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Arbeitswiderwille oder glückliche Aktivitätsmomente?

Hugh Grant hat seinen Alltag im Film "About a boy" in Zeiteinheiten eingeteilt, um die Einsamkeit und Langeweile zu kompensieren. Im Film hat Hugh Grant einen Hit komponiert und lebt seitdem von den Tantiemen, ähnlich wie WHAM, die 1984 mit "Last Christmas" einen bis heute - und besonders nach dem Tod von George Michael auch post mortem erfolgreichen - populären Evergreen komponiert haben.

Doch der Erfolg macht einsam. Hugh Grant legt eine Zeiteinheit mit 15 Minuten fest und skaliert seine Handlungen in diese Einheiten:

  • Billard spielen: 6 Einheiten
  • Im Plattenladen nach Tonträgern stöbern: 7 Einheiten
  • Fernsehen: 10 Einheiten
  • Duschen: 2 Einheiten
  • Friseurbesuch und Wellness: 10 Einheiten

usw.

 

Nun, seitdem ich hier auf dem Land in einem alten Heuerhaus wohne, ertappe ich mich dabei, dass ich mir den straff organisierten Alltag in Zeiteinheiten einteile. Denn, da bin ich ehrlich, es gibt einfach viel zu tun, und ich will einfach nicht sinnlos Zeit vergeuden.

  • Gassi gehen: 6 Einheiten
  • Redaktion: 20 Einheiten
  • Platten hören: 4 Einheiten:
  • Garten-/Hausarbeit: 5 Einheiten

usw.

 

Diese Einteilung ist natürlich willkürlich und wird mit alltäglichen Dingen wie Duschen, Zähne putzen, Haus sauber machen, Essen einkaufen/kochen erweitert und die Einheiten sind willkürlich festgelegt, aber im Grunde ist diese Art der Selbstorganisation  auch eine grundlegende Struktur, die mir Sicherheit und Stabilität...am Ende des Tages sogar ein gutes Gefühl gibt. Luxus ist, etwas Zeit "über" zu haben, ein Bonus, für den ich mir dann mal etwas Schönes gönne: ich erlaube mir, die Zeit zu genießen, auch mal mit Nichtstun müssen, sondern mit dem Hund kuscheln und ein Hörspiel hören, die Augen zumachen und meistens schlafe ich dann auch ein. Gelegentlich (und zwar 15 Mal im Monat) fahre ich dann abends um 19 Uhr 30 mit dem Rad zum Bahnhof und mit dem Zug weiter nach Bremen zur Arbeit. Ich arbeite im Nachtdienst im Behindertenwohnheim. Diese Tätigkeit ist nicht anstrengend und unglaublich wertvoll, macht mir Spaß und ist sinnvoll. Diese Tätigkeit erlaubt es mir, den ganzen Tag über die oben erwähnten Zeiteinheiten zu füllen, ohne auf etwas zu verzichten. Die Nachtdienste sind also keine produktive Zeit, sondern eine palliative und erlaubt mir, viel freie Zeit zu genießen.
Da ich schon so meinen Alltag seit über 10 Jahren organisiere, fühle ich mich physisch wie psychisch fit, bin ausgeglichen und kreativ, viel in Bewegung und an der frischen Luft. Für Außenstehende mag sich das nach Routine anhören, aber ich weiß, dass Beschäftigung im Sinne von innere Befriedigung nicht aufgezwungen ist, sondern mich auch glücklich macht. Und so lange ich interessante Aktivitätsmomente habe, neugierig bleibe und experimentierfreudig bin, werden selbst die skalierten Zeiteinheiten irgendwann gar nicht mehr der inneren Ordnung aufgezwungen und entwickeln sich zu einer spontanen Disziplin, die ständige, freudige Arbeit, die sozialen Gefühle der Hilfe und des Verständnisses für die anderen auslöst. Eine Fähigkeit, die ich gerne weiter entwickle.