Die Schriftstellerin Anja Tuckermann und die Journalistin Kristina Milz geben im Berliner Hirnkost Verlag die Liste der auf der Flucht nach oder in Europa Gestorbenen in Buchform unter dem Titel „Todesursache: Flucht“ heraus.
Das europaweite Netzwerk UNITED for Intercultural Action mit Sitz in Amsterdam führt die Liste der belegten Fälle seit 1993 unter dem Titel „Asylsuchende, Geflüchtete und Migrant*innen, die aufgrund der restriktiven Politik der Festung Europa zu Tode kamen“. UNITED wird von 550 Organisationen aus 48 europäischen Ländern getragen – die Unterstützung dieser Organisationen macht es möglich, die Liste weiterzuführen. 2017 veröffentlichte der Berliner Tagesspiegel die Liste komplett erstmals auf Deutsch.
Bis zum 30. September 2018 sind 35.597 Tote verzeichnet, die meisten ohne Namen.
Die Herausgeberinnen haben mithilfe von geflüchteten Überlebenden Namen recherchiert und in die Liste eingefügt und über einige der Toten Porträts geschrieben. Sie wollen die Menschen, die sie waren, vor dem Vergessen bewahren.
Das Buch ist ein Denkmal für die Toten und eine Hommage an die Lebenden – an die Familien, die einen ihrer Liebsten verloren haben, und an die Geflüchteten, die überlebt haben. Und das Buch soll aufrütteln: Hinter jeder Zahl stehen Menschen, die vielleicht hätten gerettet werden können.
Das Sterben muss aufhören.
Das Buch umfasst auf 462 Seiten außer der Liste und den Porträts von Gestorbenen die Gastbeiträge von 18 Autorinnen und Autoren:
UNITED for Intercultural Action
Bernd Mesovic (Pro Asyl)
Heribert Prantl (Süddeutsche Zeitung)
Helene Seipelt (Schülerin in Marburg)
Heinrich Bedford-Strohm (Evangelische Kirche in Deutschland)
Heike Martin (Gemeinsam für Menschenrechte und Demokratie)
Mohammed Ibrahim (Aynouna)
Rolf Gössner (Internationale Liga für Menschenrechte)
Carlos Collado Seidel (PEN Zentrum Deutschland)
Ruben Schenzle (Seminar für Semitistik und Arabistik der FU Berlin)
Lorenz Narku Laing (Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft der LMU München)
Moustapha Diallo (Literaturwissenschaftler und Publizist)
Stephan Lessenich (Institut für Soziologie der LMU München)
Angela Hermann (NS-Dokumentationszentrum München)
Mahmoud Juma (Schüler in Göttingen)
Christoph K. Neumann (Institut für den Nahen und Mittleren Osten der LMU München)
Karl-Heinz Meier-Braun (Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen)
Monika Hoenen (matteo – Kirche und Asyl)
Das Hörbuch
Gleichzeitig erscheint das komplette Buch als Hörbuch auf einer mp3-CD – etwa 12 Stunden von fast 40 Schauspielerinnen und Schauspielern, den Gastautorinnen und -autoren sowie den Herausgeberinnen eingesprochen – im Verlag derDiwan in Stuttgart.
Die Aktion
Am 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, der sich 2018 zum 70. Mal jährt, soll das Buch überall in Deutschland und z. T. auch in Österreich und in der Schweiz kostenlos abgegeben werden. Davor und danach kann es für 3,99 € im Handel erworben werden. Alle Interessierten können mit dem Buch Veranstaltungen wie Marathonlesungen, Podiumsdiskussionen, Andachten, Konzerte oder Theaterlesungen durchführen. Die Herausgeberinnen und einige GastautorInnen stehen auch noch im kommenden Jahr für Lesungen und Podiumsgespräche zur Verfügung.
Die Initiatorinnen
Kristina Milz, Jahrgang 1988, ist freie Journalistin und Historikerin. Sie lebt und schreibt zwischen München, Berlin und Nahost. Für ihre Arbeiten erhielt sie Preise und Stipendien.
Anja Tuckermann, geboren 1961, ist Autorin von Romanen, Erzählungen, Theaterstücken, Libretti und Bilderbüchern. Ihr Werk wurde vielfach ausgezeichnet und in 13 Sprachen übersetzt.
Ihr Anliegen:
„Anstatt uns von rechts und links anzuschreien, müssen wir in einen Dialog treten, um in unserer Gesellschaft mit unseren unterschiedlichen Meinungen friedlich zusammenleben zu können. Wir können und müssen über vieles reden, aber wir müssen dies in einer Sprache tun, die die Würde aller Beteiligten achtet. Ein echter Dialog funktioniert nur, wenn alle eine respektvolle Sprache verwenden. Menschen sind Menschen, als nichts anderes kann man sie bezeichnen. Wir müssen füreinander Verständnis aufbringen und alles dafür tun, dass unsere Gesellschaft das bleibt, wofür wir sie schätzen: Ein Kompromiss zwischen Sicherheit und Freiheit, mit dem alle leben können.
Wir müssen uns offenbar wieder darauf einigen, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Das gilt für jeden Menschen. Und die Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Schutzbedürftige Menschen müssen geschützt werden, das gilt universell. Menschen in Lebensgefahr müssen gerettet werden. Wenn die Alternative zur Rettung von sterbenden Menschen deren Tod bedeutet, ist es keine Alternative, über die wir diskutieren dürfen. Der Rechtsstaat muss berechenbar und verlässlich sein. Recht darf nicht umgangen oder gebeugt werden.
Nur, wenn wir diese Grundsätze achten, können wir in einen konstruktiven Dialog treten und in der Frage weiterkommen, wie unser Zusammenleben gelingen kann. Was müssen wir dafür tun, was können wir dafür einfordern?“