Tierbefreiung #93

Tierbefreiung #93
Tierbefreiung #93

Tierbefreiung #93
84 DIN-A-4-Seiten; €3,00.- 
die tierbefreier e.V., Postfach 150325, 44343 Dortmund
www.tierbefreier.de
Die Redaktion thematisiert für die Schwerpunktausgabe einen "emanzipatorischen Umgang mit sogenannten Schädlingen". Allein der Begriff "Schädling" ist nicht nur stigmatisierend, sondern vor allem anti-emanzipatorisch und ist in der historischen Begriffsbedeutung stets eine Rechtfertigung für die Vernichtung einer Spezies. Das führt nicht nur zu einer Legitimation der Tötung, sondern auch zu Profitgier der chemischen Industrie.

Daniel Lau skizziert die sprachwissenschaftliche und -historische Bedeutung des Schädlingsbegriffs. Mit der Entwicklung des Menschen haben sich auch die Kleinstlebewesen weiterentwickelt und mit der Überschneidung der Lebensräume begann die Geschichte der "Schädlingsbekämpfung", die auch synonym mit Ungezieferbekämpfung ist. Die fortlaufende Entwicklung des Menschen und dessen Geschichte zeigen, dass der Mensch sich stets bemüht hat, seine Vorräte zur Sicherung der Ernährung und die eigene Gesundheit zu schützen und sich dadurch die Methoden der "Schädlingsbekämpfung" und der Beruf des "Schädlingsbekämpfers" durch wachsende Erfahrungen stets ausweiteten und fortschritten. Im Laufe der Geschichte haben sich aus den Begriffen "Rattenfänger" und "Kammerjäger "der Begriff "Schädlingsbekämpfer" als ein moderner Beruf entwickelt. Zum Einsatz kommen chemische, biologische und ökologische Bekämpfungsmittel. 1922 wurde das Insektizid Zyklon B als Ungeziefer-Vernichtungsmittel eingesetzt, in der NS-Zeit wurde es in den Konzentrationslagern als Vergasungsmittel gegen Menschen eingesetzt. Himmler und Goebbels stellten Läuse mit Juden unter den Begriff der Schädlinge auf eine Stufe und rechtfertigten deren Bekämpfung, da das keine Frage der Ideologie sei, sondern "eine Sache der Sauberkeit". Diese menschenverachtende Propaganda hört mensch heute u.a. von der extremen Rechten in Zusammenhang mit Geflüchteten, die u.a. mit Parasiten, (Volks-)Schädlingen stigmatisiert werden, um ihnen so jegliches Recht auf Leben abzusprechen und einen rassistischen Übergriff bishin zu Vertreibung und Mord zu rechtfertigen. Daniel resümiert, dass "weitere Gedanken und Studien um "Schädlings"-Begriff notwendig sind, um das Bewusstsein zu schaffen, wie Insekten, Nager und andere Keinstlebewesen ein Recht auf Leben und Unversehrtheit haben.
Ina Schmitt widmet sich der traditionellen Bekämpfung von Ratten und Mäusen, die bis heute in den Ruf stehen, Krankheiten und Seuchen zu übertragen.
Belinda ("Die Welt der Spinnen&Insekten") beschreibt die wundervolle Welt der Ameisen, Bienen, Wespen, Hornissen und findet es an der Zeit, ihnen "unsere Aufmerksamkeit zu schenken, denn diese Tiere machen diesen Planeten zu dem was er ist".

Gesamteindruck:

Kein Lebewesen ist von sich aus schädlich oder nützlich, sondern wird vom Menschen dazu gemacht. Das hat seine Gründe, das hat System. Beides wird im Schwerpunkt erläutert und kritisch betrachtet. Der angeregte Diskurs zielt auch auf die Frage der Verantwortung ab. Denn ungelöste Verantwortungsprobleme nähren Strategien der Schädlingsbekämpfung. Es gibt derzeit keine öffentliche Diskussion um ein Für und Wider des Schädlings-/Ungezieferbegriffs. Umso interessanter ist die Frage nach der Verantwortung, zu den wissenschaftlichen, industriellen Folgen, die durch die Erforschung und den Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmittel verursacht werden. Sind WissenschaftlerInnen für die Folgen ihres Handelns genauso verantwortlich wie das Individuum Mensch, der "Ungeziefer" beseitigt und tötet? Sind wissenschaftliche und moralische Kompetenzen gleichermaßen zu bewerten? Wichtige Erkenntnis: Der Name Schädling ist im Grunde falsch. Ebenso wie jede Pflanze hat auch jedes Krabbeltier, Insekt eine Funktion im Ökosystem. Der Schaden, den diese Tiere anrichten, wird aus menschlicher Sicht betrachtet und bezieht sich auf eine Stigmatisierung mit negativen Sanktionen. Langfristig ist die Artenvielfalt die beste Argumentation gegen eine Bekämpfung und manchmal ist Nichtstun der beste Umgang für ein friedvolle Ko-Existenz.