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Berlinoir

Berlinoir
Berlinoir

Berlinoir
von Reinhard Kleist, Tobias O. Meißner
Hardcover (22,50 x 30,00 cm); Seiten 160; 24,90 €
ISBN 978-3-551-75108-9
www.carlsen.de
Info: BERLINOIR ist ein Werk mit düsteren Anleihen aus der Unterwelt, in dem Vampire die Stadt Berlin kontrollieren. Das Szenario stammt von Tobias O. Meißner, der mit Fantasyromanen wie DIE DÄMONEN bekannt wurde. BERLINOIR liegt nun erstmals komplett in einem Band vor und lädt dazu ein, die dunklen Seiten Berlins kennenzulernen.

Inhalt: Und diese Stadt wird in ferner Zukunft kontrolliert von Vampiren, die sich die Bewohner der Stadt untertan gemacht haben – mit Gewalt, Korruption und der unerbittlichen Macht des Stärkeren. Wäre da nicht eine Gruppe Widerständler, die den Kampf gegen die Unsterblichen antreten, um sich und die Stadt, wie sie einmal war, zu retten.

Gesamteindruck: Tobias hat mit "Berlinoir" sein erstes Comicszeanrio geschrieben. Das merkt mensch auch, denn an vielen Stellen ist der Plot holprig und übertrieben künstlich geschrieben. Und so hat "Berlinoir" seine stärksten Momente, wenn die teilweise sehr drastische gezeichneten blutigen Bilder ohne Worte auskommen (Bsp.: S 10 - 12, S. 40, S. 135 - 141). Um das jeweilige Szenario im Ausdruck zu verstärken, werden viele dunkle Grau- und Brauntöne oder Rottöne verwendet, welche die Trost- und Hoffnungslosigkeit, die Kampfszenen, Tod und Zerstörung manifestieren.
Sieht mensch einmal von der abstrusen Story ab, kristallisieren sich sozialpolitische Komponente heraus. Die Regierung ist böse und will ihre Macht erhalten. Sozialwissenschaftliche Aspekte wie Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter werden immer wieder mal in den Handlungsstrang eingefügt. Dann gibt es die Opportunisten, die sich mit ihrem Abhängigkeitsstatus arrangieren und die kampfbereiten Untergrundzellen, der Widerstand. Parallel greift Kleist auf historische Stationen Berlins zurück und erreicht einen Perspektivwechsel innerhalb des Plots, der manche gewünschte Widersprüche offenbart: Das dekadente Berlin der 20er Jahre und die sozialen Unruhen. Das staatliche Handeln in Kriegszeiten und die Bildung einer "Volksgemeinschaft", Lynchjustiz und Trümmerlandschaften, Mauerbau inklusive Adaption des Conrad Schumanns Sprung über Stacheldraht.
Dieses Kuddelmuddel wird von Kleist/Meißner hinterlegt in bekannte Handlungsmuster: Macht, Intrigen, Neid, Mord, Liebe und Verrat.
Die Skrupellosigkeit der machthaberischen Allianz wird erst durch einen Anti-Held beendet, der Berlin(oir) befreit, gleichwohl es ist wie es ist: nach dem Sieg und der Befreiung folgt die Wiederkehr des Verdrängten und Menschen, die an ihren Erinnerungen zerbrechen.
Trotz dem wirren und überborderten Handlungsszenario bin ich gleichermaßen fasziniert von den großartigen Bildern, in denen viele Details stecken und von denen eine Dynamik ausgeht, gerade wenn Kleist großflächig oder doppelseitig arbeitet (S. 16/17, S. 128/129). Kleist erkundet Berlin und zeigt mit bildgewaltige "Fotografien" die dunkle Seite der Stadt und ihre Menschen. Das ist aufsehenerregend.

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