PEGIDA und der Kampf der Kulturen

Menschenmassen werden mobilisiert.

Ob PEGIDA-Abendspaziergang oder Trauermarsch nach den Terroranschlägen in Paris auf Charlie Hebdo. Die Menschen gehen wieder auf die Straße und verstricken sich in Widersprüche.
Bei den Montags-Demos von PEGIDA in Dresden skandieren die Patrioten "Hau ab, du Lügenpresse", während sie sich mit den Opfern des Terroranschlags auf Charlie Hebdo in Paris solidarisieren und Trauerflor tragen. Charlie Hebdo war und ist aber Synonym für die Pressefreiheit. Gleichzeitig reihten sich beim Trauermarsch in Paris auch jene Staatsrepräsentanten wie Ahmet Davutoglu ein, die in ihrem Land Journalisten verhaften und einsperren, weil sie ihnen zu kritisch sind.

PEGIDA – Anspruch und Wirklichkeit (Foto: Twitter)
PEGIDA – Anspruch und Wirklichkeit (Foto: Twitter)

Es wird nicht nur gemeuchelt, sondern auch geheuchelt. Der montagliche Abendspaziergang in Dresden entwickelt sich immer mehr zum Event, eine Mischung aus Kegelausflüglern, Rentnern, besorgte Eltern, Alltagsrassisten und solche, die eigentlich gar nicht genau wissen, um was es eigentlich geht, aber immerhin noch laut genug mitschreien können: Wir sind das Volk!
Und dieses ist bedroht. Also muss irgendjemand Schuld haben.
Die Politik- und Parteienverdrossenheit, die Europamüdigkeit, die schleichende Aushöhlung des Sozialstaats, die zunehmende Gewaltneigung bei Jugendlichen sind Indikatoren eines Zerfallens der integrativen Kräfte, die angesichts des Fehlens eines noch bedrohlichen Feindes ihren außenpolitischen Impuls verloren haben. Also widmet mensch sich einem neuen Feindbild, denn die "Gefahr kommt aus dem Osten". PEGIDA ist vor allem auch eins: die irre Suche der kollektiven Identität nach dem abhanden gekommenen Feindbild, wie die willkommene neue Integrationsideologie herrschender oder zur Herrschaft drängender Kräfte, um ihren Führungsanspruch zu legitimieren, wie auch das Medium, mittels dessen sich marginalisierte Gruppen der Gesellschaft ihrer Zugehörigkeit zum deutschen Volk und damit ihres Anspruchs auf Teilhabe an dessen Wohlstand zu vergewissern suchen. Es ist gar nicht zu übersehen, dass sich angesichts dieses neuen Feindbildes auch die kollektive Identität des deutschen Volkes wieder einmal wandelt. Und wie reagiert darauf die Politik? Mit Anti-Terror-Debatte, Vorratsdatenspeicherung, Personalausweisentzug für Islamisten. In Frankreich kommen von ersten Politikern Forderungen nach einer Lagerhaft für Dschihadisten und der Wiedereinführung der Todesstrafe. Während sich PEGIDA weiter bürgerlich (bloß)stellt, radikalisiert sich die Politik. Währenddessen entstehen auf der Suche nach Räumen des Widerstandes Leidenschaften und Parallelwelten. PEGIDA als Emotionsgenerator, Islamist als Modernisierer.
Dabei hat sich am Feindbild so viel gar nicht geändert. Es ist die Konstante deutscher Identität. Während die Gutmenschen um Fassung ringen und ihre Betroffenheit zum Ausdruck bringen, sprengen religiöse Fanatiker sich selbst und andere in die Luft. Das ist schon irgendwie konsequenter. Und immer wieder sind es die extremen Gegensätze, die sich anziehen. Man muss sich ja nicht gleich lieben. Aber: Aus Kontrahenten sollten keine Feinde werden. Man soll sich niemals in Ruhe, aber am Leben lassen.
Und nur wer ständig die Vorstellung eines von außen drohenden Feindes auf die Gesellschaft projiziert, befriedigt seinen Vernichtungswunsch auf die radikale Abschaffung der feindlichen Welt. Nur was dann folgt, macht mir Angst, denn: In dieser Situation herrscht eine vollständige Beziehungslosigkeit, eine drohende Mischung wo Feinde zu Helden werden und umgekehrt. Wer mag da noch Gut von Böse unterscheiden?! Vor allem vor dem Hintergrund, dass sich Gut und Böse vermischen und du bei der Heuchelei und der Querfront-Strategie gar nicht mehr genau weißt, ob du auf der richtigen Seite stehst. Hilfreich ist, „Radikalisierung“ zu unterscheiden: der Übernahme radikaler Ideen einerseits und dem Weg in die politische Gewalt andererseits. Das radikalste bei den Heimatschützern von PEGIDA ist vielleicht nicht die Klientel, die mitmarschiert, aber die Zustimmung der Inhalte und Forderungen bei einer nicht länger stillschweigenden bürgerlichen Mitte, die grundsätzliche demokratiefeindliche, alltagsrassistische, vorurteilsbeladene Einstellung, die rund 25% der Deutschen teilt.

Am Ende ihrer Utopie steht die Erschaffung eines ethnisch homogenen Nationalstaats, der nur mit Gewalt durchsetzbar ist. Radikal ist, wer sich dessen bewusst ist und in Kauf nimmt, dass Menschen in "nützlich" und "weniger nützlich" kategorisiert werden, dass Muslime, Sinti und Roma, Flüchtlinge anerkannt werden, aber bitte nicht hier oder in meiner Nachbarschaft. Vielleicht brauchen wir Integrationskurse für die Pegida-Teilnehmer, die sie die Einwanderungsgesellschaft lehren. Und ich bin sicher, irgendwann wird Pegida von den Straßen verschwinden. Nicht aber aus den Köpfen, denn hier findet er statt: der Kampf der Kulturen!

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