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Marc Amann

Marc Amann, Jahrgang 1973, hat das Buch „Go.Stop.Act! Die Kunst des kreativen Straßenprotests“(1)herausgegeben und ist deutschlandweit der Einzige, der die Kunst nahezu aller Protestformen beherrscht. Und noch dazu professionell lehrt, bietet er als Protest-Trainer Workshops an, in denen mensch befähigt wird, kreative Protestformen praktisch anzuwenden. Merkmale dieser Protestformen wie „Alternativen aufbauen“, „Besetzung und Aneignung“, „Performance“ bis „Demonstrationen“, die die Motivation fördern, Verhältnisse zu ändern und zu beeinflussen. Um diese Protestformen theoretisch und in der Praxis zu vermitteln, reist der gebürtige Tübinger quer durch die Republik, trainiert Antifa_Gruppen, MitarbeiterInnen von ATTAC, Eine Welt Netzwerk, Ehrenamtlich aktive Bürger, AbiturientInnen, Antifas...politische Ziele zu formulieren und den Protest auf die Straße zu tragen, kreativ und erfolgreich. Ein klar definiertes Ziel ist die erste Voraussetzung für eine professionelle Aktionsplanung. Wichtig für den Erfolg ist, dass das Ziel zwar ehrgeizig, aber doch erreichbar ist. Auch außerhalb der eigenen Gruppe sollten Menschen existieren, die das formulierte Aktionsziel akzeptieren. Die politische Arbeit ist nicht zwangsläufig auf die Solidarität und Unterstützung von Teilen der Gesellschaft abhängig, kann jedoch versuchen, mit praktischen Aktionen gesellschaftliche Widersprüche aufzugreifen, für eine revolutionäre Perspektive einzutreten und Alternativen zum gegenwärtigen kapitalistischen System aufzuzeigen. Deswegen ist die durchgeführte praktische Aktion zunächst losgelöst von den zu vermittelnden politischen Zielen zu verstehen, die eine nachhaltige Reflexion und Analyse erfordert, um Unterdrückungsformen, Ausbeutungen, konkrete Lebensbedingungen, sozial-gesellschaftliche Verhältnisse in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken. Das ist die Möglichkeit und auch Voraussetzung, in weiten Teilen der Gesellschaft wirkungsmächtig zu werden und damit die Grundlage für Veränderung zu schaffen. Umso wichtiger verfügen kreative Protestformen als praktische direkte Aktion über einen größeren Einfluss, die Interventionsfähigkeit in der Gesellschaft zu stärken. Denn nur mit einer gesellschaftlichen Basis kann die politische Bewegung Erfolg haben, die neben Solidaritätsbekundungen sogar die Bereitschaft für Aktionismus und die Beteiligung an allen möglichen Protesten schafft. Strategische Überlegungen, wo eine Intervention Sinn macht und wo nicht, wo eine direkte Beteiligung an Protestformen zum gewünschten Erfolg führt.


Marc, als Herausgeber von „go.stop.act“ haben du und andere AutorInnen die verschiedenen kreativen politischen Aktionsformen thematisiert. Warum sind konventionelle Protestformen wie bspw. „Latschdemos“ und Menschenketten ungeeignet, bestehende Verhältnisse zu verändern?
    Ich würde gar nicht sagen, dass Demonstrationen und Menschenketten bestehende Verhältnisse nicht verändern können. Im Gegenteil, hat sich ja gerade in den letzten Jahren mit den Umstürzen in verschiedenen Ländern weltweit wieder gezeigt, welch starker politischer Druck entstehen kann, wenn viele Menschen ihre Wohnungen verlassen und sich massenhaft den öffentlichen Raum nehmen, um ihre Unzufriedenheit auszudrücken.     Umfassende Veränderung, die nicht nur im Austausch einer schlechten Regierung durch eine andere schlechte Regierung besteht, bedarf aber mehr als nur Massendemonstrationen oder Protestformen.

Warum haben sich denn die strukturellen Grundzüge politischer Protestform ändern müssen?
    Tatsächlich haben sich Protest- bzw. allgemeiner gesagt Aktionsformen über die Jahrzehnte immer wieder geändert, es gab und gibt immer mal wieder Konjunkturen bestimmter einzelner Formen, wie z.B. die Wiederkehr der Menschenkette im Rahmen der Anti-Atom-Bewegung der letzten Jahre, nachdem das eigentlich schon eine vergessene Form der 80er Jahre Friedensbewegung war. Einzelne Organisationen, Gruppen, politischen Strömungen haben auch immer ihre bevorzugten Aktionsformen, aber insgesamt ist in den letzten 15 Jahren zu beobachten, dass auch Gewerkschaften Straßentheater oder Flash Mobs anwenden und Gruppen, die sich früher zu den Autonomen gezählt haben, Zivilen Ungehorsam in Form gewaltfreier Sitzblockaden veranstalten. Dazu kamen in den letzten 20 Jahren eine Reihe neuer Formen, die mit den neuen Medien- und Kommunikationsformen zu tun haben (Internetaktivismus), mit der zunehmenden Bedeutung von Marken und Images (Adbusting und andere Formen der Kommunikationsguerilla wie auch Kollektive Identitäten wie die Überflüssigen, SuperheldInnen, Anonymous) sowie mit neuen Arbeits- und Lebensverhältnissen (prekäre Arbeit,...), die im Zusammenhang mit den aktuellen Ausprägungen des Kapitalismus (Post-Fordismus, Neoliberalismus) im Zusammenhang stehen (z.B. Mayday-Paraden).
Insofern müssen sich Aktionsformen immer den Verhältnissen anpassen, wenn sie etwas erreichen wollen, und die Verhältnisse ändern sich wiederum auch mit ihnen, so wie Flash Mobs ganz schnell auch als ein Mittel der Werbeindustrie eingesetzt wurde und heute von Jugendlichen nur als öffentliches, gemeinsames Nach-Tanzen der Musikvideo-Clips ihrer Stars gesehen werden.
Gleichzeitig gibt es viele Formen wie Demos, Streiks, Besetzungen (von Häusern, Plätzen,...), öffentliche Camps, Blockaden, die ihre Aktualität und Notwendigkeit nie verloren haben.

Beispiele wie „Stuttgart 21“ zeigen, dass eine selbstregulierte, direkte politische Aktionsform unterschiedlichster Bevölkerungsgruppen eint. Blockupy und Occupy-Demos in Frankfurt mobilisieren ebenfalls Menschenmassen. Scheint der politische Aktivismus in Deutschland eine neue Qualität zu gewinnen?
    Die Aktionen Zivilen Ungehorsams bzw. Direkter Aktionen haben auf jeden Fall stark zugenommen, ohne dass sie aber massenhaft geworden sind. Gerade im Vergleich zu den 1980er Jahren, wo die Blockaden stattgefunden haben, die sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hatten und auf die sich auch immer wieder in Medien bezogen wird. Heiligendamm (10.000 Menschen bei Sitzblockade gegen G8-Gipfel) oder die Blockaden gegen die Neonazis in Dresden mit 15.000 Teilnehmenden verstreut in der Stadt oder Blockupy Frankfurt waren größere Mengen als die Sitzblockaden gegen die Atomwaffenstationierung.    

Jedoch sind Ereignisse wie die Erstürmung von Bauzäunen wie in Wackersdorf oder an der Startbahn West in Frankfurt in den 1980ern bisher nicht mehr vorgekommen. Im Vergleich dazu war der Protest in Stuttgart gegen S21 zwar sehr groß und sehr breit, aber weniger ungehorsam und widerständig.
Die Voraussetzung für massenhafte ungehorsame Aktionen sind vielfältig und anspruchsvoll:

  • hohe subjektive Betroffenheit
  • Ansicht, dass sich durch Aktion etwas ändert
  • soziale Dynamik
  • gute Vorbereitung

Breite Bündnisse und ungehorsame Aktionen sind kein Selbstläufer, im Gegenteil sind viele Menschen eben auch nicht bereit, die Konsequenzen, die solche Aktionen haben können (Polizeigewalt, juristische Folgen) zu tragen. Jedoch haben die letzten Jahre auch in Deutschland gezeigt, dass es durchaus eine große Unzufriedenheit gibt, auch wenn diese sich leider bisher nur kurzzeitig und partiell organisiert – und immer wieder auch in Gefahr ist, nach rechts abzudriften, bzw. nicht solidarisch und emanzipatorisch eine bessere Welt für alle Menschen anzugehen.

Welche Ursachen sind der Grund, warum Teile der Bevölkerung bereit sind, sich aktiv und teilweise unter hohem persönlichem Einsatz an der politischen Willensbildung zu beteiligen?
    Ich glaube, weil immer mehr Menschen merken, dass es anders zu keiner Veränderung kommt, dass auf reinen Protest, der sich an die Regeln hält, keine Reaktion erfolgt, und es auf uns selbst, jedeN einzelneN, ankommt, die Veränderung zu sein. Daher meiner Meinung nach auch die Zunahme von Zivilem Ungehorsam und damit verbunden auch Formen von Selbstorganisation wie Camps, Besetzungen, etc.
Auch der Bereich solidarischer Ökonomien hat ja in den letzten 5 Jahren massiv zugenommen mit Umsonstläden, Reparier-Cafés, Offenen Werkstätten, Urbanen Gärten, Wohnprojekten,... Auch da ist zu merken, dass viele Menschen nicht mehr warten wollen und nicht mehr appellieren wollen, sondern selbst machen.

«Flexibel und innovativ sein, dann kann Mensch auch Erfolg im Leben haben.»

Was war denn für dich der ausschlaggebende Impuls, dich für die politischen kreativen Aktionsformen zu begeistern?
    Ich haben bei den Gipfelprotesten der globalisierungskritischen Bewegung in Prag im Jahr 2000 viele Aktionsformen erlebt, die ich bis dahin nur von Bildern oder gar nicht kannte – auch weil sich dort einiges neues gebildet hatte: Großpuppen und große Objekte als Teil von Demos, Pink-Silver(2) und Action-Samba. Das hat mich fasziniert, und ich habe begonnen, mich mit Aktionsformen und Protestkultur und dabei v.a. dem Zusammenkommen von Kunst und Protest zu beschäftigen.

Welche kreative Aktionsform hältst du für deine Zielrichtung, vom Ergebnis her als am effektivsten?
    Je nach Thema, Ziel, Kontext können ganz unterschiedliche Aktionsformen „richtig“ sein, das hängt von vielen Faktoren ab. Mir geht es auch nicht um Kreativität als Selbstzweck, ich verstehe mich als politischen Aktivisten, nicht als Künstler, insofern sind für mich auch nicht nur Aktionsformen kreativ, die mit künstlerischen Mitteln arbeiten, sondern kreativ ist, sich zu überlegen, was wo passt und sich dabei bei bestehendem zu bedienen und vorhandenes zu verändern.

Sind hierbei Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft grundsätzliche wichtige Voraussetzungen? Welche Ansprüche hast du dabei auch an dich selbst?
    Ja, gleichzeitig sind diese „Fähigkeiten“ auch genau das, was uns im Neoliberalismus die ganze Zeit gepredigt wird: Flexibel und innovativ sein, dann kann Mensch auch Erfolg im Leben haben. Insofern ist das sehr ambivalent und ich finde es wichtig, politischen Aktivismus nicht auf Kampagnenerfolg alleine zu reduzieren, sondern auch das „andere Leben“ das wir uns wünschen (Freude, guten persönlichen, sozialen Umgang miteinander, etc.) mitzudenken und mit umzusetzen. Daher gefallen mir eben auch Aktionsformen wie Blockaden, Camps, Besetzungen gut, und die Initiativen Solidarischer Ökonomien, da genau das dort stattfinden kann: Selbstorganisation, gemeinsam Entscheidungen treffen, sich begegnen und miteinander auseinandersetzen, solidarisch handeln und zusammen den Alltag organisieren.

Was forderst du konkret: Mehr partizipatorische Demokratietheorien, mehr außerparlamentarische politische Beteiligung der BürgerInnen?
    Ja, mehr Beteiligung auf allen Ebenen, wobei wir aufpassen müssen, dass das nicht zu Überforderung und Stress führt. Leider haben viele von uns immer weniger Zeit, um sich selbstbestimmt um unsere Lebensbereiche zu kümmern.
Die Feministin und Marxistin Frigga Haug hat mit ihrer 4-in-1-Perspektive(3) eine wichtige Orientierung gegeben: Wir sollten alle gemeinsam dafür kämpfen und uns danach ausrichten, dass wir neben der Erwerbsarbeit ausreichend Zeit haben für reproduktive Tätigkeiten (uns um uns selbst und unsere Mitmenschen zu kümmern, aber auch um die Natur), gesellschaftliche Tätigkeiten (also Mitbestimmung und aktive Beteiligung an gesellschaftlichen Prozessen und Entscheidungen) und Zeit für uns selbst (Erholung, Kultur, persönliche, nicht zweckorientierte Tätigkeiten).

Wenn kreative Protesformen in erster Linie auf Einzelaktionen und deren öffentliche Sichtbarkeit abzielen, entziehen sich diese dem Partizipationsprinzip. Wie kann dennoch ein Interessenausgleich und Diskurs stattfinden?
    Straßentheater, Großpuppen und erst recht Flash Mobs sind kreative Formen, an denen sich ja auch mehrere bis zu sehr vielen Menschen beteiligen können. Im Gegensatz ist ja die Großdemo komplett geplant, bis die Leute dann daran teilnehmen – dafür können da auch Menschen teilnehmen, die nicht die Zeit und Lust haben, Großdemos zu organisieren. Insofern finde ich immer wichtig, die Beteiligungsmöglichkeiten als ein zentrales Kriterium bei der Auswahl von Aktionen mitzudenken.


Des Weiteren sammelst und moderierst du politische Aktionsgeschichten. Interessiert dich dabei auch der messbare Erfolg oder die Idee, die hinter diesen Aktionen steckt. Welchen Nutzen haben diese Aktionsgeschichten für dich?
    Aktionsgeschichten – Berichte von Aktionen, in Filmen, Fotos, Erzählungen samt den Hintergründen und Bewertungen der Aktionen - sind motivierend und inspirierend und aus ihnen kann gelernt werden. Ich habe selbst gemerkt, wie wichtig für mich und meinen Aktivismus Aktionen sind, die irgendwo anders von anderen gemacht wurden, sie liefern Ideen und Anregungen und zeigen, dass sich auch andere Leute woanders bewegen. Und die globale Protestkultur und die Sozialen Bewegungen leben seit jeher davon, dass ihre Theorien und Aktionen sich gegenseitig inspirieren, beeinflussen und weiterbringen. Mit den Aktionen, die ich sammle (u.a. auf dem Blog http://kreativerstrassenprotest.twoday.net), und zu Aktionsgeschichten aufbereite, die dann im Buch go.stop.act! erschienen sind oder die ich im Rahmen meiner Vorträge und Workshops weitererzähle, möchte ich zu diesem Austausch und Weiterentwicklung beitragen.

Marc, wie du eben erwähnt hast, bietest du (Protest)-Workshops an und vermittelst als Aktionstrainer auch praktische Ideen. Wer bucht dich und welche Klientelgruppe bedienst du?
    Die Organisationen und Gruppen, die mich für Vorträge, Workshops, Seminare einladen, sind aus dem ganzen breiten Spektrum zwischen klassischen Menschenrechtsorganisationen wie z.B. Amnesty international oder Eine-Welt-Organisationen, über attac bis zu linken und linksradikalen Gruppen und Initiativen.

Wie können Praxis und Theorie verbunden werden?
    Praxis und Theorie sind immer wechselseitig miteinander verbunden. Politische Praxis ergibt sich – implizit oder explizit – immer aus individuellen und kollektiven Theorien über gesellschaftliche Veränderungsmöglichkeiten. Gleichzeitig bildet sich Theorie auch immer durch die Reflexion politischer Praxis. Bei der konkreten Planung von Kampagnen und Aktionen finde ich es wichtig, von den politischen Zielen auszugehen, die erreicht werden sollen und einer Strategie, die dahin führen kann, Aktionen sind dann Elemente davon. Strategien beruhen wiederum auf Theorien.

Welche Voraussetzung ist wichtig, dass die gewählte Aktionsform und das formulierte politische Ziel in der Darstellung auch von Außenstehenden verstanden und akzeptiert wird?
    Je nach Ziel und Aktionsform ist es mehr oder weniger wichtig, dass und was „Außen“ verstanden wird, solange die Aktion einen Effekt hat.     Beispielsweise soll bei einem Versteckten Theater den Zuschauenden, die unwissentlich einbezogen werden, völlig unklar sein, dass sie Teil eines Theaterstücks geworden sind, aber der Effekt, dass sie über ein Thema nachdenken, darüber diskutieren, im besten Falle sich konkret dazu verhalten, soll eintreten. Manchmal richtet sich eine Aktion auch an eine ganz spezielle Zielgruppe und kann von anderen vielleicht auch gar nicht verstanden werden. Insgesamt gehören aber diese Überlegungen immer zur Planung von Aktionen dazu und müssen da mitgedacht werden. Jedenfalls sollte klar sein, dass politische Veränderungsprozesse eben nicht klassisch über Information und Aufklärung alleine funktionieren. Verwirrung, Konfrontation, Einbeziehung, Verunsicherung, etc. können wirksamere Wege sein. Dabei müssen wir uns aber immer fragen, inwieweit wir selbst auch instrumentalisieren und manipulieren wollen/müssen und wieweit/wo das gerechtfertigt ist.

Marc, du siehst dich als radikal linker, aber nicht militanter Aktivist. Wo verläuft die Schnittstelle, wo die Trennlinie zwischen radikalem und militantem Aktivismus?
    Militant verstehe ich als politisch an die Wurzel der Verhältnisse gehen und sich selbst aktiv und verbindlich einbringen und zusammen mit anderen an der Basis, dort wo Ausbeutung und Unterdrückung aber auch Widerstand stattfindet zu organisieren – militant ist somit vor allem ein Ort, von dem aus gehandelt wird. Im Deutschen wird militant aber immer mit dem Agieren mit gewaltförmigen Mitteln gleichgesetzt. Insofern würde ich Gruppen und Bewegungen, in denen ich aktiv bin, in der historischen Tradition einer militanten, radikalen Linken weltweit sehen, die sich durch ihre Organisations- und Aktionsformen und ihre Theorien von anderen Teilen der Linken unterschieden hat.
Vor allem, indem sie die Verhältnisse grundsätzlich anders wollte, dabei nicht nur den Kapitalismus sondern auch das Patriarchat, Rassismus, Antisemitismus und andere Herrschaftsformen (und in zunehmenden Teilen auch die Herrschaft über Tiere und Natur) abgelehnt hat und versucht hat, sich basisdemokratisch, horizontal, gleichberechtigt, feministisch, ökologisch zu organisieren und zu leben. Die Trennlinien zwischen radikal und militant im Sinne von gewaltförmig sind dabei vielfältig und brüchig und nicht zuletzt gesellschaftlich und moralisch definiert: Strukturelle Gewalt gilt in unserer Gesellschaft nicht als Gewalt, und es gibt Formen psychischer Gewalt, die juristisch nicht verfolgt werden. Und auch in Sozialen Bewegungen ist umstritten und wird immer wieder neu ausgehandelt, was als Gewalt definiert wird und was legitim und richtig ist. Eine große Einigkeit hat sich aber die letzten Jahre ergeben, dass Sachbeschädigungen, wie z.B. das Herausreißen von genmanipulierten Maispflanzen, nicht als Gewalt angesehen wird, sondern als legitime Form gewaltfreien Widerstands. Auf dem Weg zu einer Welt ohne Gewalt werden wir uns aber immer wieder mit der Frage der Gewalt auseinandersetzen müssen und das finde ich auch gut so.

«Jedenfalls sollte klar sein, dass politische Veränderungsprozesse eben nicht klassisch über Information und Aufklärung alleine funktionieren. Verwirrung, Konfrontation, Einbeziehung, Verunsicherung, etc. können wirksamere Wege sein.»

Marc, auch die extreme Rechte hat mit „Die Unsterblichen“ oder die „Identitären“ kreative Aktionsformen ins Leben gerufen. Siehst du diese Entwicklung auch als eine Antwort darauf, dass z.B. Blockadekonzepte gegen Nazis immer erfolgreicher wurden?
    Die Nazis haben schon immer auch bei der Linken abgeguckt und versucht, Formen und Inhalte für sich nutzbar zu machen. Das war in der Zeit des Nationalsozialismus so, als sie die Aufmärsche der Arbeiterbewegung sozusagen ästhetisch weiterentwickelt haben, als auch in den 1980er Jahren, als es auch schon „Guerilla-Theatre“-Aktionen von Nazis mit Schaf-Masken in Fußgängerzonen gab, wie auch in den letzten Jahren, als die „Autonomen Nationalisten“ den Style der Antifa für sich übernommen hat. Da ich finde, dass unsere Aktionen aber eben nicht rein funktional sein sollten, sondern auch mit der Form, wie wir uns organisieren, wie wir miteinander umgehen, welche Utopie wir haben, im Zusammenhang stehen sollten, wird die unterschiedliche Intention klar. Wir wollen mit Aktionen Unterdrückung und Ausgrenzung bekämpfen, nicht aufrechterhalten und schaffen....

http://marcamann.net/

Anmerkungen:
(1) http://go-stop-act.de/
(2) Bei einer Reihe von politischen Aktionen und Protesten, unter anderem in Genua, auf dem Grenzcamp am Frankfurter Flughafen oder bei verschiedenen Anti-Nazi-Aktionen waren Menschen in den Farben Pink und Silber unterwegs. Meist gehörten Performances, aufwendige Kostüme, Cheerleading
oder Samba-Trommeln dazu.
Auf die Frage, was pink-silver ist gibt es verschiedene Antworten. Für einige Menschen ist es eine leuchtende Erfindung der sogenannten Antiglobalisierungsbewegung, die irgendwann zwischen Seattle und Prag entstanden ist. Andere finden tiefere Erklärungen, die auf die zahlreichen dynamischen Zusammenhänge eingehen, indem pink-silver als situationistisches Ereignis, Spass-Guerillia oder queeres Spektakel beschrieben wird. Die verschiedenen Antworten zeigen, dass es sich um einen vielstimmigen Prozess handelt, der keine festen und abgeschlossenen Identitätsgrenzen aufstellt. Eine Komponente von pink-silver ist, dass Unterschiede und Vielfalt nicht nur aktzeptiert werden, sondern Ausgangspunkt sind.
(3) http://www.friggahaug.inkrit.de/documents/DA291_fh.pdf

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