PLASTIC BOMB #82

PLASTIC BOMB #82
80 DIN A 4 Seiten; € 3,50.-
Plastic Bomb, Postfach 100205, 47002 Duisburg
www.plastic-bomb.de
Micha hat seine Brille verlegt. Vielleicht hat er sie aber auch nur abgelegt, weil ein paar Freudentränen den Blick trüben. 20 Jahre Plastic Bomb bedeutet auch 20 Jahre Fanzine-Geschichte, die die wechselnde Redaktion geschrieben und die Fanzine-Landschaft nachhaltig verändert hat. Glaubt punk einigen Gratulationsbekundungen, stellt das PLASTIC BOMB für einige Leser_innen einen Kult dar, die die Hefte zu einer Art Schrein auftürmen und anbeten. Naja, ich übertreibe ein wenig, aber das tut Herder auch, der mit seiner Zubereitung für die “Ekelsuppe” (Marke Texanische Feuerbohneneintopf nach eigenen Abwandlungen auch für kochbehinderte Jungliberale mit durchschlagenem Erfolg geeignet) im persönlichen Umfeld auf große Widerstände und Ablehnung stößt. Mit negativen Sanktionen haben auch Punx aus Myanmar zu tun, die im Bericht von Mareike und Ötsch besucht werden. Ich hätte nach dem Bericht noch auf die Dokumentation “Yangon Calling” von Alexander Dluzak und Carsten Piefke verwiesen, die ohne Dreherlaubnis nach Burma reisten und eine von der Militärdiktatur geprägte Welt zeigen, in der Punk tatsächlich noch gefährlich ist. CASANOVAS SCHWULE SEITE haben mittlerweile auch das goldene Land erreicht und haben sich nur gegründet, “um eine Homepage machen zu können und dort das Videospiel einzubinden.” Integriert haben sich auch TODESKOMMANDO ATOMSTURM, die die Szene in München beschreiben und auch mit Smartphone ohne Facebook funktionieren und es traurig finden was einige Leute wählen würden. Ullah und Philipp würden die TERRORGRUPPE wieder wählen, doch “Terrorgruppe ist man entweder ganz oder gar nicht” (Jacho). Tocotronic in der Bombe? Arne und Rick resümieren, reflektieren und quatschen über alte Platten, T-shirtverkäufe und Geld verdienen. Jan Röhlk vom TRUST spendet ein Teil vom Erbgeld ans Heft, Dolf liest öffentlich aus seinen Kolumnen vor und SST-Bands sind toll und Jan verrät, dass es heute keine innovative Punkband mehr gibt und glaubt, dass es noch nicht mal mehr gute Musik gibt.
Das Thema “Rassismus, Homophobie im Fußball” ist ein wichtiger Aspekt, der hier leider sehr verkürzt angerissen wird. Dennoch gibt es mit der schwul-lesbischen Gruppe “Kopfball Düsseldorf” ein gutes Interview. Die Gruppe möchte den Gedanken von Toleranz, Respekt und Fairness  transportieren, engagiert sich  gegen Neofaschismus, Nationalismus und Diskriminierungen wie Rassismus, Antisemitismus, Homophobie oder Sexismus. Und Herder stellt das FARE Netzwerk vor, das den Rassismus aus dem Fußball vertreiben will, in dem es die Ressourcen von antirassistisch eingestellten Fußball-Organisationen in ganz Europa vereint. Im Interview geht es hauptsächlich um die Fragebögen zum EM-Projekt und das deutsche Fan-Verhalten. Der Propagandaminister Vasco durchleuchtet  den Alltag deutscher Arbeitnehmer_innen, klärt die Verhältnisse zwischen Unternehmen und Arbeiter_in, zeigt dass der/die Arbeitnehmer_in eigentlich jemand ist, der/die Arbeit gibt/produziert und Unternehmer_innen die Arbeit nimmt und Gewinne maximiert. Der Teufel liegt im Detail, aber Tradition verpflichtet und Eliten feiern sich, während Regierung, Innenminister, Banken, Manager die Wichtigkeit von (Arbeits-)Sicherheit und Wachstum bewahren und diese mit allen Mittel schützen. Die TIN CAN ARMY-Story wird weiter aufgearbeitet, trotz Bandauflösung durch Drogenprobleme und Schnarchnasen-Mentalität wird das OX-abonniert und Punk gehört.
Zum Schluss besuchen Henni, Herder und Micha Mille von KREATOR in dessen Wohnung, der über Veganismus, rechten Metal/Deutschrock, den Umgang mit den Medien und Punk- wie Metalfreunde berichtet.
Gesamteindruck: Zuverlässig und souverän stecken Mitarbeiter_innen und Redaktion ein breit gefächertes Themenfeld ab, das dieses Mal mit KREATOR und TOCOTRONIC eher ungewöhnliche Kost bietet, aber die Zutaten müssen nun auch mal abgewandelt werden, damit das gewisse Etwas erhalten bleibt, denn schließlich gibt es sonst schnell Qualitätseinbußen und standardisierte austauschbare Inhaltsstoffe, die gewöhnlich sind. Davon ist das P.B. weit entfernt und es ist bemerkenswert wie sich jedeR einbringt und den (Punk-)Horizont erweitert. Mir gefällt vor allem die politischen Themen jenseits von punk, die die Rubriken “Andres leben” und “Die wunderbare Welt der Propaganda” Vasco hervorbingen, da sie einen weiterführenden Diskurs anbieten.

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