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Razzia in Kulturzentrum Langer August

Razzia in Kulturzentrum
Razzia in Kulturzentrum

Bei der Razzia im Dortmunder Kulturzentrum "Langer August" am Mittwoch den 4. Juli hat das Landeskriminalamt Köln einen Server beschlagnahmt, auf dem die Website des unabhängigen Hamburger Radiosenders FSK 93.0 gehostet ist.

Neben der redaktionellen Website ist damit auch ein wichtiger Verbreitungsweg des Radioprogramms, der Livestream, faktisch abgeschnitten. Offiziell soll nicht das FSK Ziel der Massnahme gewesen sein. Auch diverse andere Webseiten des Hosters sind von der Polizeimassnahme betroffen. „Die Entwendung des Servers stellt einen eklatanten Eingriff in die Presse- und Rundfunkfreiheit dar“, so ein Mitglied der FSK-Geschäftsführung.

„Der Verlust der Website und das faktische Abschneiden unseres Livestreams ist eine erhebliche Beeinträchtigung unserer unabhängigen Berichterstattung. Wir fordern die sofortige Rückgabe des Servers! Eine etwaige polizeiliche Auswertung betrachten wir als illegal.“ Zu den Jahrestagen des G20-Gipfels in Hamburg wird am heutigen Donnerstag das breit angekündigte „Massencornern“ stattfinden, was über FSK 93.0 von 19 bis 24 Uhr akustisch begleitet wird. Auch in den nächsten Tagen wird es Sondersendungen zu den Jahrestagen geben.

Schon während des letztjährigen G20-Gipfels in Hamburg hat es massive Einschränkungen der Pressefreiheit gegeben. Diese wurden bisher politisch und juristisch nicht einmal im Ansatz zurückgewiesen.

Zur Durchsuchung des Langen August am 04.07.2018

"Am Mittwoch den 04. Juli 2018 drangen gegen 19 Uhr mit Maschinenpistolen bewaffnete Uniformierte in das Kulturzentrum Langer August in der Dortmunder Nordstadt ein und hielten die dort Anwesenden mehrere Stunden fest. Sie führten einen Durchsuchungsbefehl mit, der sich auf die Räume des Wissenschaftsladen Dortmund e.V. (WiLaDo) in der 3. Etage bezog. Dessen ungeachtet wurde mit Ausnahme weniger Räume der gesamte Lange August durchsucht.
Den Durchsuchungsbefehl hatte das LKA Köln erwirkt, aber die Aussicht, mal ein soziokulturelles Zentrum von innen zu sehen, hat die Dortmunder Polizei vermutlich zum Trittbrettfahren auf dieser „Maßnahme“ animiert.
Ziel des LKA war die Sicherstellung eines im WiLaDo befindlichen Servers. Dabei haben die Eindringlinge fünf Türen zerstört, davon drei im WiLaDo. Für die Vollendung dieser Verwüstung wurde auch noch die Feuerwehr bemüht, um die Sicherheitstür zum Serverraum aus den Angeln zu heben. Es wurde nicht versucht, mit dem WiLaDo Kontakt aufzunehmen, um die Schäden zu vermeiden. Der Zutritt zum Langen August und zum WiLaDo wurde Vorstandsmitgliedern, die zum Ort der „Maßnahme“ geeilt waren, verwehrt. Ebenso der Anwältin des WiLaDo.
Entwendet wurde aus dem WiLaDo schließlich ein Servergehäuse, in dem sich mehrere (stromsparende) kleine Server befanden, darunter das Zielobjekt der LKA-„Maßnahme“. Dadurch, dass die „Besucher“ trotz stundenlanger, abgeschirmter Betätigung im WiLaDo das Objekt ihrer Begierde offenbar nicht genau ausmachen konnten, sind durch die unnötige Mitnahme von nicht mit „der Sache“ zusammenhängender Hardware weitere unnötige Schäden entstanden. Einem Dienst von FREE! wurde dadurch die Hardware entzogen, und die Website des Radiosenders FSK abgeschaltet. Ob Letzteres einen Eingriff in die Pressefreiheit darstellt, wird zu prüfen sein.
Obwohl die Staatsgewalt vom Gericht lediglich beauftragt war einen Server sicher zu stellen, wurden darüber hinaus Ordner mit Vereinsunterlagen des Wilado, Kartons mit Flyern und Plakaten, zwei Laptops, eine externe Festplatte sowie ein Smartphone mitgenommen.
Wir sind entsetzt über diese vollkommen unverhältnismäßige Maßnahme. Um Dokumente aus dem Netz zu entfernen, ist üblicherweise der Betreiber des Servers der erste Ansprechpartner. Dieser ist nicht im Langen August ansässig, sondern hat lediglich seinen Server im WiLaDo untergestellt. Auch der WiLaDo hätte den Server bzw. die IP einfach sperren können, sofern er denn über die problematischen Inhalte informiert worden wäre.
Stattdessen wurden die Besucher*innen des Langen August durch mit Maschinenpistolen bewaffnete Uniformierte eingeschüchtert, über Stunden in den Räumen festgesetzt und Einrichtung im Wert von mehreren Tausend Euro durch sinnlose Gewalt zerstört.
Die angekündigten neuen Polizeigesetze sind noch gar nicht in Kraft. Sie sind aber offenbar auch gar nicht erforderlich, da sich diese sog. Ordnungshüter sowieso nicht daran halten werden. Dies mussten wir zumindest am 04.07.2018 im eigenen Haus erleben. Richterlich angeordnet war die Durchsuchung der Räume des WiLaDo - nicht des ganzen Hauses. Außerdem war die Beschlagnahme eines Servers angeordnet. Nicht angeordnet war die Mitnahme von weiteren Servern, diversen Vereinsunterlagen des WiLaDo und schon gar nicht von Dingen aus anderen Räumen im Haus.
Dieser Überfall auf den Langen August reiht sich ein in eine ganze Serie solcher Vorfälle. Am 20. Juni wurden beispielsweise die Wohnungen von Aktiven im Vorstand des Vereins Zwiebelfreunde in mehreren deutschen Städten mit einer höchst fragwürdigen Begründung „als Zeugen“ durchsucht und Computer und Datenträger beschlagnahmt. Auch der Augsburger Ableger des CCC im dortigen OpenLab musste eine Durchsuchung über sich ergehen lassen.
Wir sind besorgt über die zunehmende staatliche Gewalt gegenüber zivilgesellschaftlichen Einrichtungen. Wer sich ehrenamtlich und unabhängig organisiert scheint mittlerweile für die Staatsmacht automatisch verdächtig zu sein. Dies gilt insbesondere für Organisationen die sich für eine selstbestimmte Nutzung des Internet einsetzen.
Wir werden gegen den Überfall vom 04.07.18 gerichtlich vorgehen. Auch wenn dies eine erhebliche finanzielle und personelle Belastung sein wird und eine Entscheidung erst in ein paar Jahren zu erwarten ist. Die wenigen vorhandenen Möglichkeiten zur Gegenwehr werden wir nutzen."

Dortmund, den 08.07.2018, die Gruppen im Langen August:

Chaostreff Dortmund e.V.
DFG-VK Landesverband NRW
Frauen*-Internationalismus-Archiv Dortmund
Langer August e.V.
Verein für Medienarbeit e.V.
VVN-BdA Dortmund
Wissenschaftsladen Dortmund e.V.