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Steckend zwischen Borsten

Ich hatte Haare an den Ohren. Sie auch. Doch ihre standen nicht so borstig ab wie meine, waren blond und wirkten flauschig. Eher so, als könnte man meinen, die Ohren gehörten zu einem kleinen kuschligen Plüschtier.
„Bist du auf Empfang?“, fragte sie mich verschmitzt.
„Ich bin immer auf Empfang.“, antwortete ich ihr, „woran bemerkst du das?“
„Weil bei dir ein paar Haare auf den Ohren abstehen wie Antennen. Wahrscheinlich bist du gerade scharfgeschaltet.“
„Was man von dir im Moment nicht sagen kann.“, gab ich zurück.
„Wie denn auch, wenn’s bei dir absteht wie bei einem Stachelschwein.“
Ich war nicht verletzt, nicht einmal peinlich berührt. Ihr an mir entdecktes Stachelschweinantennensehen entlockte mir nur ein müdes Unnachdenkliches: „Dankeschön.“

Meine Lust auf Kuscheltiere hatte ich ohnehin verloren, spätestens seit ich den Teddy meiner Freundin aufgeschlitzt und ausgenommen hatte. Vielleicht hatte ich diese Lust auch nie wirklich besessen, mich nur ab und an einem Bedürfniskuscheln untergeordnet, weil ich nett war und vielleicht auch über Umwege hingebungsvoll veranlagt, jedenfalls nicht nur auf Fingerschnippsex reagierte.
Zeit ist Trumpf und diese Trumpfkarte im Spiel konnte einem kein anderer Mensch nahebringen. Man musste sich das spiel mit den Daseinsbegegnungskarten immer wieder selbst neu auslegen, ohne es vorher ausgiebig mischen zu dürfen und sie sich dann auch noch als gut annehmbares Blatt selbst zuspielen können.
„Hast du keinen Rasierer da?“, fragte sie mich nach einer Weile gemeinsamen Anschweigens.
Erst wollte ich antworten: „Lass mich doch einfach auf Empfang bleiben.“, doch dann sagte ich: „Ja, aber die Batterie ist alle. Das Ding schnurrt nicht mehr.“
„Ich rasier mich sogar überall.“, ließ sie mich wissen.
„Und genau das, und das muss ich dir jetzt mal so direkt sagen, finde ich bei einer Frau schrecklich. Es gibt nichts schlimmeres, als eine kahlgeschorene Möse. Dann kann man ja gleich dem Schulbus, der die Unterstufengören ihren Zeugnissen entgegensteuert, hinterherrennen.“
„Was ist das denn für ein Vergleich? Soll das ein Argument sein, oder was?“
„Nö, aber da passt was nicht zusammen, ist jedenfalls mein Empfinden. Was soll ich denn mit einer Frau in einem ausgewachsenen Frauenkörper, wenn die ’ne blanke Kindermöse vorzeigt. Das passt nicht.“
„Aber es ist hygienischer.“
„Trotzdem fehlt da etwas. Und was soll so viel Hygiene bei einem animalischem Treiben? Dann lieber ’ne Schaufensterpuppe. Da weiß man gleich, die ist zwischen den Beinen glatt und kahl und man hofft dann gar nicht erst auf was besonderes, auf eine Überraschung oder etwas Ähnliches, etwas Unvorhergesehenes. Weiß auch nicht, wie ich dir das erklären soll. Aber es ist dann von vornherein gewiss, dass die Puppen da unten alle gleich aussehen, egal, was sie für ’ne Perücke tragen oder ob sie kahl auf dem Schädel sind, mit einem Brautkleid geschmückt oder mit Hotpants im Schaufenster stehen. Verstehst du?“
„Nicht wirklich. Jede Möse sieht doch anders aus. Eine hat solche Schamlippen, die andere andere, also kurze oder ganz lange, einen langen Schlitz oder einen kleinen, zwei verschieden lange Schamlippen oder unterschiedlich große Kitzler. Und Intimschmuck, Ringe, Perlen und so etwas, wirkt doch ganz anders, wenn eine Frau rasiert ist.“
„Ich hab mal eine gesehen, die hatte Ketten mit großen und schweren Gewichten an ihren Schamlippen hängen, hat die sich richtig extrem gedehnt abhängen und schaukeln lassen und dabei noch einen Kuhstall ausgemistet. Aber das ist alles pillepalle. Natürlicher Schmuck kommt am besten. Und das ist nun mal das Haar an den Mösen, von mir aus auch spärlicher behaarte, wo die Haare zum teil schon im älterwerden ausgefallen sind. Aber das hat immer noch was natürliches, reiz- und impulsgebendes. Obwohl ich persönlich richtig stark behaarte Mösen am besten finde.“
„Du bist echt ein komischer Mann. Bei den meisten, die ich kenne, ist das genau umgekehrt, die ekeln sich, wenn man sich da unten nicht rasiert hat.“
„Keine Ahnung, ist eben so bei mir. Ich sag ja bloß, wie ich das für mich empfinde. Was soll daran komisch sein? Wieso bin ich dann gleich ein komischer Mensch?“
„Na ja, auch weil und wie du das so sagst.“
„Wieso soll ich das nicht so sagen?“
„Weil man sich ab und an mit einigen Dingen auch zurückhalten muss.“
„So? Sollte man das? Und sich dann einfach in was kahles schieben, was einem so gar nicht bekommt? Gar keinen Spaß macht, weil’s abtörnt? Nur dem anderen zuliebe mitmachen und so tun als ob? Schauspielerei beim Sex findest du gut?“
„Das hab ich doch gar nicht gesagt. Aber man kann es ja wenigstens stillschweigend versuchen. Ich hätte nicht gedacht, dass du so intolerant bist. Hab dich immer für sehr offen und aufgeschlossen gehalten. Und übrigens hat eine Frau auch noch andere Dinge, als nur ihre Möse. Ihr aussehen zum Beispiel, ihren Charakter und noch ganz andere Qualitäten.“
„Was hat das denn mit Intoleranz zu tun. Ich bin doch nicht intolerant. Das ist doch völliger Quatsch.“
Ich hörte einfach auf. Das Thema nervte irgendwie und brachte nichts.
„Möchtest du noch was anderes trinken? Ich hab noch weißen Rum da und weißen Kräuterschnaps, Weißwein oder Bier.“ fragte ich stattdessen.
„Ich denk, du trinkst nicht mehr. Bist du nicht seit Jahren trocken?“
„Deshalb kann ich doch trotzdem was hier haben und dich fragen, ob du was trinken willst? Oder etwa nicht?“
„Weißer Rum? Der hat doch bestimmt siebzig Prozent. Willst du mich auf die schnelle besoffen machen und dann bei mir nachgucken, ob ich auch nicht gelogen habe?“ griente sie mich an.
„Ich glaub, der hat siebenunddreißigkommafünf Prozent oder so.“
„Würde ich mal einen probieren, einen nehm ich dir ab und ein Bier würde ich auch trinken. Muss aber nicht kalt sein. Nicht unbedingt aus dem Kühlschrank, kann auch Zimmertemperatur haben.“
Und dann schaffte ich das Bier in Zimmertemperatur aus dem leerstehenden Kinderzimmer zu ihr ins Wohnzimmer, wo das Sofa stand auf dem sie saß und stellte es auf dem Tisch vor ihr ab.
„Hier schon mal dein Bier, Zimmertemperaturgekühlt.“
Ich machte kehrt und bewegte mich in Richtung Küche, hörte: „Einen Öffner noch!“, rief: „kommt gleich!“, griff mir ein Siebzigerjahre Schnapsglas aus dem Küchenschrank, aus einem Schubfach einen Flaschenöffner in Form eines gelöcherten großen Zehs, öffnete die Kühlschranktür, schnappte mir die Schnapsflasche, las: WHITE DIAMONDS White Rum 37,5 % Vol. und eilte mit der eiskalten falsche unter meiner behaarten Achselhöhle zurück zu ihr ins zimmer.

J. Landt