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Community Gardens – Eine andere Welt ist pflanzbar!

Liz Christy, re. vor dem Bowery-Houston Community Farm&Garden
Liz Christy, re. vor dem Bowery-Houston Community Farm&Garden

Die Künstlerin Liz Christy lebt in der „Bouwerie“. Das Stadtbild ihres Viertels im New Yorker Stadtteil ist Anfang der 70er Jahre geprägt von verlassenen Häusern, Ruinen und Trümmerberge. 1973 befreit sie einen spielenden Jungen aus einem wild entsorgten Kühlschrank. Sie bringt ihn zu dessen Mutter und beginnt mit einigen FreundInnen, den Platz zu entrümpeln.

Gemeinsam reinigen sie den Platz, besorgen Erde, klauen Bäume, Sträucher und Blumen von der Wallstreet. So erschafft die selbsternannte „Green Guerilla“ ein illegales, kleines Biotop mitten im dreckigsten Teil von Manhattan.
Die Gruppe schuf etwas, was vorher schon da war. Ein Bauernhof-Idyll wie ihn in vielen Jahren zuvor der niederländische Gouverneur von New Amsterdam, Peter Stuyvesant, mit seinem Landsitz an ebendieser Stelle schuf.
1973 stellte die Stadt nur wenig Platz für Gemeinschaftsgärten zur Verfügung; nur insgesamt fünf zählte die Parkverwaltung in den fünf Stadtbezirken Manhattan, The Bronx, Brooklyn, Queens und Staten Island. Die Entwicklung von neuen, kleinen Parks in Manhattan war nach dem Zweiten Weltkrieg drastisch gesunken. Neubaugebiete für Wohnkomplexe, Gewerbe- und Industriegebäude waren wichtiger. Freiräume zur Erholung wurden von den Stadtplanern nur in entfernteren Gebieten angelegt – weit weg von den sozialen Brennpunkten. Außerhalb der Stadt entstanden große und landschaftlich gestaltete Parkanlagen für die einkommensstärkeren Bevölkerungsschichten.
Nachdem die/der „Bowery-Houston Community Farm&Garden“(1) angelegt wurde, spendeten lokale Geschäfte und Kindergärten Gemüse, Blumensamen.
Heute hat der Garten einen 2,5 Meter tiefen Teich, in dem Fische und Rotwangenschildkröten leben. Der Park ist in einzelne Bereiche unterteilt, es gibt Wildblumen, Holzmöbel, eine Weinlaube, einen Hain von Trauerbirken, Obstbäume, einen Mammutbaum, Gemüsegärten, Beeren und viele Staudenbeete.
Die grünen Guerillas motivierten andere Menschen, in ihrem Viertel Baulücken zu erschließen, sich leerstehende oder verkommene Flächen anzueignen und ebensolche Gemeinschaftsgärten anzulegen und Bau. Bald entstanden in ganz New York blühende Gemeinschaftsgärten, es bildeten sich „vital grassroots“ Gruppen, die sich um die Gartenpflege kümmerten. Heute sind mehr als 600 Gemeinschaftsgärten Zeugnisse der von Geschicklichkeit, Kreativität und Entschlossenheit geprägten Guerilla-Gardeners in New York. Nebenbei haben diese Gärten nicht nur einen erholsamen Aspekt, sondern dienen auch als Nahrungsquelle für Familien und AnwohnerInnen. Die Green-Guerillas(2)sind zu einer Bewegung gewachsen, die sich weltweit zu einer Art Non-Profit-Ressourcenzentrum entwickelt hat.
Allein oder mit Gleichgesinnten kann jedeR die Umwelt ein bisschen bunter machen – öffentliche Flächen sind dafür das ideale Ziel. Rechtliche Ansprüche auf den Schutz und Erhalt eines solchen Gärtchens gibt es nicht – wer an exponierter Stelle zu Werke geht, geht das Risiko ein, dass Stadtreinigung oder Baumaschinen das junge Grün beseitigt – wie das Beispiel des Berliner Nachbarschaftsgartens Rosa Rose(3)zeigt. Im Mai 2004 haben einige BewohnerInnen der Kinzigstraße die Initiative ergriffen und zu der Aktion Nachbarschaftsgarten aufgerufen.
Seit vielen Jahren lagen hier drei nebeneinander liegende Grundstücke brach. 2000 m² zugemüllte Fläche, in einem an Grünflächen sehr armen Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Nachdem die Gärten 2008/09 von Investoren geräumt wurden, nahmen die Guerilla Gardeners die transportablen Pflanzen in einer Fahrradkarawane mit an andere neu gegründete „Guerillabeeten“.
    Weitere Impressionen international erfolgreicher Guerilla Gardening-Projekte hat der Londoner Autor Richard Reynolds(4)auf seiner Homepage bebildert zusammengestellt(5).

Eine andere Welt ist pflanzbar

Ella beim Gießen in einem urbanen Garten in Buenos Aires
Ella beim Gießen in einem urbanen Garten in Buenos Aires


Unser Garten ist ein Weg,
um für eine gerechtere
Gesellschaft zu kämpfen.
Aber nicht nur der Garten
an sich, sondern die Organisierung,
die er mit sich bringt, und wie wir
ihn organisieren.“ Nadja (Urbaner Gemeinschaftsgarten in Buenos Aires)

Ella van der Haide hat in ihrer Filmreihe „Eine andere Welt ist pflanzbar!“ Gemeinschaftsgärten weltweit vorgestellt. Im Zentrum der Filmreihe stehen die AktivistInnen aus den Gemeinschaftsgärten, ihre Gärten und Visionen. Ella hat dafür Menschen in Buenos Aires, Kapstadt, Johannesburg, Nordamerika und Berlin interviewt, die schildern, wie und warum ihre Gärten nicht nur grüne Oasen mitten in der Stadt sind, sondern Projekte, durch die sie „eine andere Welt“ verwirklichen. Diese Ideen nimmt die Dokumentarfilmreihe auf und verknüpft so emanzipative Projekte aus unterschiedlichen Teilen der Welt.
Mitten im dichtbesiedelten Buenos Aires entstehen seit Mitte der neunziger Jahre immer mehr ökologisch bearbeitete Obst- und Gemüsegärten. Neben individuellen Haus- und Familiengärten sind die Gärten dabei oft Gemeinschaftsprojekte. Im ersten Teil des Doku-Filmes aus dem Jahre 2004 berichten die GärtnerInnen aus zwei Gartenprojekten von ihren politischen Zielen und Ideen sowie ihren Erfahrungen bei der täglichen Arbeit mit den Pflanzen. Das eine Projekt ist das MTD (Bewegung arbeitsloser Arbeiter) Claypole, das andere ist die Assamblea (Nachbarschaftsinitiative) La Bocca.
Community Gardens sind in Südafrika weit verbreitet, vor allem in den Townships, wo die Menschen sehr arm sind. Die meisten der Gärten werden von NGOs dem Staat oder privaten Firmen betreut und dienen nur der Versorgung mit frischem Gemüse. Community Gardens sind aber auch Orte der Hoffnung, der Solidarität und manchmal auch des aktiven Widerstands gegen die neoliberale Politik. Diese Aspekte werden von Ella in dem Doku-Film „Gemeinschaftsgärten in Südafrika“ (2007) aufgegriffen. Gemüsegärten, die u.a. als selbstorganisierte Einnahmequelle durch die Produktion von Nahrungsmittel für Volksküchen und gleichzeitig als Treffpunkt älterer Frauen dienen.

In Nordamerika sind Gemeinschaftsgärten gekennzeichnet von antirassistischen Widerstand und der ´indigenen´ und queer-feministischen Politik. Sie sind zentraler Teil der vielfältigen, breiten und wachsenden Sozialen Bewegungen.
Durch die lokale Produktion von ökologischen Lebensmitteln zur Selbstversorgung und deren Verkauf auf Bauernmärkten entsteht nicht nur eine Alternative zur Agro-Industrie, sondern gleichzeitig auch ein neues lokales Selbstbewusstsein.
Indigene Gruppen arbeiten ebenfalls in und mit Gärten, um die Verbindung zur eigenen Geschichte und Tradition weiterzutragen und ihren Anspruch auf selbstbestimmte Landnutzung aufrechtzuerhalten.
Ganz andere gesellschaftliche Umdeutungsprozesse werden durch die vielen Queer- und LGBTI-Gärtner_innen in der urbanen Landwirtschaftsbewegung in Gang gesetzt. Ihr u.a. durch die „Rainbow Chard Alliance“ in San Francisco öffentlich artikuliertes Engagement in den Gemeinschaftsgärten erzeugt nicht nur neue Rollenbilder und eine größere Vielfalt, Sicherheit und Offenheit innerhalb der Szene, sondern rüttelt gleichzeitig durch ein queer-feministisches Weiterdenken an dem bipolaren Natur-Kulturverhältnis und kreiert ein alternatives Naturverständnis.
Für Ella sind urbane Gemeinschaftsgärten "Orte der Emanzipation, an denen an einer alternativen Gesellschaft gebastelt wird. So stelle ich mir gelungene „Stadtplanung-von-Unten“ vor. So stelle sie sich gelungene „Stadtplanung-von-Unten“ vor. Sie möchte Menschen Mut machen, diese Utopien nicht aus den Augen zu verlieren und sich weiterhin dafür einzusetzen, ihre Umwelt selber zu gestalten, denn: eine andere Welt ist pflanzbar!
Das wollten wir ausführlicher wissen...

«Als queer-feministische Aktivistin geht es mir darum, die heteronormativen Hegemonie zu unterlaufen und intersektionale Unterdrückungsverhältnisse anzugreifen und aufzulösen»

Ella, was hat dich dazu bewogen, in und über urbane Gemeinschaftsgärten zu forschen?
    Meine Liebe zu Pflanzen und zu Gärtnern, mein stadtplanerisches Interesse, und dass ich aktiv an emanzipatorischen, ökologischen und an anti-neoliberaler Politik beteiligt sein möchte. Ganz konkret war es der Film Green Card(6),den ich Anfang der 90er gesehen habe, und in dem ich zum ersten Mal von der Existenz von UGG(7) erfahren habe.

Was unterscheidet urbane Gemeinschaftsgärten von konventionell angelegte Grünflächen wie Parks? Was ist charakteristisch für UGG?
    UGG sind wirklich eine neue Form von öffentlicher Freiraumnutzung, die sich in vielen Punkten von konventionellen öffentlichen Grünflächen unterscheidet. Die Punkte sind:
- Die Beteiligungs- und Aneignungsmöglichkeiten. Hier können Leute mitmachen und selber gestalten. Nicht ohne Grund sind die Urbanen Gärten oft genannte Beispiel im Diskurs um das „Recht auf Stadt“(8).
- die Inklusivität (in UGG fühlen sich Menschen wohl und sicher, die „öffentlichen“ Grünflächen meiden, unter anderem, da diese oft in ihren Nutzungsmöglichkeiten hegemonial bestimmt werden.
- die Funktionsvielfalt der UGG. Sie sind oft gleichzeitig auch Räume der Heilung, Therapie oder auch des Lernens.
- Es sind öffentliche Räume, denn in den Gärten kommen die Menschen ins Gespräch. Daher sind die UGG auch Aushandlungsorte, z. B. für „Umweltethiken“ und darüber, was „Gutes Leben“ trotz geringem Ressourcenverbrauch sein kann.
- Es sind oft auch Labors und Experimentierorte, an denen ungewohnte Nutzungen und Formen der Stadtgestaltung ausprobiert werden können.
- Produktionsstätte. In den UGG wird produziert, meistens Gemüse und Obst, aber auch Saatgut, Honig, Eier, Zierblumen und ganz wichtig Kompost und Erde. Hier wird Boden wieder aufgebaut.

Was macht diese Projekte so wertvoll für die Menschen, die sich daran beteiligen?
    Eine Freundin sagte neulich, im Garten werde ihr Zeit geschenkt!
Es geht also für viele um Erholung und eine als sinnvoll empfundenen Tätigkeit, in Kontakt zu sein mit Pflanzen und den Jahreszeiten.
Der Kontakt zu anderen Menschen und gemeinsam etwas zu gestalten und etwas Schönes zu machen. Die eigenen Ressourcen und Talente (wieder) zu kennen zu lernen.Und ganz wichtig ist das Gefühl von Unabhängigkeit zu gewinnen, das sich einstellt, wenn man selber erntet. Zumindest theoretisch die Wahl zu haben, sich selbst zu versorgen.
All das sind Erfahrungen, die Menschen in unserem System nur selten machen und die sie als wertvoll empfinden.

Gemeinschaftsgärten haben eine ganz andere Zielrichtung und Ausrichtung als Guerilla Gardening. Es wird also nicht nur wegen der Optik gepflanzt...welche Funktionen sollte ein in Gemeinschaft angelegter Garten haben?
    Also so genau sind die Begriffe nicht definiert, dass das so gesagt werden könnte. UGG können auch eine Form von Guerilla Gardening sein. In den Anfängen der Bewegung in den 70er Jahren in Nordamerika wurden alle UGG mit vielfältigsten Zielen Guerilla Gardening genannt. Der Begriff bezieht sich viel mehr auf eine gewisse Informalität, Kleinteiligkeit und antihegemoniale Haltung der Gärten.
Aber nein, weder bei Guerilla Gardening noch in UGG geht es nur um die Optik - aber Optik ist in allen Urbanen Gärten wichtig. Das schöne der UG ist sogar, dass hier neue Optiken ausprobiert und etabliert werden können, jenseits dessen was bei der Elite der Landschaftsarchitektur heute als schön gilt.
Christa Müller von der Stiftungsgemeinschaft anstiftung und ertomis(9)spricht auch immer von einer „Politik der Zeichen“. Die meisten der Gärtner_innen sind sehr politisch und die wenigsten sind es auf traditionelle Weisen, in Parteien oder Gewerkschaften oder Initiativen. Einzelne schon, aber die Mehrzahl der Gärtern_innen sind Menschen, die keine Lust darauf haben, auch nicht die Ressourcen oder aus ganz anderen Ecken der Gesellschaft kommen und sich z.B. nicht dem Rassismus, der Frauenfreindlichkeit und dem Heterosexismus aussetzten wollen, die in vielen der (auch linken) Organisationen immer noch die Regel ist.
Die Gärtner_innen protestieren also nicht lautstark gegen Missstände, sondern setzen mit ihren Gärten und vor allem auch der Ästhetik der Gärten dem allen etwas entgegen, und sie haben auch noch Spaß dabei!

«Die Biologie und Ökologiedebatten  der letzten Jahrhunderte haben ein Bild der Natur geschaffen, das viel heterosexistische Moral transportiert und sogar als Instrument der Unterdrückung eingesetzt wurde und wird»

Du bist selbst als Guerilla-Gärtnerin aktiv und verstehst dich als queer-feministische Aktivistin. Wie genau lassen sich beide Aktivitäten miteinander verknüpfen?
    Danke für diese Frage!
Also für mich geht das ganz wunderbar zusammen. Als queer-feministische Aktivistin geht es mir darum, die heteronormativen Hegemonie zu unterlaufen und intersektionale Unterdrückungsverhältnisse anzugreifen und aufzulösen.
Die UGG sind da ein tolles Mittel.
Queer-feministscher Aktivismus bedeutet für mich immer auch anti-neoliberal und anti-rassistisch unterwegs zu sein, denn die  UGGärten sind Orte, in denen sich Menschen die Ressourcen und die Kraft und das Wissen holen können, um die intersektionale Unterdrückungsverhältnisse anzugreifen und aufzulösen.
Es sind auch oft Freiräume,die sich dazu eignen, Aushandlungsorte zu sein, um evtl. schon mal an einer anderen Welt zu arbeiten. Z.B. wird in den meisten Gärten alternative Ökonomie probiert, beim Recyceln und wieder verwenden wird ein anderer Umgang mit Produkten etabliert.
Die Gärten sind Allmenden, und alleine das schon ist eine Revolution, wenn Gruppen merken, dass sie kollektiv verantwortungsvoll mit Ressourcen umgehen können.
Ganz wichtig: es sind friedliche, lustvolle und schöne Orte, auch wenn’s dort manchmal ganz schön gestritten wird und der Umgang mit den Schnecken nicht immer liebevoll ist.
In vielen Gärten werden, der Rolle der Frauen zugeschriebenen Tätigkeiten aufgewertet, wie pflegen, hegen, kochen, reproduzieren.
Überdurchschnittlich viele Frauen haben durch Gemeinschaftsgärten Zugang zu Flächen und Raum und Ressourcen in der Stadt, allerdings bedeutet dies auch mal wieder viel ehrenamtliche Arbeit - aber zumindest nicht ganz ohne Gegenwert.
Und – zumindest in der USA sind auch überdurchschnittlich viele Queers in den Gärten vertreten, in Deutschland werde ich das erst untersuchen. Die Queers, die ich dort in meinem Film von 2012 (10) interviewt habe, haben mir beschrieben, warum für sie die Gärten so wichtige Orte sind. Hintergrund ist unter anderem, dass queeren Menschen der Zugang zu außerstädtischer Landwirtschaft oft verschlossen ist durch die heterosexistischen Einstellungen der Landbevölkerung.
    Also Gründe genug, aber dann gibt es noch eine eher philosophische Seite des ganzen, die derzeit unter dem Titel „Queer Ecology“ erforscht wird. Denn UGG sind für mich ganz wunderbare Orte - um mit Donna Haraway(11) zu sprechen – einen anderen Mythos jenseits der Dichotomie von gut – böse, oben- unten, Mann Frau und zentral Natur-Kultur zu entwickeln, zu erzählen und zu etablieren. Das fängt schon bei ihrem Namen an. Urbane Gärten – sorgfältig aufgebaute Gegensätze lösen sich auf von Stadt und Land, dann geht es weiter damit, dass Gärtnern immer schon ein Mischmasch aus kulturellen und natürlichen Faktoren ist und fast nie klar ist, was ist und viele daran beteiligt sind. Die Bezeichnung Gemeinschaftsgarten bezieht sich ja auch nicht nur auf eine menschliche Gemeinschaft, sondern Tiere, Pflanzen, Wind und Wetter arbeiten genauso mit. Nur wenn ein Miteinander gefunden wird, kann geerntet werden. Um noch mal meine Lieblings-Theoretikerin Donna Haraway zu zitieren: das ist ein gemeinsames werden („Becoming With“), in dem wir niemanden als einzelnen Akteur oder Aktanten benennen können, sondern alle an einem Maschenwerk der Beziehungen stricken (Inglod).
Die Biologie und Ökologiedebatten  der letzten Jahrhunderte haben ein Bild der Natur geschaffen, das viel heterosexsistische Moral  transportiert und sogar als Instrument der Unterdrückung eingesetzt wurde und wird- das wird klar bei dem Begriff:„abnormales Verhalten“.
Tja und all dies hat meiner Meinung nach eine Chance, aufgelöst zu werden, in dem Moment, wo sich Menschen mit nicht-menschlichen Lebewesen auseinander setzten und sehen, dass vegetative Vermehrung, Transsexualität und nichtrepoduktive Sexualität überall um uns herum passieren und keinen einzigen Reinheitsdiskurs rechtfertigen.
Ich habe die große Hoffnung, dass ein respektvoller Umgang mit nichtmenschlichen und menschlichen Lebewesen und Ressourcen möglich ist.
Oh ich merke schon, ich gerate ins Schwärmen.
Nicht, dass ich hier falsch verstanden werde, Gärten sind wie jedes andere Gemeinschaftsprojekt auch sehr unterschiedlich und anstrengend. Und es kommt sehr auf die Gruppe drauf an, was genau dort passiert. Es kann dort genauso Ausschlüsse geben. Außerdem lassen sie sich auch wunderbar instrumentalisieren für alle möglichen Ideologien. Oder sie werden zum „Greenwashing“(12) verwendet. Sie können auch genauso Teil des neoliberalen Stadtmarketings sein, das auf der Ehrenamtlichen Arbeit von prekarisierten Menschen aufbaut. Und immer sind sie auch Beginn einer Aufwertung in einer Nachbarschaft, die unter Umständen zu Gentrifizierung führen kann.
Was ich sage ist, dass ich viele emanzipatorische Beispiele finde, die es geschafft haben, die negativen Auswirkungen zu verändern oder abzumildern, sich nicht vereinnahmen zu lassen, und über die berichte ich.

«Ich produziere Bilder über Menschen, die sich ihr Recht auf Stadt und Gesellschaft und Ressourcen selber nehmen»

In der Doku-Filmreihe „Eine andere Welt ist pflanzbar“ haben Christoph Arndt und du GärtnerInnen und Gartenprojekte in aller Welt vorgestellt. Warum war es dir ein wichtiges Anliegen, Menschen vorzustellen, die ihre Umwelt selbst gestalten?
    Ich gärtnere im Moment nur phasenweise selber, obwohl ich das sehr vermisse - bin ja auch gelernte Gärtnerin - habe ich mich dafür entschieden, mit audiovisuellen Medien zu arbeiten und dadurch die Bewegung der UGG zu unterstützen und aufzubauen. Ich produziere Bilder über Menschen, die sich ihr Recht auf Stadt und Gesellschaft und Ressourcen selber nehmen. Das macht mir Spaß, ich kann so meinen Lebensunterhalt verdienen. Ich hoffe, ich kann dadurch einen Beitrag leisten wie die Gärten gesehen werden und die Gärtner_innen unterstützen.
Filme können zur Reflexion anregen und helfen, einen eigenen Stadtpunkt zu entwickeln. Ich weiß nicht genau ob mir das gelingt – wäre mal spannend, das zu hinterfragen.
Meine Filmreihe heißt „Eine andere Welt ist pflanzbar“ in Anlehnung an den Slogan der Weltsozialforen „eine andere Welt ist möglich“ und bezieht sich damit auf eine Suche nach Alternativen und den Kampf gegen die ausbeuterische, neoliberale Wirtschaftsglobalisierung.
Ich denke die Gärten können da ein Baustein sein.

Warum kann ein Garten ein Weg sein, für eine gerechtere Gesellschaft zu kämpfen?
    Das Zitat, das meiner Homepage voransteht, stammt von Nadja, einer Arbeitslosenaktivistin, aus dem Film über Buenos Aires.
Sie meint damit, dass sie durch den Garten unabhängig werden von der formalen Parteienpolitik und sich selbst dadurch aus der Prekarität befreien können. Für ihre Arbeitsloseninitiative ist der Garten sowohl Instrument der Ernährungssouveränität als auch Experimentierort für eine alternative kollektive Ökonomie.
Eine andere Art von Gerechtigkeit um die es in und mit den Gärten auch immer geht, ist die Umweltgerechtigkeit. Das bedeutet, dass Umweltbelastungen und die Folgen von Umweltschäden ungerecht verteilt sind in unserer Gesellschaft und auch die Entlastungen nicht bei allen Menschen gleich angekommen. Konkret bedeutet das, dass Menschen mit weniger Ressourcen im Durchschnitt häufiger an lauten Straßen wohnen oder näher bei einer Müllverbrennungsanlage in kleineren Wohnungen mit schlechterer Bausubstanz und weniger Zugang zu hochwertigen Nahrungsmitteln, sowie den Gesundheitssystemen und zu Grünflächen haben.
Also: Autos vor der Nase, aber selber keins zum rumfahren.  Kleine Wohnung ohne Balkon und keinen Park in der Nähe.
Da können die UGG einen kleinen Beitrag leisten, wenigstens den Zugang zu Grünflächen auszugleichen.

Du zeigst deine Doku auch in Rahmen diverser Veranstaltungsreihen, zu denen du eingeladen wirst. Sind das zumeist interessierte Menschen, die selbst in ihrer Stadt Gemeinschaftsgärten anlegen wollen?
    Ganz unterschiedlich. Manchmal ja, ich bin da auch als Beraterin für die Gründung eingeladen. Ich habe Stadt- und Regionalplanung studiert und beantworte auch noch stadtplanerische, rechtliche und gärtnerische Fragen.
Ich bin aber auch auf anderen Veranstaltungen eingeladen, wenn es um Forschung, Film oder Stadtplanung geht.

«Zu hoffen bleibt, dass die Gärten nicht nur Reaktionen, sondern eben auch Keimzellen des Widerstands und der Lösungen (von) Krisen sind»

Entstehen in der anschließenden Diskussion auch neue Ideen und Anregungen, die du umsetzen kannst/wirst?
    Ja klar, die ganze Zeit, ich mache das ja jetzt seit 10 Jahren, und da habe ich mich und meinen Blick auf das Thema verändert

Siehst du einen Zusammenhang zwischen dem Entstehen neuer Formen von Gärten und der weltweiten Finanz- und Systemkrise?
    Ja klar in Argentinien, USA, Spanien und Griechenland waren da in den letzten Jahren ja ganz deutliche Beispiele. Die Urbane Landwirtschaft in Detroit(13)ist wohl am bekanntesten geworden.
Aber die Gärten reagieren auf vielfältige Krisen und Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft. Sinn- und Politikkrisen, Ernährungssicherheit, Gesundheitssysteme, Vereinzelung, Ressourcenübernutzung, Klimawandel... you name it!
Zu hoffen bleibt, dass die Gärten nicht nur Reaktionen, sondern eben auch Keimzellen des Widerstands und der Lösungen solcher Krisen sind. Und ich meine jetzt nicht, dass alle nur gärtnern sollten!!! Aber etwas zu lernen gibt es in den Gärten schon und irgendwo muss man sich ja auch mal ausruhen und erholen und Visionen entwickeln.

Projekte wie in Buenos Aires zeigen, dass urbane Gärten die Ernährungssituation verbessert. Welche politische wie ökologische Effekte ergeben sich noch durch diese Entwicklungszusammenarbeit?
    Wie kommst du auf den Begriff Entwicklungszusammenarbeit?
Die UGG in BSAS waren (zumindest vor 10 Jahren) alle auf Nachbarschaftsebene von Basisgruppen gegründet worden – ich eine der wenigen Europäerinnen, die sich dort hat blicken lassen, und ich hab ja eher von den Gärten gelernt, als dass die von mir gelernt haben und auch Gelder gab’s auch nicht aus dem Norden.
Ökologische Effekte haben die Gärten viele:

  • Vergrößerung der Regenwasserversickerungsfläche
  • Puffer für Klimaextreme
  • Staubfilterung
  • Orte der Umweltpädagogie
  • Vergrößerung der Biodiversität
  • Saatguterhaltung
  • Umstellung der Ernährungsgewohnheiten von überwiegend Karnivor auf verstärkt Herbivor...


Wenn das Interesse von staatlicher Seite an die Gemeinschaftsgärten wächst, inwieweit siehst du den Graswurzelsaspekt des Community Gardenings bedroht?
    Tja, die Gefahr gibt’s, aber dann müsste die öffentliche Hand den Charakter der UGG stark verändern, weg von Commons, hin zu Schrebergärten, und das wird schwer werden im Moment. Aber die Geschichte zeigt, dass es passieren kann, auch die Kleingärten waren vor der Gleichschaltung anders. Ich würde mal sagen, das liegt in unserer Hand.
Im Moment bin ich leicht optimistisch, dass sich viel mehr die Stadtplanung verändert, im Kontakt mit den Gärten und lernt, mit hierarchielosen Gruppen und Experimentellen Nutzungen zuzugehen. Ich sehe da auf alle Fälle leichte Tendenzen. Als Stadtplanerin mische ich mich da ein, und habe zum Beispiel gerade eine Recherche geschrieben, die  auf der Homepage der Urbanen Gärten München veröffentlicht wurde (14).

Lehnst du eine städtische, staatliche Unterstützung der Gemeinschaftsgärten grundsätzlich ab? Welche innovativen Ideen, Möglichkeiten ergeben sich durch diese Kooperationen?
    Ablehnen wäre gar nicht möglich, die meisten Gärten brauchen die Unterstützung oder zumindest die Duldung, was auch schon eine große Hilfe sein kann.
Und da die UGG sich im öffentlichen Raum befinden und Stadtentwicklung, Gemeinwesenarbeit und Daseinsvorsorge im direkten Sinne betreiben, ist es ja nur gerechtfertigt, dass diese Arbeit auch durch öffentliche Gelder finanziert wird.
Ohne eine Kooperation mit kommunalen Akteur_innen wird es auch nur schwer möglich sein, Gentrifizierungsprozesse um einen Garten herum abzuwenden. Mietpreispolitik und Verkaufsbedingungen von Flächen können im Moment nun mal nur auf staatlicher Ebene laufen.
In der Kooperation mit den Kommunen kann auch die Praxis einer Stadt in Bezug auf Wiederverwertung von Materialien oder Kompostierung verändert werden. Hier in München sind die Gärtner_innen zum Beispiel gerade dabei die Stadt aufzufordern nur noch torffreie Erden in ihren Kompostierwerken herzustellen. Mal schauen ob’s gelingt!
Schön wäre es, wenn die Kommunen zu einer anderen Liegenschaftspolitik durch die Kooperation mit den Gärten kommen...wir werden es versuchen.

«Ich hoffe, dass UGG zur Aktivierung von Ressourcen führen, und dass eine kollektive Organisierung immer auch eine Stärkung der Frauen bedeutet»

Du hast einen Lehrauftrag an der TU-München und jetzt eine Stelle als Wissenschafltiche Mitarbeiterin in der Uni Kassle erhalten. Die Auseinandersetzung mit der ökologischen, inklusiven und partizipativen Gestaltung der Stadt wird offenbar Landschaftsarchitektur, Architektur und Stadtplanung immer wichtiger?
    Ja, das freut mich auch sehr. Obwohl, es ist, glaube ich, noch ein langer Weg, bis diese Aktivistischen Sichtweisen, die ich so vertrete, wirklich ankommen. Die konventionellen Vorstellungen von hierarchischer Planung, künstlerischen allwissenden Architekt_innen und der Notwenigkeit von neoliberalem Stadtmarkting sind doch noch recht weit verbreitet. Nicht überall, wo Partizipation drauf steht, machen sich die Leute auch wirklich die Mühe, die auch umzusetzen.
Dass die Landschaftsarchitekt_innen z.B. anfangen würden, für eine Veränderung des Kommunalwahlrechts zu pochen, damit endlich auch Menschen mit nicht-europäischen Pässen ihre Stimme abgeben können und dann überhaupt erst repräsentative Entscheidungen über die Freiraumgestaltung einer Stadt getroffen werden könnten, die von ihnen dann umgesetzt werden... die Zeiten müssen erst noch kommen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das „Geschlechterverhältnis und Gärten“. Du siehst Community Gardens als öffentlicher Frauenraum. Warum sind diese Gärten wichtig für einen emanzipatorischen Prozess?
    Also ich gehe von durchschnittlich 75% Frauen aus, die in den Gärten aktiv sind. Und ich hoffe, dass UGG zur Aktivierung von Ressourcen führen, und dass eine kollektive Organisierung immer auch eine Stärkung der Frauen bedeutet.
Ganz praktisch kann ich das immer wieder sehen, wenn z.B. Frauen in die Gärten kommen, die neu in Deutschland sind, wenige Kontakte haben und nach einigen Jahren haben sie ein Netzwerk und viele Kompetenzen in den Gärten erworben, zusammen mit ihren Gartengruppen einige Preise gewonnen haben und bei Ausstellungen mitmachen. Sie sind bekannt in der Stadtverwaltung und können vor Gruppen sprechen und treten für ihre Rechte ein. Das sind kleine Erfolgsgeschichten!

Welche Fähigkeiten können Mädchen wie Frauen hier lernen, was sich von männliche Rollenmuster unterscheidet?
    Alles was sie wollen!
In den Gärten gibt es nichts, was es nicht gibt.
Und irgendeine kennt immer noch ne andere, die einer das zeigen kann und gemeinsam wird dann auch noch was locker gemacht, damit eine da hin kommen kann, und wenn sie noch was braucht, dann kann man da noch was besorgen oder vielleicht soll doch gleich lieber ein Kurs hier angeboten werden, vielleicht wollen ja noch welche dasselbe oder da könnte man ja mal andere Projekte fragen, ob die auch mitmachen wollen...So geht das!
Danke für das Interview! Wer noch mehr wissen will kann sich meine Filme auf der Homepage www.eine-andere-Welt-ist-pflanzbar.de bestellen oder mich zu einem Vortrag über UGG und Quere-Feminisitsche Ökologie einladen und einige Texte runterladen.

Anmerkungen
(1) http://www.lizchristygarden.us/
(2) http://www.greenguerillas.org
(3) http://www.rosarose-garten.net
(4) „On Guerilla Gardening“, 2008
(5) http://www.guerrillagardening.org/ggtroopdigs.html
(6) 1990 erinnerte Hollywood an die von Liz Christy ins Leben gerufene Green Guerilla und zeigte Andie McDowell als Guerilla-Gärtnerin im romantischen Film „Green Card“ (im deutschen ergänzt durch „Scheinehe mit Hindernissen“, Filmpartner: Gérard Dpardieu).
(7) UGG=urbane Gemeinschaftsgärten, im Folgenden mit UGG abgekürzt
(8) Das Konzept „Recht auf Stadt“ geht auf den französischen Stadtsoziologen Henri Lefèbvre zurück, der den Begriff in seinem Buch „Le droit à la ville“ (1968) entwickelte. Das Recht auf Stadt ist kein Recht im bürgerlichen Sinne, das mensch vor einem Gericht einklagen könnte. JedeR hat ein Recht auf Stadt, unabhängig von seinem/ihrem sozialen Status, seineR Nationalität oder von dem, was er/sie im Portemonnaie hat. Es ist ein Recht, das sich jedeR nehmen kann, indem er/sie für eine soziale Stadt kämpft. Neben „Aneignung“ ist noch ein anderer Begriff wichtig: Umverteilung. Ein städtisches Programm, das tatsächlich die Menschen und ihre Bedürfnisse an die erste Stelle setzt und eben nicht die Ökonomie, wird das neoliberale System nicht von sich aus hervorbringen. Schließlich geht es hier um den Besitz von Boden und Immobilien.
(9) http://anstiftung-ertomis.de
(10) Eine andere Welt ist pflanzbar! Teil 4, „Urbane Gemeinschaftsgärten in Nordamerika“
(11) http://gender-glossar.de/de/glossar/item/24-donna-haraway/24-donna-haraway
(12) Das Konzept Greenwashing funktioniert meistens nach denselben Regeln: In der Summe oft irrelevantes grünes Engagement wird öffentlichkeitswirksam überbetont, um gleichzeitig von schädlichem Verhalten abzulenken.
(13) http://www.spiegel.de/wirtschaft/gartenbewegung-gegen-agrarkonzern-detroit-veraendert-sich-a-916535.html
(14) http://urbane-gaerten-muenchen.de/documents/000/000/035/weitere-informationen-zutadt.pdf

 


Lese-Tipp

Wissen wuchern lassen

Wissen wuchern lassen
Ein Handbuch zum Lernen in urbanen Gärten
Free Download: http://www.agspak.de/wissenwuchernlassen/wissen_wuchern_lassen_cc.pdf