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Punk und Protest gegen Putin

Spätestens seit Pussy Riot und ihrem Punkgebet in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau wissen wir: In Russland steht längst nicht jeder hinter Putin und es gibt mutige Menschen, die keine Angst haben und trotz Repressionen Musik, Kunst und Literatur gegen den autoritären, nationalistischen, patriarchalen und homophoben Mainstream machen.

Für diese oppositionellen Musiker*Innen, Künstler*Innen und Schrift*Innen war es auch schon vor dem Beginn der russischen Invasion in die Ukraine nicht ungefährlich. Doch es waren Nischen vorhanden, es gab Möglichkeiten, Räume die erkämpft und verteidigt wurden. Da Russland gerade im Eiltempo von einem autoritären Staat zu einer totalitären Diktatur wird, sind diese Spielräume nun dabei, sich zu schließen. Sie werden vielleicht für Jahre geschlossen bleiben. Künstler*Innen, die sich gegen Putin und seinen Krieg stellen, gibt es aber weiterhin.
Mit dem „Punk Gebet“ in der Moskauer Christus-Erlöser-Kirche schockte das feministische Punk-Kollektiv Pussy Riot am 21. Februar 2012 die russische Gesellschaft und vielleicht auch den Kreml. Als Künstler*innen stellten sie sich gegen Russlands „politisches System, das seine Macht gegen grundlegende Menschenrechte einsetzt“. Mit ihrem Protest im Februar 2012 gegen die Verbindung von Kirche und Staat, wurden Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina für zwei Jahre inhaftiert.

»Wir machen unsere politischen Punk-Konzerte, weil im russischen Staatssystem Erstarrung, Abschottung und Kastengeist herrschen und die Politik nur engen korporativen Interessen unterstellt ist – so sehr, dass allein schon die russische Luft uns krank macht. (. . .)«; Nadjeschda Tolokonnikowa

Nach der Freilassung Ende 2013 folgten unterschiedliche Protestaktionen. Neben den ursprünglichen Punkliedern organisierten sie beispielsweise eine Störaktion bei der WM 2018 und einen „Geburtstagsgruß“ an Präsident Putin im Oktober 2020, als die Gruppe Regenbogenfahnen an Regierungsgebäude in Moskau hing.
Begleitet wurden ihre Aktionen von Festnahmen und Repressalien. Während diese anfangs nur im Nachgang auf die Proteste folgten, begannen die Behörden 2020 Pussy-Riot-Mitglieder zunehmend präventiv zu verhaften. Es gab 15-tägige Haftstrafen, gefolgt von weiteren mehrtägigen Haftstrafen.
Kurz vor den Duma-Wahlen im September 2021 in Russland, flohen zahlreiche Pussy-Riot-Mitglieder nach Georgien – nach eigenen Angaben jedoch nur temporär. Diejenigen, die in Russland geblieben sind, stehen nun entweder unter Hausarrest, wurden zu Geldstrafen verurteilt, zu ausländischen Agent*innen erklärt oder inhaftiert.

„Niemand ist mehr im Land: Keine politischen Parteien, keine Aktivist*innen, die bereit wären zu demonstrieren.“; Pussy Riot Mitglied Wasily Krestyaninow

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Nur die wenigsten Menschen in Russland trauen sich gegen den autoritären Präsidenten zu kämpfen. Neben PUSSY RIOT ist es heutzutage vor allem die Punk-Band „Pornofilmy“. Sie gilt als regierungskritischste in ganz Russland.

»Polizei und Staatsanwaltschaft haben ihn telefonisch kontaktiert und gefordert, dass er unseren Auftritt absagt. Dabei legen die Behörden keine offiziellen Briefe vor. Sie wollen einfach unsere Konzerte verhindern.«; Alexander Russakow, Gitarrist der Band „Pornofilmy“

„Pornofilmy“ will einen Machtwechsel in Russland. Die provokanten Songs finden vor allem beim jungen Publikum Anklang. Die Band versucht der jungen Generation Mut und Hoffnung zu geben. Songwriter Wladimir Kotlarow trägt daher bei jedem Konzert seine lebensbejahenden Gedichte vor. Allerdings, fügt er hinzu, könne sich das Land nur nach einem Machtwechsel durch freie und faire Wahlen verändern. Das ist seine Botschaft. Eine Botschaft, die immer mehr zu einer reinen Utopie verkommt.
Einen Einblick in die russische Gegenkultur der letzten Jahre und in die Situation seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine liefert Norma Schneider. Norma ist freie Journalistin und Lektorin.

Vortrag: