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Freiboiter

FREIBOITER
FREIBOITER

„Stuttgart gehört zwar nicht unbedingt zu den größten Städten in Deutschland, aber mit Sicherheit zu den schönsten. Außerdem ist Stuttgart das Pflaster der vielleicht besten Punk-, Skin- und Hardcoreszene in Deutschland, bezogen auf den Zusammenhalt und den antifaschistischen Background.“ Darüber hinaus ist Stuttgart die Heimat der Freiboiter.

Wobei...die Band ist mittlerweile schon Geschichte, existierte von 1997 bis Ende 2009. Der Sound spiegelte Einflüsse von Punk, Oi!, Rock’n Roll, Hardcore wider. Es wäre falsch, FREIBOITER als politische Band zu bezeichnen, jedoch war der Begriff „Antifascist Oi!“ nicht nur Beiwerk, sondern fester Bestandteil des Selbstverständnisses der Band. Das können heutzutage wohl nur wenige Bands aus dem so genannten Streetpunk Sektor von sich behaupten. Micha (Gitarre, Gesang) gibt ausführlich Auskunft zum Thema „Grauzone“, apolitische Denkweisen im OI. Micha erläutert den Skinhead-Kult und schildert Verknüpfungen zwischen der relativ kleinen OI-Szene und der extremen Rechten.

Ahoi Micha! Mit den FREIBOITER habt ihr euch nicht als "politische Band" bezeichnet, gleichwohl ihr mit "Antifascist OI!" ein Label gewählt habt, das Musik mit einer antifaschistischen Haltung verbindet. Klingt wie ein Werbeträger. Wieso war euch dieser Zusatz wichtig?
    Weil wir von Anfang an eine klare Position beziehen wollten, die uns von weichgespülten „Ich-sauf-mit-jedem“- Typen abgrenzt und um rechtem Gesocks auf unseren Konzerten zu zeigen, dass sie unerwünscht sind. Das war anfangs leider notwendig hat aber auch gut funktioniert. Da waren Leute total angepisst von unserer Antifascist Oi!-Nummer, weil das mit deren Vorstellungen von Oi! und Skinhead-Kult nicht zusammen ging. Explizit politisch sind für mich Bands, die fast ausschließlich politische Themen haben. Das war bei FREIBOITER einfach nicht der Fall. Außerdem hatte ich selber mal ne Phase wo mir zu viel Politik in Song-Texten auf die Nerven ging, deswegen haben wir immer darauf geachtet, dass die Message auch Spaß macht und es nicht nur um Politik geht.

Als Teenager waren dir aber andere Werte und Ideale wichtiger. Hast du lange geglaubt, das OI unpolitisch sein muss? Welche Bands hast du denn so abgefeiert...und bist du auch mit rechten Bands in Kontakt gekommen?
    Als Teenager ging es mir -wie allen wahrscheinlich- um meinen Freundeskreis, Partys, Alkohol, Zigaretten, Fußball, irgendwie das Abitur zu schaffen und ganz nebenbei war man deswegen auch auf Kriegsfuß mit den spießigen Eltern. Ich habe damals viel California-Punk von Bad Religion und NOFX gehört, Die Toten Hosen und natürlich die Ramones.
1991, als MTV noch MTV war, hat mich ein Video total umgehauen, in dem eine Bande Langhaariger eine total geile Mischung aus Punk und Metal gespielt hat. Später nannte man das Grunge, der Song hieß „Smells like teen spirit“. Außerdem habe ich noch viel Deutschpunk gehört: Normahl, Toxoplasma, Slime, WIZO, die ganzen Bands der Schlachtrufe BRD Sampler usw. und mich natürlich mit den Inhalten der Musik beschäftigt. Irgendwann habe ich mich einfach gefragt, ob es eigentlich auch Punkmusik von rechten Bands gibt. Mir wurden da als erstes die „Böhsen Onkelz“ genannt. Nach einer Weile habe ich es sogar geschafft, die Texte zu verstehen, hatte es mir aber wesentlich krasser vorgestellt. Auf der Suche nach den krassesten Texten bin ich auf allerhand rechte Bands gestoßen. Zum Glück hat das inhaltlich nicht abgefärbt und seine Faszination verloren. Dann kamen Bands wie Becks Pistols, Lokalmatadore und Cock Sparrer. Für mich war das aber alles kein Oi! sondern Punk. Auch die alten Sampler aus England „Strength thru Oi!“. Für mich war das Punkrock. Ein Sampler mit den Toy Dolls konnte kein Oi! Sampler sein. Meine ganzen Freunde haben dann plötzlich nur noch SKA gehört. Daraus resultierte meine erste Band: „King Loui And The Mooners“. Auf Ska- Konzerten hab ich dann auch die ersten Skinheads getroffen. Unter anderem auch die Freiboiter-Mitglieder: Hans mit Vodka aus Schnapsgläsern in der ersten Reihe beim ersten Konzert meiner ersten Band. Was für ein Zufall. Zu dem Zeitpunkt waren die „Oi!genz“ die Könige der Stuttgarter Szene. Deren erste Platte hat mich ebenfalls total umgehauen, was für mich aber auch kein Oi! war, sondern das, was ich von den ganzen Deutschpunk-Bands kannte und mich sozusagen wieder zurück zum Anfang gebracht hat. Inzwischen bin ich der Meinung, dass die besten Bands aller Zeiten „The Clash“ und „Rancid“ sind. Über die politische Ausrichtung von Oi! habe ich mir damals keine großen Gedanken gemacht. Jede Art von Musik kann inhaltlich natürlich so oder so belegt werden. Oi! bildet da keine Ausnahme. Fragt sich nur: Was ist denn eigentlich Oi!? Womöglich doch nur die Spätphase der Britischen Punkbewegung um 1980/81?

Was hat dich am OI-Kult gereizt, dass du ihm verfallen bist?
    Es gibt keinen Oi!-Kult der mich gereizt hat. Es ging nur um den Begriff Skinhead. Hauptsächlich im Bezug auf den Style, also die kurzen Haare und die Klamotten. Dann um Reggae und SKA und später bei den Freiboitern auch wieder um Punkrock. Was man mit Skinhead Outfit natürlich nicht als Punkrock bezeichnet, sondern eben als Oi! Vielleicht ist das auch die Antwort auf die Frage was Oi! eigentlich ist. Punkrock von Skinheads. Inzwischen interessiert mich Oi! aber kaum noch. Viel mehr Punk und Hardcore. Da gibt’s auch weniger Grauzonen.
Total traurig finde ich die Nummer, die Lars Frederiksen von Rancid gerade abzieht mit seinem Oi! Projekt, genannt „The Old Firm Casuals“. Scheiß Mucke auf scheiß Labels (u.a  ist er im Video auf Youtube mit „Last Resort“-Shirt zu sehen. Außerdem bewirbt er auf seiner Facebookseite Konzerte von RAC-Bands wie „Condemned 84″ und „On File“ mit Flyern. Das Debüt-Album auf dem Grauzonen-Label BANDWORM RECORDS vertrieben, d. Red.) und das Abfeiern seiner alten Oi! Helden, ohne dabei zu wissen, was wir hier in Deutschland vielleicht über diese Bands und Labels wissen. Das finde ich wirklich sehr traurig und ärgerlich. Ich kann nur hoffen, dass er es nicht so meint wie es rüberkommt. Aber ich befürchte, der Herr legt einfach ein anderes Maß an, wer oder was cool und kultig ist und was man ablehnen sollte.

 Hast du je daran geglaubt, dass Punk und Skin united sein können?
    Natürlich geht das. Die Oi!genz haben es uns vorgemacht. Punks und Skins gemeinsam auf der Bühne. Zusammen unterwegs mit „Punkroiber“ aus Erfurt und „Schizosturm“ aus Nürnberg. Das war eine sehr schöne Zeit. Warum sollten Punks und Skins auch nicht gemeinsam feiern können? Das Outfit unterscheidet sich zwar, aber beim Thema Musik überschneidet sich doch so einiges. Die erste „Freiboiter“-Platte hat z.B Wally von Toxoplasma aufgenommen. Genauso wie die die frühen „Punkroiber“, „Oi!genz“ und „Guerilla“ Platten. Und „Backslide“ aus Freiburg. Deren ehemaliger Sänger und Gitarrist hat lange bei „Freiboiter“ an der Gitarre und am Bass ausgeholfen.

Im Info beschreibt ihr Stuttgart als "das Pflaster der vielleicht besten Punk-, Skin- und Hardcoreszene in Deutschland, bezogen auf den Zusammenhalt und den antifaschistischen Background". Wie bist du/seid ihr zu dieser Erkenntnis gelangt? Gibt es spezielle Netzwerke, in denen Musik und Politik eine Funktion haben?
    Spezielle Netzwerke gibt es nicht. Man kennt sich einfach untereinander und die verschiedenen Subkulturen überschneiden sich. Beim Sport, Besuch von Konzerten, Kneipen, Clubs, Bars. Vielleicht liegt es auch an der Größe der Stadt, bzw. ihrer Überschaubarkeit oder daran, dass ich Musik mache und deswegen mit vielen anderen Bands und Musikern Kontakt habe, egal ob Punks, Skins oder Hardcore-Szene. Man teilt sich den Proberaum veranstaltet gemeinsam Konzerte wo ganz bewusst Bands aus allen genannten Szenen eingeladen werden. Ein ganz einfacher Gedanke von „Unity“ der mit ganz einfachen Mitteln in die Tat umgesetzt wird. Schau Dir einfach das Video von Empowerment an, aktuell das Hardcore Aushängeschild aus Stuttgart. Da sind nicht nur Hardcore Jungs zu sehen, eher ein Querschnitt der Stuttgarter Szene. Auf ihren ersten Shows haben sie die Oi!genz gecovert, spontaner Gastsänger war ihr ehemaliger Gitarrist. Inzwischen gibt’s auch einen gemeinsamen Song von Empowerment und Produzenten der Froide. Die Freiboiter waren mit Stuttgarter Hardcore Bands wie Sidekick und Teamkiller auf Tour, oder mit den Punks von Wärthers Schlechte. Mit Leuten die später bei Guerilla waren hatte ich mal ne Coverband wo es um Bands wie Blitz, Oppressed und Oi! Polloi ging. Ne Zeit lang hab ich auch was mit den Jungs von Riot Brigade gemacht. Inzwischen sind aber andere Leute involviert und das Baby heißt „Artificial Eyes“. Aus anderen Städten ist mir das so nicht bekannt.

Mit "Antifascist Rock Action" gibt es ein Stuttgarter Netzwerk, dass aus der Stuttgarter Punk -und HC-Szene entstanden ist. Ist es auch dein Anliegen, Kultur und Politik miteinander zu verbinden?
    Die A.F.R.A. ist kein Netzwerk. Sie ist nichts anderes wie in der vorigen Frage beschrieben: Leute die sich über verschiedene Bands kennen und gemeinsam Veranstaltungen organisieren. In der Hauptsache Konzerte mit der Zielsetzung Leute aus der Punk- bzw. Oi! und Hardcore-Szene zusammenzubringen. Der kleinste gemeinsame Nenner soll sein: rechtes und reaktionäres Gedankengut ist scheiße. Die Antifa ist nicht böse und es ist nicht uncool sich zu diesen Grundsätzen zu bekennen.
Wenn man in einer Band aktiv ist kann man über die Texte natürlich meinungsbildend sein. Das ist aber nicht meine Motivation Musik zu machen. Mir geht es um die Musik an sich, um Kanalisation meiner Gefühle und Emotionen, den Ausdruck meiner Wut auf manche Dinge und Personen. Ganz oft vor allem Wut. Deswegen mag ich auch wütende Musik von anderen wütenden Menschen. Dabei soll aus leider immer noch aktuellem Anlass auch eine Selbstverständlichkeit von Antifaschismus transportiert werden. Die Betonung liegt dabei auf Selbstverständlichkeit. Auch als Gegenteil von erhobenem Zeigefinger. Und wie schon gesagt, dem Lebensgefühl, dass es nicht uncool ist sich als Antifaschist zu bekennen, sondern normal.

Hast du mit der Band oder im persönlichen Umfeld Erfahrungen gemacht, dass sich Brüche und Abgrenzungen immer dann einstellen, wenn es um Politik ging?
    Natürlich gibt es Menschen, mit denen ich früher viel gemacht habe und im Laufe der Zeit der Kontakt abgebrochen ist. Das finde ich teilweise auch sehr schade. Das hat in einem speziellen Fall auch mit Politik zu tun, aber nicht nur. Die anderen Freiboiter haben das in Einzelfällen auch erlebt. Da gibt’s z.B. nen Typ, der früher auf Ska-Konzerten war -oder sogar bei uns im Proberaum- und inzwischen in einer wirklich extrem rechten Band als Schlagzeuger Karriere macht. Im allgemeinen kann man nur sagen: drauf geschissen. Wer es vorzieht mit Faschokumpels konspirative Konzerte zu besuchen und irgendwo in der Pampa im Dunstkreis brauner Kameraden abzuhängen ist ne ganz schön arme Wurst. Meist läufts ja auch so, dass die Leute sich dahin zurückziehen und ein Bruch in dem Sinne gar nicht notwendig ist. Aber ich kann sagen: Hut ab vor jedem, der das durchzieht und Leuten die Freundschaft kündigt, oder bei Konzerten vor die Tür setzt, wenn sie zu Faschos mutieren oder mit denen abhängen, weil man mit denen so toll saufen kann.

Ein Dauerbrenner ist auch die Diskussion ob man die alten Skrewdriver Platten auflegen darf oder nicht. Viele denken, dass die Band am Anfang eine korrekte Punkband war und es deswegen in Ordnung geht sie zu spielen. Ich denke das nicht. Es wird dann auch immer auf die angeblich unpolitischen Texte dieser Phase verwiesen. Ich sehe das anders und verurteile die Band als Ganzes. Schliesslich hat Ian Stuart Blood & Honour gegründet und war schon früh in der National Front aktiv. Darüber kann man sowohl mit Punks als auch mit Skins vortrefflich streiten. 
Und dann gibt es ja noch die ganzen Antirassisten, die gerne einen Orden für ihre Toleranz gegenüber Schwarzen haben möchten, oder dafür, dass ein Bandmitglied dunkelhäutig ist aber auf gar keinen Fall etwas mit der Antifa zu tun haben wollen, weil das angeblich die bösen Linksfaschisten sind und genauso schlimm wie die Nazis wären. Was für eine beschissene Einstellung.

Antifaschistische Online-Portale wie OireSzene sammeln in Fleißarbeit Informationen, stehen jedoch in der Kritik, zu viele Bands und Konzerte im Sack »Grauzone« zu subsummieren. Wie bewertest du die Arbeit von OireSzene und die Kritik, die geäußert wird?
Ich seh das relativ gelassen. Im Internet sind so viele Klugscheisser und Besserwisser unterwegs, ich weiß gar nicht, warum sich so viele ausgerechnet über Oireszene ärgern. Ich kann auch nicht beurteilen wie viele von den Berichten richtig oder falsch sind. Auf jeden Fall tragen die Leute zu einer Auseinandersetzung mit einem Problem bei. Das finde ich gut. Leute zu Unrecht zu beschuldigen kann man natürlich nicht gut heißen. In dem Fall sollten sich die betreffenden Personen austauschen und unter Umständen eine Gegendarstellung bzw. Rehabilitierung auf Oireszene statt finden. Außerordentlich amüsiert hat mich übrigens die Phase, in der die Oireszene Webseite geschlossen war und sich einige Grauzonis und Deutschrocker das Maul zerrissen haben und schwups, war die Seite wieder online und das Lachen blieb ihnen im Halse stecken.

Die von der Kritik Betroffenen fühlen sich zu Unrecht angegriffen und forschen ebenso fleißig nach »Fehlern« in den Veröffentlichungen, um »die Antifa« zu diskreditieren.
    Wie sagt man so schön: „Getroffene Hunde bellen.“ Womöglich ist da was dran. Wenn mir jemand vollkommen zu Unrecht Vorwürfe macht, sollte es doch möglich sein diese Vorwürfe zu entkräften und die Wahrheit ans Licht zu bringen. Oireszene ist ja nicht die BILD und es geht auch nicht um groß angelegte Verleumdungskampagnen. Behaupte ich. Meist scheint es mir so, als wären die Vorkommnisse im großen und ganzen wahr, nur die subjektiven Wahrnehmungen der Beteiligten und der Beobachter grundsätzlich verschieden. Daran wird sich aber auch nichts ändern, wenn man die Seite abschaltet. Die Grauzone existiert doch im Grunde schon von Anfang an, nur nennt man seit einiger Zeit die Dinge beim Namen. Vielen passt das nicht, weil sie jetzt nicht mehr ungestört sind. Dazu trägt natürlich auch das Internet bei. Ich kann dazu nur sagen, dass ich Freund einer klaren Linie bin. Auf wischiwaschi hab ich keinen Bock.

Im OI-Milieu ist Politik vielfach verpönt. Eine politische Meinung ist hier lediglich eine persönliche Ansicht. Mit dem Recht auf Selbstbestimmung werden schnell Argumente gegen Schwule, Ausländer etc. benutzt. Wenn das öffentlich kritisiert wird, gilt das als Einmischung der persönlichen Meinungsäußerung und als fremdbestimmt. Ist das OI-Milieu deiner Meinung nach eine Schnittstelle der Lebenswelten von Rechts?
    Zunächst hat ja jeder Mensch das Recht zu denken was er möchte. Da rede ich auch niemand rein. Wenn daraus natürlich Aktionen oder Angriffe resultieren, die nicht zu dulden sind, dann siehts wieder anders aus. Oder wenn es sich konkret um Bands handelt die als Band auf unpolitisch machen, aber „privat“ einiges auf dem Kerbholz haben oder sich in Interviews eindeutig rechts positionieren. Prominente Beispiele gibt es ja. Frage: Warum ist das so? Antwort: Vielleicht weil man so mehr Geld verdienen kann und mehr Auftritte bekommt.
Schnittstellen zu rechten Lebenswelten, wenn man das so sagen will, gibt es aber überall. Die Oi! Szene ist relativ klein und bedeutungslos für Außenstehende, im Vergleich zu den ganzen alten CDU Säcken, die sich den Musikantenstadel reinziehen und nach wie vor gegen alles wettern was fremd ist. Das ist bedenklich, weil diese Menschen ihre Entwicklung hinter sich haben und auf Grund ihres beruflichen Werdegangs und der vorhandenen finanziellen Mittel und der Verankerung in der so genannten gesellschaftlichen Mitte akzeptiert sind und viel mehr an der Gestaltung unserer Gesellschaft beteiligt sind. Wenn du üble frauenfeindliche Sprüche hören willst, musst Du Dich nicht auf einem Oi! Konzert auf die Lauer legen. Da reicht ein Besuch beim Feuerwehrfest oder dem örtlichen Fischereivereien oder sonst wo bei ganz normalen bürgerlichen Festen. Mich würde viel mehr an einem Bundesligaspieltag ne groß angelegte Umfrage zum Thema Homosexualität unter den Zuschauern im Stadion interessieren. Ich denke, das Ergebnis wäre ernüchternd.
Der Sachverhalt, dass Politik in der Oi! Szene für viele angeblich keine Rolle spielt, oder spielen darf, es aber es doch meistens um Politik geht, und genau diese Erkenntnis fehlt, ist wieder ein anderer und für mich auch einer der Kernpunkte der Grauzonen Diskussion. 

Anders gefragt: Siehst du die Inszenierung der Männerwelt sowie konservative bis reaktionäre Wertvorstellungen, die über Texte, Statements, Symbolik und Ästhetik transportiert werden als mögliche Ursache für die Verknüpfung zwischen Grauzone und Extreme Rechte?
    Die extreme Rechte versucht auf Grund der geringen Zahl ihrer Anhänger alles, um diese Zahl zu steigern. Da ist jeder willkommen. Deswegen wird mit allen erdenklichen Arten von Musik experimentiert. Deswegen gibt es auch die Autonomen Nationalisten, die optisch meilenweit entfernt sind vom Oi! Skin oder Bonehead der 80er. Und auf Grund ihrer Radikalität auch keine nächste Stufe darstellen im Anschluss an ein Grauzonen-Konzert. Für mich stellt die extreme Rechte kein Auffangbecken der Grauzone dar. Verknüpfungen der Grauzone und der extremen Rechten gibt es, aber ich denke, dass ist von Region zu Region unterschiedlich, von Einzelpersonen, einzelnen Bands und lokalen Gruppen abhängig und kann für mich nicht verallgemeinert werden.
Man sollte sich viel mehr fragen, warum stumpfe Inhalte von bekannten Grauzonenbands und der ganze Deutschrock Mist so attraktiv sind. Attraktiver als intelligente HC/Punk-Bands und mit welchen Angeboten man dem entgegenwirken kann. Vielleicht sind es einfach die geistig armen, die auf die aller unterste Schiene der Unterhaltung anspringen. Und warum gibt es überhaupt so ein Überangebot an Scheiße? Weil gewissenlose Labels, Booking-Agenturen und Veranstalter damit Geld verdienen. Und je mehr Geld dabei rumkommt, desto mehr wird der Dreck in die Mitte gespült und mit dem Mainstream verknüpft. Ich denke hier gibt es ganz klar intelligente Täter und viele dumme Opfer. Platt gesagt: hinter der Grauzone steht die Geldzone.

Gibt es für dich Beispiele, wo unpolitischer OI lediglich Tarnung für eine extrem rechte Erlebniswelt ist?
    Locations wie das ehemalige Skinhouse Menfis  in Thüringen oder das ehemalige De Kastelein in Brügge, das jetzt Molokko Bar  heißt, z.B. Oi!-Konzerte als Deckmantel für knallharte internationale Nazi- und Blood & Honour Bands veranstaltet.

Wenn Politik vollkommen ausgeklammert wird, bleibt die gemeinsame Begeisterung für die OI-Musik, Party und Spirituosen. Das klingt sehr spießig und konservativ, oder?
    Ach komm, irgendwo sind wir doch alle Spießer und fahren sehr gut damit. Ich hab schon genug „politische“ Bands gesehen, wo es genauso abging wie auf nem angeblich stumpfen Oi! Konzert. Diskutiert wurde da selten. Und wenn dann mit Fäusten vor der Tür. So wird in unserer Gesellschaft nun mal gefeiert. Das haben wir alle so gelernt und so wird’s wohl auch bleiben. Ich behaupte mal, dass man die richtig dreckigen Orgien nicht in der Oi! Szene feiert oder da wo man es gemeinhin vermutet, sondern viel eher dann, wenn Schülerinnen katholischer Mädchen-Internate Ausgang haben.

Gleichzeitig pflegen viele OI-Bands den Begriff des Rebellentums: Rebellen der Straße, der Nacht, OI-Rebellen etc. Abgesehen davon, dass die Definition sehr wohl politisch ist, soll hier wohl ein Rebellen-Label verkauft werden, für das Punk/Skin nichts bewegen muss und doch als Gegenkultur inszeniert wird.
    Ich denke das Rebellen-Image mag so ziemlich jeder. Man betrachte nur mal das Auftauchen von Che Guevara Motiven an den unterschiedlichsten Orten und Szenen. Das sagt doch schon alles. Und der wurde soweit ich weiß in der Punk- und Skin-Szene noch nicht verbraten.

Okay, Micha. Letzte Frage...nach FREIBOITER kommen ARTIFICIAL EYES . Eine Punkband mit antifaschistischer Attitüde mit dir am Mikro und an der Gitarre. Wo wird das Album erscheinen...live gibt es ja auch erst mal nur 2 Termine für dieses Jahr...A.E. ist doch mehr als nur ein Projekt, oder???
    Wo das Album erscheinen wird, wissen wir noch nicht. Die Aufnahmen laufen. Danach werden wir Demos verschicken und mit den Leuten sprechen die in Frage kommen. Ich hoffe nur, dass es Anfang 2012 soweit sein wird.
Wir haben bisher kaum geprobt, es ging lediglich darum, fit fürs Studio zu werden. Mit Livetauglichkeit hat das nichts zu tun. Die Shows mit Loikaemie waren ein gutes Angebot. Eine gute Gelegenheit auch ein Promo-Video zu machen. Geplant war, es erst nach der Veröffentlichung der Platte zu spielen. Wahrscheinlich wird live noch ein zweiter Gitarrist dazukommen, so dass ich dann nur noch den Part des Sängers habe. Genug zu tun also bis Dezember.
Wie es 2012 weiter geht hängt hauptsächlich vom Erfolg der Platte ab. Wenn uns keiner sehen will werden wir uns nicht aufdrängen. Außerdem sind Stage Bottles und Offenders viel unterwegs, das muss alles einkalkuliert werden.

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