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MIDDLE-AGED QUEERS

A mission to make punk rock gay again
Middle-Aged Queers ist eine LGBTQ-Punkrock-Band aus Oakland, die 2018 gegründet wurde, nachdem Bassist Josh Levine auf Facebook nach Musiker*innen gesucht hatte, um eine „Middle-Aged Queercore-Band“ zu gründen. Bassist Josh Levine spielte zuvor in FANG, NO ALTERNATIVE und in einer späteren Version von FLIPPER. Gitarrist Fureigh spielte bei THE SHONDES, Schlagzeugerin Niki Pretti spielte bei SPAG und den SHUddERS. Sänger Shaun Osburn spielte in WET-NAP und THE COST.

2020 erschien das erste Album „Too fag too love“. Während der Covid-bedingten Auszeit haben sie neue Songs geschrieben und aufgenommen. Die Songs und der Sound auf „Shout at the Hetero“ sind düsterer. Shaun hatte den Großteil der Songs geschrieben und in der Covid-Lockdown-Phase sehr viel BLACK FORK gehört, ein Mix aus X-Ray Spex meets Negative Approach. Das mittlerweile ausverkaufte Album erschien 2022 auf ‚Say-10-Records‘ und wurde noch mit Gitarristen Mag Delana aufgenommen, der kurz darauf ausgestiegen ist und durch Fureigh ersetzt wurde.

Foto: Arthur Wernham
Foto: Arthur Wernham

Wie würdet ihr euren Musikstil beschreiben?
    Niki: Hyperspeed Tanz Queercore.
    Shaun: Jemand hat mir kürzlich gesagt, wir seien die schwule Version von Blatz1. Was ich ziemlich lustig finde, wenn man bedenkt, wie viele Mitglieder von Blatz schwul waren. Aber ich denke, es ist ziemlich zutreffend. Wir sind eine kratzbürstige Midtempo-Punkrock-Band mit offenen, direkten Texten und einer chaotischen Live-Show, die manchmal aus den Fugen gerät.
    Fureigh: Wir sind queere Party-Punks!

Punk hatte schon immer eine Affinität zu sexuellen Außenseitern. Wo sonst lässt sich nachweisen, dass Punk und Queer zusammengehören?
    Josh: Von allen Beispielen in der kurzen Geschichte unseres Genres könnte man sagen, dass Sid Vicious 1977 ein Tom Of Finland-Shirt trug und seitdem Punk und Queer eine Symbiose sind.

Welche Themen findet man in euren Texten und wie bringen sie eure queere Identität zum Ausdruck?
    Shaun: Nicht in jedem unserer Songs geht es direkt um Queerness, aber meine eigene Queerness prägt die Texte. Ein Song wie „TERFs Up“ handelt direkt von der Solidarität mit Trans-Personen, und während ein Song wie „Frankenstein's Alive“ oberflächlich betrachtet nicht unbedingt queer ist, geht es in dem Lied darum, seine Kultur und Identität als queere Person inmitten einer heterozentrischen Kultur zu entwickeln.

Foto: Jonathan Botkin
Foto: Jonathan Botkin

Eure Musik ist old school, eingängig und auf den Punkt. Und es gibt Songs wie ‚SoDoMe‘, ‚Bike Cock‘, ‚Anal Beads‘, in denen es ums Ficken geht. Ist das immer noch ein Tabubruch?
    Josh: Ich denke, das sollte es nicht sein, nach allem, was wir durchgemacht haben.
    Shaun: Amerika ist so puritanisch, dass es sich selbst schadet. Ich denke, die Meth-Krise bei schwulen Männern wird durch die Scham über Sex angeheizt. Wir müssen uns wohlfühlen, wenn wir miteinander über Sex und Sexualität sprechen, und nicht Substanzen als Deckmantel benutzen. Wenn es ein Tabu um Sex gibt, bin ich dafür, es zu brechen, damit wir ein ehrlicheres und authentischeres Leben führen können.
Furiegh: Das hängt davon ab, wo wir (oder unsere Musik) spielen.

Welche queeren Künstler*innen haben dich inspiriert und beeinflusst?
    Josh: The Dicks, Hüsker Dü, David Bowie.
    Niki: Alle Glam-Größen: David Bowie, Elton John, Freddy Mercury. Pansy Division, Gravy Train, Laura Jane Grace.
    Shaun: Rob Halford von Judas Priest und Roddy Bottom von Faith No More.
    Furiegh: Team Dresch, Sleater-Kinney, Pansy Division, und, um ganz ehrlich zu sein, Ani Difranco2.

»Wir können ein Leuchtfeuer der Hoffnung sein«; Shaun

Wie wichtig ist es für euch, in der Musik-Szene als queere Band sichtbar zu sein?
    Shaun: Die große Musiklandschaft wird immer noch von weißen, heterosexuellen Männern dominiert. Sie ist immer noch voll von Machos und geprägt von Frauenfeindlichkeit. Für mich bedeutet die Tatsache, dass wir eine sichtbare queere Band sind, dass wir Menschen wie uns, die sich vielleicht nicht so wohl mit sich selbst fühlen, zeigen können, wer wir sind. Wir können als ein Leuchtfeuer der Hoffnung dienen, wo immer wir hingehen.
    Niki: Es ist immer wichtig, das Queere zu repräsentieren, vor allem jetzt, wo all die Anti-Queer-Gesetze3 ins Spiel gebracht werden. Wir müssen für all die queeren Menschen sichtbar bleiben, die etwas Positives brauchen, an dem sie sich festhalten können.

Gibt es spezifische Herausforderungen, mit denen ihr als queere Band konfrontiert seid?
    Shaun: Wenn die Veranstalter uns vor einer Show keinen Soundcheck geben, ist das Homophobie.
    Josh: Es gibt leider immer noch überraschend große homophobe Vorfälle in der Punk-Szene.
    Shaun: Was uns betrifft: Orte wie Tankstellen in ländlicheren Gegenden sind da am unheimlichsten. In kleineren Städten gab es Fälle von Mikroaggressionen, aber keine direkte Gewalt oder gar Gewaltandrohung.

Foto: Cam Evans
Foto: Cam Evans

Wie reagiert das Publikum in der Regel auf eure queeren Botschaften und eure Musik?
    Josh: Wir sind ein guter Ritt, probier es aus!
    Niki: Sie scheinen ziemlich begeistert davon zu sein! Ob sie nun queer sind oder nicht, alle scheinen größtenteils begeistert zu sein.

Welche Rolle spielt der politische Aktivismus in eurer musikalischen Arbeit?
    Josh: Er treibt mich an, inspiriert mich und hält mich auf Trab!

Wie würdet ihr euren Fans die DIY-Queer-Kultur näherbringen?
    Shaun: Unser jüngeres Publikum weiß oft nicht, dass wir unsere eigenen Touren buchen, unsere Platten von Freund*innen herausbringen lassen oder unser eigenes Merchandise herstellen. Sie kommen zu einer Show und erwarten einen Tourbus vor einem größeren Veranstaltungsort, und dann sitzen wir nur in einem Mietwagen und spielen in einem kleinen veganen Café. Wenn man sich mit ihnen unterhält, merkt man sofort, dass sie das auch machen könnten. Mit seinen Freund*innen Musik zu machen und um die Welt zu reisen, ist nicht nur etwas, was große, schicke Rockstars tun können.

Wahrscheinlich gibt es in jeder Stadt junge Queers, die keine Möglichkeit haben, sich auszudrücken. Außerdem gibt es in einigen US-Bundesstaaten eine wachsende Zahl von trans- und homophobe Gesetzesvorlagen, die queere Literatur aus Bibliotheken verbieten und die bloße Diskussion über queere Existenzen in Schulen kriminalisieren, um nur einige zu nennen. Welchen Rat kannst du jungen queeren Menschen geben, um trotzdem sichtbar zu bleiben?
    Josh: Halte einfach durch, bis du herausgefunden hast, wo du im Leben sein sollst. Bleib positiv!
    Niki: Bleibe dir selbst treu, finde eine Gemeinschaft und Freund*innen, mit denen du dich zusammentun kannst und versuche, die Hoffnung aufrechtzuerhalten, dass wir das alles überstehen werden.

Warum ist es wichtig, nach Aspekten des queeren Lebens zu suchen?
    Josh: Jeder möchte sich als Teil von etwas fühlen. Die Geschichten, die wir erzählen, sind aus dem queeren Leben gewoben und geben den vielleicht unterdrückten Gefühlen einen Sinn.
    Niki: Es ist wichtig, die Gemeinschaft zusammenzubringen, vor allem für diejenigen, die Schwierigkeiten haben, ihren Platz in der Welt zu finden.

Vor allem Menschen mit gleichgeschlechtlichen Neigungen sprechen oft davon, dass sie in ihrer Jugend etwas empfunden haben, was sie selbst nicht verstehen konnten. Wie war das bei euch?
    Shaun: Ich erinnere mich, dass ich ‚Star Trek the Next Generation‘ gesehen habe, als ich etwa 8 Jahre alt war und Wil Wheaton im Fernsehen sah. Ich war mir nicht ganz sicher, was das für ein Gefühl war, aber ich wusste, dass ich die Serie mehr mochte, weil er darin vorkam, und ich mochte die Episoden, in denen er im Mittelpunkt stand, sehr. Wil Wheaton ist dazu auch heute noch ein knackiger Bär! Wuff!4
    Niki: Ich persönlich habe das Gefühl, dass ich mein Verlangen nach Frauen immer verstanden habe. Ich habe das nie wirklich infrage gestellt, auch wenn meine Eltern sagten, es sei ‚nur eine Phase‘. Ich war schon immer mehr von der Persönlichkeit einer Person angezogen als von dem, was unter ihrer Kleidung vor sich geht. Da ich in der East Bay aufgewachsen bin, hatte ich wohl das Privileg, dass ich mir nicht allzu viele Gedanken darüber machen musste, wie ich meine Liebe zu beiden Geschlechtern offen zeigen konnte.

Eine der wenigen Queercore-Bands, die ein fußballstadiongroßes Publikum erreicht haben, sind Pansy Division, die humorvolle und wütende Texte haben. Das ist sehr ähnlich wie bei euch und zeigt: queer-feministische Punk hatte und hat keine feste politische Agenda im engeren Sinne. Seine Methoden sind fließend und spielerisch. Kannst du mir dafür ein repräsentatives Beispiel nennen?
    Josh: Ich habe das Gefühl, wir haben eine klare politische Agenda, wir sind hier und wir sind queer! Unsere Band ist eine politische Band, die nicht in eine Schublade gesteckt werden kann! Einige von uns können allerdings mit veganen Hot Dogs gefüttert werden.
    Shaun: Ich glaube, wir schwanken zwischen direkt konfrontativen Texten und Texten, die in Humor verpackt sind. Manchmal ist die Botschaft so krass provokant, weil wir kein Blatt vor den Mund nehmen können. Zu anderen Zeiten wird die Ernsthaftigkeit erst nach der Einführung von Komik vermittelt, um die Botschaft besser vermitteln zu können.

https://middleagedqueers.com


Fußnoten:

1. Blatz war eine US-amerikanische Punkband, die 1989 in Berkeley, Kalifornien, USA, gegründet wurde. Blatz kam Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre zusammen mit Bands wie Operation Ivy, Filth und Green Day aus dem 924 Gilman Street-Umfeld.

2. Ani DiFranco ist eine US-amerikanische Singer-Songwriterin, Labelgründerin und politische Aktivistin.

3. Im letzten Jahr und vor der Präsidentschaftswahl treiben Christlich-Konservative den Kulturkampf voran. Republikanische Abgeordnete fluten die Parlamente der Bundesstaaten mit Anti-LGBTQ-Gesetzen.
Die US-Menschenrechtsorganisation ACLU zählt US-weit allein im letzten Jahr 491 Gesetzesinitiativen, die die Rechte der LGBTQ-Community einschränken. Das ist ein neuer Rekord – mehr als doppelt so viel wie im gesamten Jahr 2022. Es sind insbesondere die Südstaaten, in denen die Republikaner in den Parlamenten die Mehrheit stellen, die mit rigiden Gesetzen die Freiheiten der LGBTQ-Bevölkerung einschränken.

4. Mit Wesley Crusher verkörperte er eine bei den Star-Trek-Fans Rolle in den ersten vier Staffeln von „Star Trek: The Next Generation“ (1987–1991) und in drei weiteren Folgen der verbliebenen drei Staffeln. Gleichwohl er verheiratet ist und Kinder hat, gab es immer wieder Gerüchte oder Hinweise darauf, er könne schwul sein. In einer Entertainment-Show sprach Wil davon, dass er Schwierigkeiten hatte, bei „Star Trek“ mitzuspielen, während er begann, seine Sexualität infrage zu stellen oder sich mit ihr auseinanderzusetzen. Wil hat sich nie geoutet, brachte der queeren Community aber Verständnis entgegen und bedankte sich mit einem Facebook-Eintrag:
„Im Laufe der Jahre habe ich mehrere Männer getroffen, die mir erzählten, dass ihre Kindheitsverliebtheit in Wesley Crusher ein großer Teil davon war, dass sie sich geoutet haben und ihr Leben mit Freude, Liebe und Stolz leben. Ich kann euch gar nicht sagen, wie viel mir das bedeutet. Ich liebe es so sehr, dass ich und ein Teil meiner Arbeit für Menschen da war (als ich noch nicht einmal wusste, dass es passierte), die einen sicheren Ort brauchten.“
Wheaton wünschte den Mitgliedern der LGBTQ+-Gemeinschaft eine ‚Happy Pride‘: „Happy Pride“, schrieb er, „ihr lieben und perfekten Menschen. Ich und Wesley Crusher sehen euch, und wir bewundern euch absolut“. (Quelle: https://www.facebook.com/itswilwheaton/posts/3829234737203040)