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Sookee

Dass die Images, die im Rap für Frauen existieren nur bedingt funktionieren, ist ein wahres Dilemma und womöglich auch der Grund aus dem es bislang keine Frau tatsächlich geschafft hat, in der Szene zu den Top 5 der besten MCs in Deutschland zu gehören. RapperInnen wie SOOKEE sind kreative und politische MCs, denen es wichtig ist, vorhandene Eigenschaften der Geschlechterrollen zu kritisieren und das “Bitch”-Image aufgreift, um dieses neu zu besetzen und im Rap-Sprechgebrauch zu resignifizieren. Sookee bringt Geschlechteridentitäten, Rollenbilder und Gender in einen sozio-kulturellen Diskurs, um die männlich dominante Herrschaft im Hip Hop aufzubrechen, benennt gesellschaftliche Benachteiligung und Minderbewertung der Frauen und konstruiert mit “Quing” eine bewusste Abgrenzung von herkömmlichen Denkmustern, schafft somit ein neues Milieu, in dem Verharmlosung und Relativierung von sexistischen Positionen keine Chance haben und eine patriarchale Rollenzuweisung außer Kraft gesetzt wird. In ihren Formulierungen deutet sie Begriffe um und forciert eine Befreiung von Eindeutigkeit und Eindimensionalität des Begriffes „Geschlecht“ und den damit verbundenen gesellschaftlichen Zuweisungen.


Female Rapper wie Sookee(1)findet es viel wichtiger, “sich mit den Leuten zusammenzutun, die intellektuell und menschlich über den Geschlechterstereotypen stehen.” Dabei geht es um ein progressives Miteinander, dass sich geschlechtsunabhängig gegen virulente Haltungen wie Sexismus, Homophobie und dergleichen wendet, ohne zu verurteilen, den moralischen Zeigefinger zu heben oder vorzugeben, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben.
Diese Werte und Programmpunkte in gute Musik zu verpacken ist jedoch die eigentliche Kunst, schließlich ist es das Ziel junge Menschen zu erreichen, die überwiegend an eine andere Art von Coolness gewöhnt sind. Sookee benutzt den Begriff “Quing”, um ihre Perspektive und ihr Wissen um soziale Kategorien und ihre Verwobenheit in unsere Lebensrealität, sowohl in ihrer Musik als auch in ihr Image einfließen zu lassen.

 

“shlampen und shwuchteln vereinigen sich(…)shluss mit der guten und der shlechten frau, diese trennung hat uns zu oft guten sex versaut, uns stigmatisiert dumm angeguckt uns angeprangert uns angespuckt, quatsht uns nich voll fasst uns nich an(…)du nennst es trieb ja is shon klar. ich nenn es gefahr ich warn dich shon mal(…)”; “bitches butches dykes & divas”(2011)

 

Quing bedeutet für mich die Aufweichung der starren Geschlechtergrenze: Weder Queen noch King und sowohl Queen als auch King. Dass ausgerechnet diese beiden Wörter Patin standen, ist zugegebenermaßen eine Spitze gegen die HipHop-Szene, in der die meisten nun mal zu großen Egos neigen und sich selbst ohne weiteres einen royalen Titel verpassen, ohne wirklich etwas geleistet zu haben.
Außerdem ist der Begriff ein kleiner linguistischer Triumph über die ansonsten sprachlich doch recht kreative genderbewusste Szene, die sich unter anderem in Veranstaltungshinweisen bemüht, niemand gemeinten auszuschließen.
Hieraus ergibt sich endlose Aufzählungen mit LesBiSchwulen, (Drag)Kings und Queens, Transgendern, She-Males, He-Shes, Cross-DresserInnen, Transsexuellen, Butches, Femmes, BartträgerInnen, Tunten, Dykes, Gender-Blendern, Gender-Bendern, Asexuellen, Polys, Heteros, Definitionsunwilligen, Geschlechtsunentschlossenen und allem, was das queere Spektrum liefert.”(2)
Ihr geht es nicht darum, Trans- oder Intersexualität zu outen oder als transgendernder Changeling aufzutreten, sondern vielmehr darum, ein Bewusstsein zu repräsentieren. Keinesfalls soll damit ihre Zugehörigkeit zur Genussgruppe Frau in Frage gestellt werden. Vielmehr möchte Sookee sich solidarisch zeigen mit all denen, die (im Rap) keine Stimme haben, da sie im dichotomen Rahmen von Mann und Frau nicht funktionieren oder funktionieren wollen.
Ich verstehe Quing als Kritik an die mit den Geschlechterrollen verbundenen Eigenschaften, Fähigkeiten und Verhaltensweisen, die sich in Sozialisation, Bildung, Interessen, Liebe, Öffentlichkeit, Arbeitsmarkt, Politik, Popkultur, Medien, Tradition, Familien, Religion, Sexualität, Konsumwelt, Mode, Technik, Krieg, Schönheit, etc. als bloße, durch Reproduktion am Leben erhaltende Klischees manifestiert haben.


Warum verwendest du den Begriff Bitch für dich und wie? Er taucht ja z.B. in deinem aktuellen Albumtitel „Bitches Butches Dykes & Divas“ auf.
Mir ging’s mit dem Albumtitel darum, Begriffe aus dem schwul-lesbisch-queeren Kontext und aus dem Pop- und HipHop-Kontext nebeneinander zu stellen. Sodass unterschiedliche Formen von Weiblichkeiten, die ja durch alle möglichen Personen repräsentiert werden können, solidarisch nebeneinander stehen, wo sie normalerweise nicht in einem Satz auftauchen. Ne Bitch, wie sie im Malestream im HipHop verwendet wird, taucht eigentlich nicht im selben Universum auf wie ne Butch – es sei denn dort, wo verbal verletzend um sich gehauen wird. Die Sphären der Inszenierung liegen sonst total weit voneinander entfernt. Durch die Vorstellung von „Heiliger“ und „Hure“ werden Frauen an ganz vielen Stellen extrem entsolidarisiert, nehmen sich nicht mehr wahr, begeben sich in Konkurrenz zueinander und das ist halt gruselig ohne Ende. Da hat mir auch meine pädagogische Arbeit an allen Ecken und Enden tierisch in den Arsch getreten, wo ich gemerkt habe, wie Mädchen oder junge Frauen so krass voneinander weggeschnitten sind, weil der männliche Maßstab von außen es nicht zulässt, dass sie sich miteinander in Verbindung setzen.

 

Mich hat schon überrascht, dass du den Begriff Bitch nutzt, weil du auf deinem zweiten Album mit Quing ja extra einen neuen Begriff geschaffen hattest: Quing vermixt die beiden Wörter „Queen“ und „King“, um die damit verbundenen Geschlechterrollen aufzuweichen, die (u.a.) im HipHop stark präsent sind. In deinen eigenen Worten kann Quing „weder Queen noch King und sowohl Queen als auch King“ bedeuten. Insofern ist es mir dann aufgefallen, dass du jetzt nochmal auf einen anderen, „alten“ Begriff zurückgreifst. Vorher hast du den ja eigentlich nicht benutzt, oder?
Naja doch, es gibt zwei Tracks, „Inschrift“ und „uffnpunkt“ (3). Bei „Inschrift“ hatte ich schon die Line „Ich feier mit Bitches und Butches die Nächte und Tage und alles dazwischen sehr heftig“. Da ging es bereits darum, zwei unterschiedliche Formen von Weiblichkeit zusammenzubringen, mit denen ich mich in Verbindung setze. Außerdem gefällt mir die Alliteration, du tauschst einen kleinen Vokal aus und plötzlich entsteht was komplett anderes. Also dieser kleine Vokal, der da in der Mitte so unauffällig sitzt, produziert eine komplett andere Bedeutung. Das sollte auch im Albumtitel sichtbar werden, da bin ich von i nach u gegangen und so schnell stehen Bitch und Butch auf einmal nebeneinander. Dann kamen dann noch Dyke und Diva dazu und so hatte ich dieses Konglomerat an vier Begriffen, die irgendwie fein beieinander sind. Der Albumtitel stand übrigens vor den Lyrics des Titeltracks fest. Vor anderthalb Jahren hatte ich ein bisschen rumerzählt, dass das der Titel sein wird und in die Richtung plane. Worauf dann tatsächlich ein paar Leute meinten, ob ich mich nicht daran überheben würde, ob das nicht zu viel sei, ob ich mir sicher wäre, dass ich das wolle. Die haben sich gefragt, wie das wirken würde und was denn da inhaltlich hinkäme.

 

Du scheinst dir sehr genau überlegt zu haben, wie du den Begriff nutzen willst. Eine Bitch-„Performance“ gibt es bei dir zum Beispiel nicht – also du nutzt Bitch nicht wirklich als Selbstbezeichnung und setzt dich auch nicht bei Auftritten irgendwie damit in Szene.
Ja, es gibt bei mir tatsächlich nirgendwo ne Textstelle, wo ich von mir spreche und dann Bitch in Gänze auf mich anwende. Vielleicht ist das vielleicht fehlende Courage, mich soweit zu solidarisieren. Vielleicht braucht es das aber auch überhaupt nicht.
Tatsächlich ist die Frage, ne Selbstsexualisierung in der Öffentlichkeit für mich vorzunehmen, ganz schön schwierig. Zum einen gibt es aus biografischen Gründen ein bis drei Personen in meiner Familie, von denen ich nicht möchte, dass sie mich als sexuelles Wesen wahrnehmen. Also ich glaube, der Moment, wo die das sehen würden, wäre für mich das absolut Schlimmste, was ich mir denken kann. Nichtsdestotrotz gibt es natürlich ein paar Songs, die schon relativ, wenn auch unterschiedlich detailliert von Sexualität berichten. Die stellen für mich eine Art Befreiung dar. Ich hab mich nie getraut, in meiner sozusagen „alten“ Rap-Zeit, wo das Publikum noch ein anderes war, und ich auch noch anders unterwegs war, irgendwas Sexualisiertes oder Sexuelles zu sagen. Weil ich immer Schiss hatte, dass ich darauf festgelegt werde, dass ein männlicher Zugriff von Außen passieren wird, dass die Leute das sampeln und daraus mit meinen konkreten Worten in neuen Tracks und neuen Kontexten Mist machen.

 

Passiert das öfter?
Das ist überhaupt nicht unüblich, dass Leute gesampelt werden und sich dadurch in dem neuen Track quasi selbst diskreditieren. Ein Beispiel, das in ne andere Richtung geht, aber trotzdem krass ist: Als King Orgasmus One, einer der zentralen Pornorapper in den Nullerjahren aus dem Süden von Berlin, zu Gast war bei Sandra Maischberger bzw. deren Urlaubsvertretung Alice Schwarzer, hat sie von ihm Texte zitiert, so richtig schön vorgelesen. Und er hat mit anderen daraus nen Song gemacht, also nen Beat drunter gelegt und dann hörst du halt Alice Schwarzer Pornoraps performen.
Oder es gibt von Missy Elliot den Track „She’s a Bitch“, der eine ganz klare Ansage macht von wegen: „Ey, seht her, das ist nicht das Körperbild, das ihr vermutet, sondern hier geht’s um ein selbstbestimmtes modernes unabhängiges Frauenbild“. Auf diesen Beat hat Nate57, ein Rapper aus Hamburg, der ziemlich für seine politischen Straßenraps gefeiert wurde, nen neuen Track(4)gemacht. In dem wird erzählt, wie Frauen durch die Gegend rennen, Typen Liquid Ecstasy in ihre Drinks packen, sie auf die Klos zerren und abziehen. Das ist so ne Frechheit und komplette Umkehrung dessen, was einfach faktisch passiert, wenn wir mal nen Blick auf Zahlen werfen. Zum Song gibt es auch ein entsprechendes Video, wo Nate und seine Jungs und die dazugehörigen Freundinnen cool tanzen, aber dann wird eine Frau mit der Kamera begleitet, die aus ihrem Dekolletee so’n Fläschchen GHB (Anm.: K.o.-Tropfen) in das Getränk von nem Typen füllt, der dann gar nicht mehr mitbekommt, was passiert. Der wird aufs Klo gezerrt und letztendlich rennt sie mit seinem Portmonee raus. Das ist so krass, ich hab so gekocht vor dem Scheißcomputer. Quasi als Antwort auf Nate haben jetzt die beiden Rapperinnen Adden und Queen Sy auf dem Instrumental von Missy Elliot widerum einen Track produziert. Die Ansage hier ist: Ich geh mit dir in die Kiste, wenn halt die Scheinchen passen und mir dein Gesicht auch passt. Das ist auch ein hochgradig sexualisiertes Ding mit schönen Frauen und schönen Körpern. Aber es wirkt unheimlich machtvoll darüber, dass sie wissen, dass sie das nutzen können. Das war auf jeden Fall auch noch mal der Versuch, das zu empowern, womit Adden und Queen Sy natürlich auch wiederum viel riskieren.
Letztens habe ich auch nochmal festgestellt, es gibt ja seit den 80ern den Slogan „Bildet Banden“ als Sticker (damals noch als Spucki) mit Pippi Langstrumpf vorne drauf. Darüber kannte ich auch den Satz zuerst. Den hat Kool Savas, der im deutschsprachigen Raum einer der großen Malestream Rap„götter“ ist, hochgradig homophob und sexistisch, in einem Track(5)von 2000 umgedeutet. Da sagt er nämlich: „Frauen, scheißt auf Banden! Bildet Puffs und Bordelle / da gibt’s viel für euch zu tun und fett Moneytos auf die Schnelle“. Das ist so bei mir kleben geblieben. Dass er die ursprüngliche Aussage sozusagen entfernt und explizit zu ner Entpolitisierung auffordert, um zu sagen „Wendet euch Sexarbeit zu“, aber nicht im Sinne von, „um euch ökonomisch unabhängig zu machen“, sondern so.  Auch der schlimmste Song in Bezug auf Vergewaltigungsfantasien, den ich kenne, ist von Savas. Im Song „Weg nach draußen“ von 2010, nicht so lange her (aktuell hat er gerade krasserweise ein Album mit Xavier Naidoo am Laufen), geht’s darum, dass er auf ner Party ist, ein Konzert gespielt hat und ne Frau sieht und sie zum Sex auffordert. Sie hat nicht so richtig Bock und er sagt dann quasi: „Ey, entweder du machst mit oder du fliegst raus, du hast keinen Schutz“. „Keiner kann dir helfen wenn der Clubbesitzer kommt“, heißt es noch – also sein männliches Back Up ist so riesengroß, dass sie keine Chance hat. Der Text ist so krass. Und „Weg nach draußen“ heißt normalerweise „Kopf hoch“. Sogenannte Kopf-Hoch-Tracks sind im Rap ein ganz eigenes Genre, das sind Motivationssongs mit der Aussage „Junge, komm du schaffst es“. Und so klingt der Track von Kool Savas am Anfang auch, der Beat ist ganz sanft, er singt… und dann geht das so krass ab.
Aus diesem und den biografischen Gründen habe ich mich immer davon ferngehalten, so sexualisierte Ansagen rauszureichen. Ich bin auch früher nie in Röcken oder Tanktops aufgetreten, musste mir das irgendwie schwer „erarbeiten“, weil einfach die Rückmeldungen und die Blicke aus der regulären Szene zu heftig waren, ich das zu sehr gewöhnt war. Das erste Mal im Rock auf der Bühne, das war so „Yay!“.

 

Wann war das?
Tatsächlich ziemlich spät, das war letztes Jahr bei einem Soli-Konzert von Ruby Tuesday(6)in der Linse in Berlin. Auch wenn ich vorher schon Röcke getragen haben mag, aber da auf der Bühne hab ich das ganz bewusst wahrgenommen, mich tierisch darüber gefreut und konnte das auch so für mich benennen.

 

„Die Art und Weise, wie Frauen sexistisch adressiert werden (kann) total viel mit ner rassistischen Zuschreibung zu tun haben“

 

Um nochmal auf den Bitch-Begriff zurückzukommen: Wenn du auf die letzten Jahr(zehnt)e zurückschaust, denkst du, es was gebracht, den so oft zu benutzen? Was haben die Versuche, ihn mit neuer Bedeutung zu füllen und mit neuen Attributen zu besetzen verändert?
Die erste, die das eigentlich offensiv verwendet hat, war in den 80er Jahren Roxanne Shanté(7). Den Begriff hat sie benutzt, um ihr Gegenüber zu entmachten, indem sie sich selbst so bezeichnet – aber auch, um sich zu schützen. Bitch ist ein total regulärer Begriff geworden, auch aus dem Rap raus.     Da gibt’s ja alle möglichen Redewendungen oder Phraseologeme, wo Bitch auftaucht. Meistens sind die natürlich nicht nett besetzt, so was wie „bitchslap“ oder „bitchmove“.  Letzten Endes hat Rap insgesamt mit seinen konkreten Sprachgebräuchen ganz viel Einfluss auf andere Sprachräume, insofern, als dass bestimmte Begriffe ganz klar aus Songs rauswandern und in andere Wortschätze übergehen. Es ist halt beides passiert: der negative Aspekt hat sich total gefestigt und Bitch ist genau das Ding für rumvögeln, blöd sein, anstrengend sein, rumzicken, nerven und so weiter. Aber er ist auch in so nem divaförmigen Sinne gebräuchlich geworden, frei nach der Ansage: „Ich schütz mich, das sag ich euch nicht, ihr könnt mich alle mal am Arsch lecken, okay?“.
Am US-amerikanischen Fernsehen kann man das ganz verdeutlichen, da guckt der Begriff immer wieder raus. Auf der einen Seite gibt es tatsächlich den negativen Begriff im Sinne von „anstrengende promiske Frau“. Wenn man so Serien wie „How I Met Your Mother“ auf englisch guckt, kriegst du das mit. Dann hat Barney wieder mal ne neue Freundin und die widerum hat keinen Namen, sie ist halt „bitch“ und es heißt ständig „you know the bitch the other night…“. Da fällt der Begriff ganz häufig und total selbstverständlich, da wird nix gepiept oder so. Die andere Verwendung ist mir bei „RuPaul’s Drag Race“ aufgefallen. RuPaul als die vielleicht bekannteste Dragqueen der Welt hat eine Casting Show gemacht; in Anlehnung an „America’s Next Supermodel“ heißt es da America’s Next Drag Superstar und da gibt es 12 Personen, von denen über Competitions eine am Ende dann America’s Next Drag Superstar wird. Das sind sehr unterschiedliche Personen, die vermutlich außerhalb des Drag, wenn man so will, als Männer gelesen werden. Auch da fällt der Bitch-Begriff unglaublich viel an allen Ecken und Enden, und zwar sowohl im Sinne von „die hat schon wieder rumgezickt, die hat mir mein Make Up geklaut, und wieso hat die schon wieder meine Perücke auf, die darf doch das gar nicht, die ist hinterhältig“, aber auch im Sinne von „that bitch is extremely gorgeous“. Das verdeutlicht diesen Spagat total deutlich, dass Bitch auch einfach als regulärer Sprech da, wo Weiblichkeit ne Rolle spielt, untergekommen ist. Ich glaube, Rap hat damit sehr viel zu tun. Es hat geklappt, das beim ursprünglichen beizubehalten, aber es hat auch geklappt, das in Teilen zu resignifizieren.

 

Ein anderes Wort, das versucht wurde zu „reclaimen“, ist Slut. In den 90ern schon von den Riot Girls verwendet, ist der Begriff 2011 mit den Slutwalks wieder aufgekommen. Allerdings gibt es so massive Kritik daran, dass der Slutwalk Hamburg sich 2012 z.B. schon in eine Aktionswoche namens Enter The Gap umbenannt und umorganisiert hat. Warum war das notwendig?
Es gab ja aus PoC-Kontexten (Anm.: PoC steht für People of Colour) und gerade auch aus dem US-amerikanischen Raum aus der Womynism-Ecke und vom Schwarzen Feminismus den Hinweis darauf, dass der Slut-Begriff nicht so ohne weiteres mal lustig zurückerobert, also „empowert“ werden kann; überhaupt Eroberung als kolonialistisch besetzter Begriff kritisch zu sehen ist. Und dass die Art und Weise, wie Frauen sexistisch adressiert werden, total viel mit ner rassistischen Zuschreibung zu tun haben kann oder halt ner weißen Privilegierung. Wie auch Weiße Leute in arbeitskämpferischen Zusammenhängen von „modernem Sklavenhandel“ reden – das ist einfach eine Perspektive, wo deutlich wird: das kollektive Bewusstsein, die kollektive Biografie erzählt von der anderen Seite aus von Kolonialismus.
Die OrganisatorInnen von Enter the Gap in Hamburg haben es einfach richtig gemacht. Ich finde es nicht sinnvoll, einzuknicken, aber ich finde, man sollte sich auch für Sachen umentscheiden können. Beim Berliner Slutwalk hieß es zum Beispiel von einigen Mitgliedern nur: „ja, wir haben mitbekommen, es fühlen sich Leute mit dem Begriff nicht wohl und das tut uns voll leid, wir ändern aber trotzdem nix und behalten den Begriff bei“. Und da fehlt mir einfach die Auseinandersetzung. Die ist auch nicht leicht und ich finde es wichtig, den Versuch zu unternehmen, das zu reclaimen. Aber wir können uns einfach nicht darauf verlassen, dass das dann so aufgefasst ist, wie wir uns das gerne wünschen. Es ist auch möglich, dass ein Umdenken erstmal nicht stattfindet, zumal, wenn die Auseinandersetzung mit Begriffen wie Bitch oder Slut so offensiv und relativ aggressiv passiert. Im Track „Bitches Butches Dykes & Divas“ gibt es bei mir daher die Zeile: „Reclaiming, embracing, die Schlampe entzieht sich“.  Das sind zwei Begriffe, to reclaim und to embrace, die ganz eng beieinander stehen können, und es gibt in meinem Versuch, das in eine Zeile zu packen, Entzug im Sinne sowohl von „ich entziehe mich als Schlampe“ als auch „ich entziehe mich der Schlampe“. Embracing bedeutet hier, das nicht unbedingt für sich selbst anzuwenden, aber sich zu umarmen, sich zu solidarisieren, zu sagen: „ich möchte das für mich nicht aus diversen Gründen, ich kann in nem theoretisch-politischen Bewusstsein nicht nachvollziehen, was deine Beweggründe sind, aber ich lehne dich nicht ab, wenn du das selber so verwendest“.
Ein Begriff, der im Rap übrigens gar nicht resignifiziert wurde, ist die Hoe. Hoe als vermutliche Kurzform von „whore“ wird nach wie vor nur negativ verwandt. Zumindest wüsste ich jetzt gerade keinen Track, wo ne Frau sich selbst als Hoe bezeichnet.

 

Für den Berliner Slutwalk (8)im letzten Jahr ist ja auch der Song „Bitches Butches Dykes & Divas“ überhaupt erst entstanden. Wie warst du insgesamt in den Walk eingebunden?
Ja, der Track ist in diesem Rahmen entstanden. Die Außenwirkung war aber, dass das so der Soundtrack zu den Slutwalks ist und dagegen habe ich mich immer total gewehrt  – das ist nur ein Song, den ich geschrieben hab, da waren noch voll viele andere. Was den Walk angeht, war für mich klar, ich bin nicht so das Finanzministerium in Orga-Angelegenheiten, ich will auch nicht unbedingt was bei den Cops anmelden… Also hab ich dann Protokolle geschrieben, an Pressetexten und ähnlichem mitgearbeitet und ein bisschen Musik beigesteuert. In diesem Jahr war ich allerdings nicht mehr in der Orga-Gruppe.

 

„Es ist auch möglich, dass ein Umdenken erstmal nicht stattfindet, zumal, wenn die Auseinandersetzung mit Begriffen wie Bitch oder Slut so offensiv und relativ aggressiv passiert.“

Abschließend würde ich gerne nochmal kurz mit dir über den Begriff der Diva reden. Das war nämlich derjenige auf deinem Album, von dem ich wirklich dachte, der ist im feministischen Musikkontext relativ neu.  
Das öffentliche Bewusstsein sagt, Diva ist irgendwas zwischen Marlene Dietrich, Marilyn Monroe, Aretha Franklin und Mariah Carey. Mir war es wichtig, auch daran nochmal zu erinnern, dass Diva gerade in schwul-lesbischen Kontexten ein Begriff ist, der auf die Körper als männlich verstandener Personen angewandt wird, auch wenn es keine heterosexuelle Performance dazu gibt. Das war so mein kleiner Versuch, daran zu erinnern, dass ne weibliche Performance nicht von nem weiblich gelesenen Körper ausgehen muss. Deswegen heißt es in „Bitches Butches Dykes & Divas“ auch in der ersten Zeile „Schlampen und Schwuchteln vereinigen sich“ – weil es halt nicht nur darum geht, Frauen zu solidarisieren, sondern Leute, die über Misogynie grundsätzlich abgewertet werden. Effeminierte Männer in der Bear-Community kriegen ja auch Misogynie ab, wenn’s darum geht, dass sie keine behaarten breitschulterigen Kerle sind. Da gibt es eine Übertragung von Weiblichkeitsfeindlichkeit, und überhaupt in heteronormativen Kontexten natürlich. Es gab viel Kritik dafür, dass ich den Schwuchtelbegriff verwendet hab, weil mir das nicht zustehe. Ich finde das aber für mich total okay, mich da zu solidarisieren und den so – in Anlehnung an Ehrendoktor – als Ehrenschwuchtel dafür zu verwenden. Das ist ne Form von Auszeichnung, wenn andere Leute, die so negativ bezeichnet werden, mir zugestehen, dass ich mich auch so nennen darf. Sicher sind das dann Einzelpersonen und keine komplette Szene sagt, „so, du darfst dich jetzt offiziell Schwuchtel nennen, weil wir hier die Schwuchtelherrschaft sind“ (lacht)… sondern das ist meinerseits der Versuch zu sagen „Ey, wenn du mit denen Stress hast, hast du mit mir Stress, ich will nicht, dass es da ne Form von Diskriminierung gibt und deswegen steht das hier“. Aber insgesamt ist das wie mit „faggot“ und „tranny“. Zu den beiden Begriffen gibt es auch viel Material, warum sie nicht von außen als Selbstbezeichnung verwendet werden dürfen, wenn du dieser Zuschreibung nicht grundsätzlich unterliegst. Und dass auch andere Leute nicht so bezeichnen werden sollen. Aber deswegen die Diva da, um tatsächlich nochmal ein größeres Range an Gender in die Kette von Bitch-Butch-Dyke zu setzen.

Das Interview wurde geführt von Kadda

Das Interview wurde geführt von Kadda
(1) www.sookee.de
(2) Auszug aus: “We B Girlz” – Festival Magazin;2008 / www.b-girlz-berlin.com
(3)  Die Tracks erschienen 2010 auf Deine Elstern – Deine Elstern bzw. Pyro One – Die Mond Miniatur EP
(4) Der Track heißt „Sie`s ne Bitch“
(5) http://de.wikipedia.org/wiki/Roxanne_Shanté
(6) Der Track heißt „L.M.S.“ und wurde indiziert.
(7) Ruby Tuesday ist ein einwöchiges Rock- und HipHop-Camp für Mädchen, trans*- und inter* Jugendliche
(8) http://slutwalkberlin.de/info

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