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LOTTA #77

LOTTA #77
LOTTA #77

LOTTA #77
68 DIN-A-4-Seiten; € 3,50.-
Lotta, Am Förderturm 27, 46049 Oberhausen
www.lotta-magazin.de
Bundesinnenminister Horst Seehofer hat nach dem rechtsterroristischen Anschlag in Halle davor gewarnt, dass Rechtsextremisten Gaming-Plattformen für ihre Zwecke nutzen. Daraufhin flammte eine öffentliche Debatte auf, ob Killer und -Ballerspiele per se dazu motivieren, Amokläufe und Gewalttaten zu fördern. LOTTA analysiert in einem Schwerpunkt die Gaming-Szene und Gaming-Plattformen.

Fakt ist, dass der Attentäter von Halle in der Gaming-Szene unterwegs war. Die Bluttat selbst hatte er über eine Helmkamera live im Internet übertragen. Als Vorbild diente ihm der Chistchurch-Attentäter. Kira Ayyadi nimmt die Gaming-Szene unter die Lupe und stellt fest, dass "wir es mit einem neuen rechten Täter-Typus zu tun haben". Anti-feministische Info-Krieger, vernetzt in einer toxischen Netzkultur, buhlen um die Gunst um Anerkennung und äußern sich mit diskriminierenden, rassistischen Äußerungen und toxischem Verhalten. Das bekamen die feministische Medienkritikerin Anita Sarkeesian und Spielentwicklerin Brianna Wu zu spüren. Kira konstatiert, dass Antifeminismus und Sexismus in der Gaming-Kultur vorHERRschen, benennt aber auch Gegenmaßnahmen und Strategien wie einem Sanktions- und Belohnungssystem oder das "Good Gaming - well played democracy"-Projekt.
Die anderen Artikel wiederholen sich und verschieben den Blickpunkt auf Begrifflichkeiten wie Gamification oder vertiefen die Fallbeispiele der Attentäter von Christchurch und Halle.

Gesamteindruck:

Weil sich in Games unterschiedlichste Menschen treffen bzw. chatten, gibt es leider auch hier Möglichkeiten, in denen rechte Agitation betrieben wird, Naziparolen gepostet und auch potenzielle Mitglieder für extrem rechte Gruppierungen in der Realität rekrutiert werden. Darüber hinaus bietet Gamergate eine Bündelung von extrem rechten Ideologien, die von Alt-Right als identitätsstiftende Merkmale verankert wurden. Breitbart nutzte 2014 die Gelegenheit, um die schwelende Ignoranz und Wut unzufriedener junger weißer Männer zu befeuern. Gamergate-Typen wie Milo Yiannopoulos wurden nicht ernst genommen. Heute gilt er als Gallionsfigur unter jungen, internetaffinen, weißen, männlichen Usern und zu einem Aushängeschild der Männerrechtsbewegung. Sein Fallbeispiel ist also ein Beleg dafür, wie eine Hasskultur über die Gaming-Szene hinaus verbreitet und etabliert wird. Vor allem sind es die hinlänglich bekannten Image-Boards auf 4- bzw. 8chan, auf denen der Hass erblüht. Gefährlich: Wenn der erfolgreichste Let’sPlayer und Games-YouTube-Star PewDiePie Scherze mit "Death to all Jews" macht, wird das als Spaß abgewertet. Normen, moralische Hemmschwellen sinken. Provokante Behauptungen und sexistische, rassistische "Witze" dienen den Usern als Erkennungszeichen und Tarnung zugleich. Extreme Rechte nutzen die Gamingkultur für Verherrlichung von Militär, Waffen, Gewalt, Sexismus, Rassismus, pochen auf ihren angeblichen "Kampf gegen Zensur", hetzen gegen die böse liberale "SJW-Verschwörung", gegen "Lügenpresse", "Feminazis" und nutzen die Community als menschenverachtende Propagandamaschine. Wenn sich Rechts-Terroristen an ein Games-affines Publikum wenden, ist das kein unglücklicher Zufall, sondern ein Alarmsignal. In diesem Sinne: Nazis raus aus der Gaming-Szene.