· 

Tierbefreiung #111

Tierbefreiung #111
Tierbefreiung #111

Tierbefreiung #111
84 DIN-A-4-Seiten; €4,00.-  
die tierbefreier e.V., Postfach 160132, 40564 Düsseldorf
https://www.tierbefreiershop.de
Der Schwerpunkt zeigt Beispiele  tierliches Handeln, und dass nichtmenschliche oder andere Tiere nicht zu rettende Opfer sind, sondern widerständige, kreative Individuen.

Tom Zimmermanns Einleitung wirft die Frage auf, was tierliches Handeln für die Tierbefreiungsbewegung im deutschsprachigen Raum bedeutet. Zum einen verweist er auf eigenmächtigen tierlichen Widerstand und auf Orte wie Lebenshöfe als „kleine Vorboten einer Gesellschaft, in der das individuelle Handeln von nichtmenschlichen Tieren ernst genommen wird“.
Mirjam Rebhan stellt heraus, dass Tiere eine Stimme haben und wir ihnen nicht erst eine Stimme geben müssen, sondern lernen, mit ihnen zu kommunizieren, sie ernst nehmen und ihre Wünsche, Bedürfnisse respektieren sollten. Daran knüpft ein sehr interessantes Interview mit Eva Meijer an. Eva ist niederländische Künstlerin, Schriftstellerin, Philosophin und Singer-Songwriterin. 2019 hat sie das Buch „When Animals Speak: Toward an Interspecies Democracy“ veröffentlicht. Eva lehnt die Vorstellung ab, dass nichtmenschlichen Tieren die Sprache fehlt oder „nicht in einer für politisches Handeln relevanten Weise sprechen können“ und konzentriert sich stattdessen darauf, wie Menschen Tierstimmen hören und diese Stimmen als Teil einer Bewegung in Richtung einer neuen Interspezies-Demokratie berücksichtigen können. Dies hängt mit dem Zusammenleben mit Tieren zusammen – ihr Bewegungs- und Ausdrucksraum wird derzeit stark vom Menschen bestimmt, was ihren Handlungsspielraum beeinflusst.
Ferdinand heißt der kleine weiße Stier, dessen Schicksal widerständiges Handeln verdeutlicht.
Ein weiteres sehr aufschlussreiches Interview führt Tom Zimmermann mit der belgischen Tierrechtsaktivistin Geertrui Cazaux. Sie leidet an mehreren Autoimmunkrankheiten. Die Inspiration durch den Ökofeminismus und die Entdeckung der Beziehungen zwischen Speziesismus, Rassismus und Sexismus hat sie auch dazu gebracht, die Beziehungen und Verbindungen zwischen Behindertenfeindlichkeit und Speziesismus zu entdecken. Hierzu hat sie die Plattform „Crip HumAnimal“ gegründet. Sie möchte auch, dass es eine Plattform für behinderte Veganer*innen ist, um ihre Geschichte zu erzählen, um mitzuteilen, welchen Schwierigkeiten sie in der veganen Bewegung, in der Tierrechtsbewegung oder in der Gesellschaft im Allgemeinen begegnen. Geertruis Antworten und Schlussfolgerungen sind logisch und mitunter bewusst kontrovers. Ihr Plädoyer: Die Geschichten der Tiere selbst in den Mittelpunkt stellen und aufzeigen, dass Tiere Akteur*inne sind, nicht Objekte.

Gesamteindruck:

Die Tierphilosophie hat sich lange Zeit entweder auf individuelle Beziehungen (Ethik) oder auf Speziesbeziehungen konzentriert. Das Interessante an der politischen Wende in der Tierphilosophie ist, dass der Fokus auf soziale und politische Beziehungen verlagert wird, also auf situierte Beziehungen zwischen Gruppen. Dies bietet eine neue Perspektive für das Nachdenken über Interaktionen, in denen Konzepte wie Demokratie, Staatsbürgerschaft und Rechte eine Rolle spielen. Ein wichtiger Aspekt bei der Neugestaltung der Beziehungen zu anderen Tieren ist es, sie zu erwägen oder zu fragen, ob sie mit Menschen in Kontakt treten wollen oder nicht und wie Beziehungen verändert werden können. Dies erfordert ein radikales Umdenken von Praktiken und Konzepten. Die politische Wende hätte auch andere Vorteile. Es eröffnet einen neuen Werkzeugkasten von Konzepten für das Überdenken von Beziehungen, beispielsweise mit der Untersuchung, wie das Verständnis von Demokratie, Staatsbürgerschaft, politischer Handlungsfähigkeit usw. eine Rolle in den Beziehungen zwischen Tiergruppen und menschlichen politischen Gemeinschaften spielen kann.