KOHLSCHMIDT, KAI UWE - Den Himmel malen

KOHLSCHMIDT, KAI UWE

Den Himmel malen Hörspiel-CD + DVD
MAJORLABEL/Broken Silence
Hintergrund: Das Hörspiel „Den Himmel malen“ wurde auf einem Segelboot auf der Ostsee und der Insel Christians Oe aufgenommen und erzählt brisante ostdeutsche Zeitgeschichte. Es basiert in Teilen auf den Stasi-Akten des Malers Hans Scheuerecker. Gleichwohl ist es Fiktion. Kai-Uwe Kohlschmidt, Autor und Regisseur hat die wilde Zeit der Maler-Boheme in Dresden und Cottbus der Achtziger Jahre nicht nur recherchiert, sondern auch miterlebt und spinnt den Faden der Geschichte bis in die heutige Zeit.

Das Hörspiel erzählt von den Auseinandersetzungen des Malers Max Scharneggers unter den Zwängen der verschiedenen Systeme, zwischen Anspruch und Scheitern, zwischen Liebe und Verrat. 25 Jahre nach dem Mauerfall lädt sein geheimnisvoller Mäzen ihn zu einem Segeltörn zur schwedischen Insel Upklippta ein, wo dieser wohnt. Mit an Bord sind drei Freudinnen von Scharnegger und der Skipper vom Mäzen, sowie die komplette Stasiakte des Malers. In den fünf Tagen der Überfahrt lesen sich die Reisenden immer tiefer in ihre DDR-Vergangenheit. Es kommt zu unerwarteten Entdeckungen in ihren miteinander verbundenen Biografien.
Eines werden sie allerdings erst auf Upklippta herausfinden. Hinter dem reichen Mäzen verbirgt sich der ehemalige MfS-Offizier Hannes L., der damals den operativen Vorgang zur Überwachung Scharneggers leitete. Die Kunst und das ausschweifende Leben des Malers faszinieren ihn seit damals. Doch die Tage des Mäzens sind gezählt, er hat Lungenkrebs. So kommt es zu einer schicksalhaften Begegnung auf der Insel. Ein Duell zwischen Macht und Boheme, damals wie heute.
Hörbuch und Film erscheinen in einem schicken 6 seitigen Digipack mit 20 seitigem Booklet voller beeindruckender Fotos, Hintergrundinformationen und Abbildungen von Kunstwerken. Eine auf 100 Stück limitierte Edition mit einem exklusiven Originalsiebdruck von Hans Scheuerecker gibt es nur beim MAJOR LABEL.

Gesamteindruck:

"Fiktion als Möglichkeit!" Im Wesentlichen liefert das Hörspiel Einblicke über Scharneggers/Scheuereckers Konflikte mit der Staatsmacht und dessen Visionen der Malerei, als dass Autor und Regisseur Kai-Uwe Kohlschmidt den Mauerfall und die Stasi-Geschichte seziert. Dennoch erfahren die ZuhörerInnen auch die autoritäre Macht, verkörpert durch die Figur des Mäzen Hannes L., der ein früherer MfS-Mann war. Und obwohl Kohlschmidts Geschichte/Handlung/Figuren Fiktion ist, bringt sie/bringen sie auch ein Fünkchen Realität ans Tageslicht, die das Kammerspiel auf hoher See zu einer knisternden spannenden Odyssee macht. Denn das Innerste aus einem komplexen Konstrukt herauszufiltern und dann in einen dichten Spannungsbogen zu setzen, kann nur glücken, wenn der Handlungsstrang nicht zu sehr ablenkt von Nebenschauplätzen und der aristotelischen Dramaturgie folgt.
Das Schaukeln der Wellen, das Tuckern des Motors lässt die emotionale (An)Spannung beeindruckend beängstigend real wirken. Die unmittelbare Konfrontation zwischen Autorität/Macht und Opfer ist ein verbaler Kraftakt, der zum Einen Kunst und Kunstgeschichte interpretiert, zum Anderen die Ohnmacht dokumentiert, die Erinnerungen hervorbringt, die Schuld und Sühne thematisiert und die Frage nach Ideal und Fanatismus aufgreift; Bürokratie und Terror, Befehlsempfang und Untat in einen Dialog bringt und damit zusammenhängend die Frage nach Vergeltung oder Vergebung. Zwischen Fiktion, Realität und Illusion bleibt die selbstbestimmte, kreative Kunst, das Malen und die Ideen des Künstlers. Und die hinterlassen Spuren...Das Hörspiel überzeugt mit wortgewaltigen Dialogen im offensiven Konfliktgespräch zwischen Max und Hannes L. und ihren Sprechern Wolfgang Wagner und Kai Börner, in denen Max/Wolfgang wutentbrannt und wie entfesselt aufschäumend reagiert. Eines ist mir beim Hören bewusst gemacht worden: Wie ich andere Menschen behandele und wie ich mich selbst behandele, steht offensichtlich in einem direkten Zusammenhang. Es scheint in uns Menschen eingebaut zu sein, andere zu kritisieren, zu bewerten oder zu verurteilen. Das liegt uns irgendwie im Blut. Aber wenn ich andere Menschen verurteile, dann hat das leider oft mehr mit mir selbst zu tun als mit den anderen Menschen. Vielleicht weil das Objekt meiner Bewertung irgendeinen wunden Punkt bei mir berührt hat. Oder weil diese Person mich an jemanden erinnert, mit dem ich schlechte Erfahrungen gemacht habe. Oder vielleicht auch, weil dieser Mensch etwas tut, was ich selbst mich nicht zu tun traue. Oder diese Person lebt etwas, was ich mir insgeheim zu leben wünsche, mir aber selbst nicht erlaube. Das hat Kai-Uwe Kohlschmidt treffend formuliert: "Jeder Laborant weiß, man macht kein Experiment, ohne Teil davon zu sein!" Insofern ist das Hörspiel ein Plädoyer für mehr Menschlichkeit, aber auch für mehr Leben wagen.

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