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PLASTIC BOMB #101

PLASTIC BOMB #101
PLASTIC BOMB #101

PLASTIC BOMB #101
64 DIN-A-4-Seiten; € 3,50.- + CD
Plastic Bomb, Postfach 100205, 47002 Duisburg
www.plastic-bomb.de
Ronja schreibt wie es ist: Wir haben unser Pulver verschossen. Zudem ist sie davon überzeugt, dass die LeserInnen die "Schwachsinnstorys" (Zitat Ronja), Reiseberichte und den persönlichen Kram abfeiern werden, ja sogar eingefordert haben.

Nun, RTL2 hat auch eine Zielgruppe, ein Stammpublikum, was mich erschreckt, aber nicht verwundert, denn mensch ist von Natur aus ein Voyeur und will alle Geheimnisse, Sünden, Probleme wissen oder mit jemanden teilen. Der Thrill ist zu entdecken, wo die Gemeinsamkeiten sind, wo nackte und abgründige Wahrheiten verborgen liegen und mensch zugemutet werden. Für den Restverstand und die Restmoral wären außergewöhnliche, melancholische, moralisch komplexe Themen auch auf der persönlichen Ebene und Erzählweise möglich, doch die hier präsentierten Artikel wirken wie eine Resteverwertung, eine Zumutung sondergleichen für das, was Ronja und die P.B.-Redaktion hier als Punk verkauft.

Gesamteindruck:

Ronja beschreibt ihren Festivalsommer und den Familienausflug im bayerischen Wald. Tüddel sucht den Punk in der Provinz, "Joe" und "Ricky Risk" haben ihre Ankündigung wahr gemacht und ihren 2. Teil vom Abenteuer verfasst. Die LeserInnen erfahren von einer Mais-Challenge, Sex im Bällchenbad und Sex-(Alb-)Träume mit Michael Douglas. Und auch Maks' UK Reisebericht ist auf einem unterirdischem Niveau angesiedelt, beschreibt er doch Obstipationsprobleme, benutzt das Wort "Hulle" inflationär, kann sich aber noch einigermaßen mit veganem Essen und guten alten Punkrock über die Runden retten.
Linus Volkmann verabschiedet sich mit seiner merkwürdigen Kolumne "Wie Punk untergehen muss". Stemmens Interview mit Stephan Mahler als 2. Teil ist zwar als Ganzes sehr ausführlich, hätte als Einteiler zusammengefasst werden können, um das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen. Das SLIME-Interview erfüllt wie schon so oft in den vorangegangen Plastic Bomb-Ausgaben die Soll-Quote als Aufhänger, enttäuscht aber mit einem uninspirierten Verlauf.
Die wenigen Höhepunkte sind Dariushs Bericht über die Seenotrettung im Mittelmeer und Bastis Geschichte aus der Gruft mit Dennis Ingo Schulz, einem verpeilten Pannemann, der als gesellschaftlicher Führer und Reichsdeutscher grenzdebile Aussagen und Vidoes postet (Zuweilen scheint er neben Hartz IV einen Nebenerwerb als Tierpfleger auszuüben, wobei er sich dabei filmt, wie er Ziegen rassistische Vorträge hält).
Das ist inhaltlich insgesamt natürlich viel zu wenig, um nur annähernd eine Qualität zu erreichen, das strategische Geschäftsmodell PLASTIC BOMB so aufzustellen, um hier kontinuierlich einen angemessenen Standard zu erreichen. Davon scheint das PLASTIC BOMB mit dieser Ausgabe mehr denn je entfernt. Keine Fanzine-Reviews, über 30 Seiten weniger als die Jubiläumsausgabe und den fahlen Beigeschmack, dass hier einfach nur eine Ausgabe ohne Sinn und Verstand zusammengeschustert  wurde, um den Veröffentlichung-Zyklus einzuhalten. Ein redaktioneller und kommentierter Jahresrückblick wäre in diesem Fall sogar noch besser gewesen.