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Rock against-Projekte

Rock Against Reagan, Dolores Park, Oktober, 1983
Rock Against Reagan, Dolores Park, Oktober, 1983

Nachdem Ronald Reagan 1980 die Präsidentschaftswahlen gegen den amtierenden Amtsinhaber Jimmy Carter gewonnen hatte, veränderten sich die Vereinigten Staaten. Für die nächsten acht Jahre befeuerte seine rechte Rhetorik und Politik die amerikanische Hardcore-Punkszene mit Hass und Verachtung. In einer Zeit, in der ein Großteil Amerikas durch geschürte Ängste aus dem In- und Ausland, durch Individualismus und das Streben nach Wohlstand zutiefst gespalten war, brachten diese Bedrohungs-Szenarien die Punk-Bewegung und viele Jugendliche zusammen, die sich ob des sich verändernden gesellschaftlichen, sozialen wie politischen Klimas, widersetzten.

Die konservative Grundstimmung jener Zeit wurde durch das evangelikale protestantische Christentum, die New Christian Right, noch gestärkt. Die mit der Präsidentschaft Reagans einsetzende konservative Wende verlieh fundamentalistischen und neokonservativen Kreisen politischen Rückhalt. In Form von sogenannten Erweckungsbewegungen trug insbesondere das evangelikale Christentum dazu bei, der Religion wieder einen hohen Stellenwert und ein deutlich sichtbares Profil im öffentlichen Leben zu verschaffen.
Die kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen, die im 20. Jahrhundert in den Vereinigten Staaten stattfanden, hatten den Schwerpunkt dieser Systeme vom alten industrialisierten Nordosten und Mittleren Westen, dem Rustbelt, in den Süden und Südwesten, den Sunbelt, verlagert. Kalifornien wurde einer der größten Nutznießer dieser Verschiebung. Der Nachkriegsboom der 1950er Jahre hatte ausgedehnte Vororte außerhalb von Großstädten wie Los Angeles geschaffen. Innerhalb dieser Vororte distanzierten sich weiße Amerikaner der Mittelklasse von den Problemen, mit denen die übrigen Vereinigten Staaten konfrontiert waren. Lisa McGirrs Studie1 über Orange County, ein dichtes Vorortsgebiet außerhalb von Los Angeles, untersuchte den Wahlerfolg, gemessen an diesen Vororten, in einer Fallstudie, um zu argumentieren, dass die Vororte der ideologische Nährboden für die Neue Rechte waren. Während Reagan einen großen Anteil seines Erfolgs der Unterstützung der Bevölkerungsgruppen aus dem Vorort von Kalifornien und schließlich in anderen ähnlichen Gebieten in den Vereinigten Staaten verdankte, widersetzten sich viele vorstädtische Jugendliche der Unterstützung des Präsidenten. Aber es war nicht nur die Jugend Kaliforniens, die Reagan als eine zentrale Figur ansah, die für eine sich verändernde Kultur verantwortlich war. Jugendliche in den Vereinigten Staaten hatten allmählich die Barrieren gegen den Reaganismus2 überwunden. Reagans Image und sein Name tauchten in der Punk-Kultur immer öfter auf und wurden zum Feind Nummer eins der Punks. Fanzines zeigten oft veränderte Bilder des Präsidenten oder charakterisierten ihn in Comic-Illustrationen. Selbst der Attentatsversuch auf den Präsidenten in seiner ersten Amtszeit wurde Teil des Angriffs der Punks. Eine kalifornische Band hatte den Namen Jodie Fosters Army (JFA) gewählt, benannt nach der Äußerung des Attentäters John Hinckley Jr., der behauptete, dass seine Handlungen den berühmten Hollywoodstar Jodie Foster beeindrucken sollten. Eine Band aus Michigan (THE CRUICIFUCKS) hatte sogar einen Song mit dem Titel „Hinckley had a vision“. Zusätzlich verwendeten Bands wie die New Yorker Reagan Youth einen Namen, der angelehnt war an der Hitlerjugend in Nazi-Deutschland. Eine der augenscheinlichsten Gemeinsamkeiten, die Punks miteinander verbanden, war ihre Abneigung gegen Reagan, die sich von Küste zu Küste erstreckte.

Bands und Songs against Reagan

Nach Reagans Wahl zum US-Präsidenten im Jahr 1980 drückten viele Popmusiker*innen ihren Protest in ihren Liedtexten aus. In „(We Don't Need This) Fascist Groove Thang“ prangerte die britische Synthpop-Band Heaven 17 die Politik der britischen und amerikanischen Regierungschefs (Margaret Thatcher und Ronald Reagan) an. Der Text des Liedes verurteilt Rassismus und Faschismus. Das Lied wurde von der BBC aus dem Rado verbannt und erreichte trotz Verbot Platz 45 in den britischen Single-Charts. Zu Beginn seiner zweijährigen Präsidentschaft veröffentlichten Wasted Youth ihr Album „Reagan's In“ und „Over the Border“, die kanadische Band DOA pöbelte mit ihrem Track „Fucked Up Ronnie“. 1982 erschien das einprägsame „Hey Ronnie“ von Government Issue, 1983 der 45-Sekunden-Track „Reagonomics“ von DRI. „If Reagan Played Disco“ von den Minutemen aus Südkalifornien ist ein weiteres Beispiel für eine Anti-Reagan-Proteskultur in Punkbands:

„If Reagan played disco. He'd shoot it to shit. You can't disco in Jack boots. Born, born on a white horse. He'd sing lame lyrics And try to reach the working man.“

Rock against Reagan

1983 organisierte die ‚Youth International Party‘3 (auch bekannt unter THE YIPPIES) die „Rock against Reagan“ (RAR) Tour. Daran beteiligt waren Bands wie Reagan Youth aus New York, MDC und The Dicks aus Texas und DEAD KENNEDYS aus der Bay Area, San Francisco. Neben der Musik gab es Veranstaltungen, informative Filme zu Themen wie dem amerikanischen Imperialismus, politische Reden und sogar Comedy; die späteren populäre Komikerin und Schauspielerin Whoopi Goldberg trat 1983 während der Tournee im Dolores Park in San Francisco auf. Die Yippies der 1980er Jahre hatten Orte eingerichtet, an denen Punks von der anarchistischen Geschichte erfuhren und sich dafür begeisterten. Die Tour war nicht nur eine Ansammlung von Bands, die über die Abneigung gegen ihre Regierung sangen, sondern auch dafür sorgte, dass sich die Teilnehmer*innen registrieren ließen, um sich über Fragen rund um die Regierung zu informieren und warum dies als problematisch angesehen wurde. Leider hat die '83er Tour nicht verhindert, dass Reagan für eine zweite Amtszeit gewählt wurde. Dafür gab es weitere Songs mit Anti-Reagan-Motiven aus der nordamerikanischen Hardcore- und Punkszene. Und im Jahr 1984 eine weitere RAR-Tour. Die RAR-Bands tourten von 1983 bis zu den Wahlen im November 1984 durch die USA. Obwohl es nur wenige Informationen zu den Shows selbst gab – oder zu den verschiedenen lokalen Bands, die sich der landesweiten Tournee angeschlossen hatten – spiegelte die RAR-Tour ein besseres Verständnis für die Proteste der Punks wider, die die Bands in die Punk-Community injizierte.

THE CRUCIFUCKS
THE CRUCIFUCKS

The Crucifucks aus Lansing, Michigan, war eine der Band auf der RAR-Tour. Die Songs der Band kritisierten die amerikanische Gesellschaft, die die Wahl von Reagan ins Amt unterstützt hatte. Einer der Songs der Band aus ihrem selbstbetitelten Album von 1985, „Democracy Spawns Bad Taste“, thematisierte das mit den Zeilen: 
You make things miserable everyday/ You make me sick with the things you say/ You stand for the anthem at the old ball game/ And your Pledge of Allegiance is so fucking lame.“
 „Democracy Spawns Bad Taste“ diskutierte, wie der amerikanische Patriotismus eine Kultur der Kontrolle geschaffen hatte. „Freedom“, wie das Lied aufzeigte, war nur für wenige, da von allen anderen erwartet wurde, dass sie „ein guter Amerikaner“ sind und für ein System kämpfen, das ihr Interesse nicht förderte und nur wenigen „Freiheit“ gab:

„Be a good American – Fuck off!/ Be a good American – Go to war!/ Be a God-fearing citizen, kill someone/ Or kill yourself.“

Als The Crucifucks während des frühen Teils der RAR-Shows selbst auf Tournee waren, übernahmen Millions of Dead Cops (MDC) den Part des Hauptacts. Die ursprünglich aus Texas stammende Band zog zur Zeit der RAR-Shows nach San Francisco. Eine junge Moderatorin beschrieb die Band während einer Punkshow mit: „Die Gruppe ist für Leute, die anfangen zu denken/reflektieren/hinterfragen, was um sie herum passiert.“ Aber erst der Song „Born to die“ avancierte als Slogan für die Reagan-Demonstrationen in diesem Jahr: „No war/ No KKK/ No fascist U.S.A.”

Eine andere Band, die diese Ansicht teilte und während der RAR-Tour spielte, war Dirty Rotten Imbeciles (DRI), die ebenfalls von Texas nach San Francisco umsiedelte. Ihr Lied „I Don’t Need Society“ betont das Gefühl des Krieges, der sich unter der Reagan-Regierung abzeichnet. Dieser Song kritisiert die amerikanische Kultur als das Problem hinter ihrer Perspektive: „You were an apple pie clone living at home/ Never straying too far from your phone/ Now son make it through enemy lines/ You must hurry there’s not much time/ Made it Sir, they’re gonna drop the bomb/ No time to evacuate, they’ll call our moms."

Dieses Antikriegsgefühl, das in DRIs Lied zum Ausdruck kam, war eine Botschaft, die auf die eine oder andere Weise von allen Acts zu hören war, die während der RAR-Tour gespielt haben. Während die Bands, die während der RAR spielten, eine Vielzahl von politischen und sozialen Ansichten hatten, waren THE DICKS zum Beispiel eine offen kommunistische Band mit einem extravaganten homosexuellen Leadsänger. Sie alle kamen zusammen, um den amtierenden Präsidenten ihre Meinung kundzutun.

Auf der Democratic National Convention im Juli 1984 erreichten die Anti-Reagan Proteste den Höhepunkt. Während der gesamten Woche des Konvents fanden friedliche Proteste statt. Am 19. Juli kam es jedoch zu einem Durchgreifen der Polizei gegen die Menschenmengen, die sich auf den Straßen von San Francisco ansammelten. Als der Protestmarsch auf mehr als fünfhundert Menschen anstieg und auf das Gerichtsgebäude zukam, skandierte die Menge ‚No KKK, No Fascist USA‘.
Die Demonstrant*innen wurden von einhundert Polizeibeamten empfangen. Innerhalb weniger Minuten erklärte Polizei-Captain Richard Shippy über ein Megafon, dass die Kundgebung eine rechtswidrige Versammlung sei, und befahl den Demonstrant*innen, sich zu zerstreuen. Bis zum Ende des Tages waren insgesamt 369 Menschen verhaftet worden. Das Ergebnis der Proteste in San Francisco löste einen Alarm für die Republikaner aus, die ihren Kongress im folgenden Monat in Dallas abhielten. Dallas bereitete sich auf eine große Versammlung von Demonstranten vor, indem die Stadt zusätzliche Strafverfolgungsbehörden einführte und die Gefängnisse der Stadt räumte. Ausgerechnet die Band Dead Kennedys kam in jene Stadt, in der John F. Kennedy ermordet wurde, begleitet von hunderten, wenn nicht sogar tausenden von Protestierenden und erneut zahlreichen Verhaftungen.

Rückkehr zu konservativen Werten

Obwohl Ronald Reagan das bevorzugte Ziel der Punk-Bewegung war, war es die Kultur, die er vertrat, die Punks am meisten erzürnte. Punks von San Francisco bis New York und im Mittleren Westen stellten fest, dass es beim Protest nicht nur um Ronald Reagan ging, sondern offenbar auch darum, dass die amerikanische Kultur davon überzeugt worden war, den ehemaligen Hollywood-Star zu unterstützen. Als Reagan 1984 die Wieder-Wahl gewann, wurde die volle Kraft des Reaganismus und der Neuen Rechten auf Amerika entfesselt. Die RAR-Punks waren besiegt worden. Mit ihrer Niederlage ertranken die Hoffnungen auf eine neue Gegenkulturrevolution und eine linke politische Plattform unter dem Strom des Konservatismus parteiübergreifender Konsens.

Jon Savages Buch «1966: The Year the Decade Exploded» skizziert die Wahl Ronald Reagans als Auftakt zum politischen Schlag gegen die Zügellosigkeit der Protestkultur. Als Initialzündung für die polizeiliche Gewalt und die Zuspitzung der Konflikte Mitte der 60er Jahre in Los Angeles sieht der Autor mit der Wahl von Ronald Reagan zum Gouverneur von Kalifornien eine Rückkehr zu konservativen Werten, die im krassen Gegensatz zur wachsenden Protestbewegung gegen den Krieg in Vietnam, der Kampf der Bürgerrechtsbewegung gegen Rassismus und der aufkeimende neue Feminismus im Zeichen sexueller Befreiung und Selbstbestimmung stehen. Damit begann ein rechter Backlash in der Gesellschaft. Der 40. amerikanische Präsident war mit ‚seiner‘ Politik eine Symbolfigur für eine widerständige Protestkultur in der Punk-Community, aber auch für die politische Linke in Deutschland.

Foto: Wolfgang Sünderhauf; Umbruch-Bildarchiv http://www.umbruch-bildarchiv.de
Foto: Wolfgang Sünderhauf; Umbruch-Bildarchiv http://www.umbruch-bildarchiv.de

Am 11. Juni 1982 gab es am Rande des Berlin-Besuchs des damaligen US-Präsidenten eine der schwersten Straßenschlachten, die West-Berlin bis dahin erlebt hatte. Reagan sah Deutschland vor allem als Abschussrampe für US-amerikanische Atomwaffen gen Osten. Gegen diesen Besuch, die zunehmende US- Interventionspolitik sowie die Unterstützung konterrevolutionärer Gruppen in Nicaragua und EL Salvador entstand schnell eine breite Protestbewegung.
Die Friedensbewegung reagierte mit einer Mobilisierung zum 10. Juni nach Bonn, wo eine der größten Demonstrationen mit rund 400. 000 Teilnehmern stattfand. Auch in Berlin gingen an diesem Tag Zehntausende gegen die aggressive US-amerikanische Aufrüstungspolitik auf die Straße. Aus Furcht vor Ausschreitungen hatte der Berliner Senat für den Besuchstag selbst ein stadtweites Demonstrationsverbot verhängt. Trotzdem versammelten sich am 11.6. am Ku-Damm ca. 1500 Menschen zu einer Demo. Sie wurde schon nach 15 Minuten zerschlagen. Auch am Nollendorfplatz traf man sich wie ursprünglich geplant. Kaum hatten sich die Leute dort versammelt, rollte die Polizei Stacheldraht aus – für 4.000 Demonstrant*innen wurde der ganze Platz plötzlich zum Kessel.

Die Nachwehen der Rock against Reagan-Tour

Anknüpfend an die Anti-Reagan-Konzert initiierte FAT WRECK CHORDS 2004 ein Rock Against Bush-Projekt. Parallel dazu startete Fat Mike mit punkVoter.com eine Plattform, die sich für die Veränderung der politischen Landschaft in Amerika einsetzte. „Wir haben in den letzten Jahren den Grundstein dafür gelegt, dass Tausende von Punks zur Abstimmung angemeldet wurden“, heißt es in einer Nachricht auf PunkVoter.com. „Komm zu uns für einen guten alten Punkrock-Dissens!“ PunkVoter war eine Basisgruppe, die vom NOFX-Bassisten Fat Mike gegründet wurde. Er startete Punkvoter mit 100.000 US-Dollar aus eigenem Vermögen und hat Bands wie Green Day und die Foo Fighters für seine Sache gewonnen. PunkVoter war eine Koalition von Künstler*innen und Plattenfirmen, die darauf abzielten, ‚progressive Wähler auszubilden, zu registrieren und zu mobilisieren‘. Die Website beinhaltete den Auftrag, „die unglaublich schlechte Politik der Bush-Regierung aufzudecken“ und „mehr als 500.000 Jugendliche zu registrieren und zu mobilisieren.“ Nach der Wiederwahl Bushs wurde die Kampagne eingestellt. Dennoch war die Kampagne im jeden Fall erfolgreich. PunkVoter registrierte Tausende von Wähler*innen und trug zum größten Anstieg der Wahlbeteiligung bei jungen Menschen seit 1972 bei. Über 20 Millionen junge Menschen stimmten im Jahr 2004 ab, eine bemerkenswerte Steigerung von zehn Prozent gegenüber den vorherigen Wahlen. Dennoch besiegte Bush Kerry und verließ sein Amt vier Jahre später mit der niedrigsten Zustimmungsrate eines scheidenden amerikanischen Präsidenten.

Rock against Bush

Zum Auftakt der Rock against Bush-Tour in Portland, Oregon, waren Musiker*innen und Künstler*innen wie Audioslave, Rage Against The Machine-Gitarrist Tom Morello, Midtown und Anti-Flag zu sehen. Die Organisation hat zwei CD/DVD-Zusammenstellungen unter dem Banner ‚Rock Against Bush‘ über Fat Mikes Label Fat Wreck Chords veröffentlicht. ‚Volume 1‘ lag an der Spitze der Top Independent Albums von Billboard. In den USA wurden 117.000 Exemplare verkauft. Der zweite Teil enthält unter anderem Beiträge von Green Day, Bad Religion, Sugarcult, Rancid, Sleater-Kinney, Hot Water Music und No Doubt. Die Protestkultur hat ihren kommerziellen Höhepunkt erreicht und das ehemals soziale Bewusstsein weicht einer kapitalistischen Verwertungslogik.
Auf ihrem 9. Album ‚The War On Errorism‘ widmeten NOFX dem 43. Präsident ein ganzes Album. Das Album befasst sich über weite Strecken mit der amerikanischen Regierung und den Auswirkungen ihrer Politik. Das Album-Cover zeigt eine Cartoon-Version des Präsidenten als Clown, während auf der Rückseite der Einlass-/Auslaufrille die Überschrift „Irgendwo in Texas gibt es ein Dorf ohne seinen Idioten“ steht. Der Song „Franco Un-American“ war die erste Single, die bei großen Radiosendern in den USA für Aufsehen sorgte. Das Album erreichte die Nr. 1 in den Billboard Independent Album-Charts.

Die Pop-Punk-Band MxPx veröffentlichte am 2. Juli 2019 ein NOFX-Cover von „Franco Un-American“ mit aktualisiertem Text, der das aktuelle politische Klima in den USA widerspiegelt. Das Cover-Artwork ahmt das des War on Errorism nach, mit einer Karikatur des Mehrheitsführers des Republikanischen Senats, Mitch McConnell, anstelle von George W. Bush.


Inwiefern politische Attitüde und Kommerz zusammenwächst, bewiesen Green Day: Ihr ‚American Idiot‘-Album aus dem Jahr 2004, das wie eine Punkrock-Oper angelegt ist und gleichermaßen gegen Bush und die Medien austeilt, verkaufte sich allein sechs Millionen Mal in den USA. Einen Grammy gab’s obendrein.

Die Beispiele zeigen auf, wie die praktizierten Formen der politischen Selbstorganisation im Mainstream angekommen sind und im Bereich des journalistischen und musikalischen Undergrounds als ein Symbiose aus Protest, Konsum und Kunst vermittelt werden. Die Trennung von einer radikalen Protestkultur der RAR-Bewegung hin zu propagierter intermediären Kunst zeigt auch auf, wie Punk, Protest und Konsumhaltung neue Formen und Möglichkeiten neben den Publikations- und Ausdrucksmöglichkeiten schafft: alternative Lebensweisen und politischer Protest verändern nicht die vorHERRschenden gesellschaftlichen Werte, sie verlieren an Bedeutung und werden zu einem unreflektierten Teil einer geschlossenen, dogmatischen Struktur. Die Rebellion verlässt den Outsider_Status, wenn das Geld lockt. Punk hatte diesen Status im Schoß eines von Arbeitslosigkeit und sozialem Niedergang gebeutelten Königreichs aufgegeben, als die „No future“-Haltung, die Revolution aus den Straßen und Clubs in die kapitalistische Warenwelt überführt wurde. The Clash unterschrieben ihren Plattenvertrag bei CBS und auf der Londoner Kings Road konnten Touristen überteuerte Punk-Devotionalien ersteigern. Der große Rock 'n' Roll Schwindel, den die Punk-Pioniere ebenso ironisch wie prophetisch herbeigesungen haben, war vollendet.

Punk against Trump

„Nazi Trumps fuck off“ (Jello Biafra) oder „No Trump, no KKK, no fascist USA!“ (MDC). Slogans, Shirts und Songs gegen Donald Trump sind zahlreich.
 Es gibt zahlreiche Protestsongs von Punk bis Pop, von Madonna bis Anti-Flag. Aber hier zeigt sich erneut, wie Protest und Konsumhaltung verknüpft sind. Der Besuch von US-Präsident Donald Trump in Großbritannien 2018 sorgte dort für die Rückkehr des 15 Jahre alten Punk-Songs ‚American Idiot‘ von Green Day in die Charts. Eine britische Initiative lehnte sich gegen den Trump-Besuch auf und hatte ihre Landsleute via Facebook und Twitter aufgerufen, den Titeltrack von Green Days gleichnamigen Doppelalbums herunterzuladen und zu streamen. Protestaktionen gegen Trump werden meist über soziale Medien organisiert. Von zahlreichen Hashtags auf Twitter entwickelte sich #Resist vor #Resist Trump und #TheResistance bis Anfang Februar 2017 zum meistbenutzten Kürzel der Protestbewegung.
In Bezug auf Trump, lassen sich im Netz immer wieder Bands wie ANTI-FLAG und Figuren wie Jello Biafra finden, die ihren Protest kundtun. Aber auch Donita Sparks von L7 wütet im Song in „Dispatch from Mar-a-Lago“ gegen US-Präsident Trump. „Mogul’s in deep shit, he’s all alone. It’s not good, a riot in fact, storming the gates of Mar-a-Lago“ heißt es im Text und beschreibt besagtes Luxus-Anwesen als Zielscheibe.

No Quid Pro Quo

Aber vielleicht ist der 45. Präsident ja selbst ein Punkrocker.
In Bezug auf die Vorwürfe zur Ukraine-Affäre zeigte Trump der Presse ein geschriebenes Gedicht über seine Gefühle in Bezug auf die Vorwürfe, Militärhilfen zurückzuhalten, um aus der Ukraine kompromittierende Informationen über Hunter Biden zu erhalten.
Seine in riesigen Buchstaben mit schwarzen Markierungen verfassten Äußerungen wurden hilfreich transkribiert und für jeden fotografiert, der eine eigene Aufführung inszenieren möchte.
Das Internet verpflichtete sich und vertonte seine Worte im Stil mehrerer Bands. Zu den Hits gehörte eine Punkrock-Version im Ramones-Stil, die ein ziemlich beeindruckendes Video enthält, in dem Trumps Gesang die Menge in Schwung bringt.

Und auch Ivanka, Tochter des US-Präsidenten, enthüllte in dem Buch ihrer Mutter ‚Raising Trump‘, dass sie eine Punk-Phase gehabt hätte: „Während meiner Punk-Phase in den 90ern liebte ich Nirvana. Meine Garderobe bestand komplett aus Cordjeans und Flanellhemden. Einmal habe ich mir nach der Schule die Haare blau gefärbt. Meine Mutter fand das gar nicht so toll. Sie kaufte sofort ein Mittel und zwang mich, mein Haar wieder zu blondieren.“

Es scheint, als hätte die Revolution ihre Kinder gefressen!


Fußnoten:

1. Lisa McGirr, Suburban Warriors: The Origins of the New American Rights (Princeton: Princeton University Press, 2001), 3-6.

2. Reagans wirtschafts- und sozialpolitischen Maßnahmen wurden unter dem Schlagwort ‚Reaganomics’ bekannt. An ihr entzündete sich die massivste Kritik, die ihm vorwarf, ein gigantisches Umverteilungsprogramm in Gang gesetzt zu haben, das den Armen nimmt und den Reichen gibt.

3. Die Youth International Party (deren Anhänger*innen als Yippies bekannt waren, eine Variation von Hippies) war in den 1960er-Jahren eine theatralische, anarchisch ausgerichtete politische Partei in den USA.