden Bürgerkrieges. Mit einem weiteren bewaffneten Aufstand und einer ebenfalls historischen Aufarbeitung werden die Ereignisse der australischen Geschichte, genauer die der EUREKA STOCKADE geschildert, die die Rahmenbedingungen zur Gründung eines souveränen australischen Staates schuf.
Das Themenfeld Fußball wird mit zwei Artikeln und Biographien abgedeckt und beinhaltet ferner die nicht weiter vertiefte Verknüpfung von Homosexualität/Homophobie im Fußball. Heinz Bonn, der Mann aus Eisen, war der erste Fußballer, dessen Homosexualität bekannt wurde - allerdings erst als die Polizei im Winter 1991 seine Leiche fand. Auch mit der Biographie zu Justin F. wird zwar die fußballerische Laufbahn und das tragische Ende nachgezeichnet, die Diskussion und das komplexe Thema um Homophobie im Fußball wird hingegen nicht vertieft, was sich aufgrund der Auswahl beider Biographien doch anbietet.
Rein musikalische Abhandlungen gibt es natürlich auch. TICKING BOMBS beantworten die oberflächlichen Fragen charmant höflich, BUSTER SHUFFLE werden kurz und bündig abgespeist, THE HOTKNIFES aus Platzgründen offensichtlich auch. Das liest sich schnell und wirkt unüberlegt vorbereitet. Kulturelle Leselust verspricht der von Sandra und Dirk erlebte England/Schottland-Bericht, inklusive BLACKPOOL-Festivalbericht, ist in dieser Art auch ungewöhnlich geschrieben. Neben Sehenswürdigkeiten und Punkrock werden vor allem die reizvollen Eigenarten beschrieben, die Land und Leute charakterisiert.
Gesamteindruck: Also mir gefällt es, dass die politischen, gesellschaftlichen-sozialen Themenfelder inhaltlich dominieren. Aber selbstverständlich darf auch gekuschelt werden, OI und Punk versprühen schließlich immer noch Kampfgeist, der ein ordentliches Loch in die Wand schlägt. Dieses Vorhaben geht im M.P. verloren, da bei den geführten Interviews nett geplaudert wird und kein Wert auf einen Diskurs gelegt wird, der Punk mit seinen differenzierten Auffassungen charakteristisch bewertet und einen Maßstab zugrundelegt, der eigene Werte vermittelt. Das dürfte aber auch nicht Torsten's Intention sein. Der Versuch, eine lebensbejahende Subkultur zu präsentieren und wertfreie Aussagen zu vermitteln, erinnert an den Schöngeist: Worüber reden wir denn, wenn wir von schönen Bildern, guten Menschen etc. sprechen, wenn nicht von Sachverhalten in dieser Welt?

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