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Die Interventionistische Linke

Die Interventionistische Linke (IL) ist bekannt für ihre Orientierung auf breite linke Bündnisse und ungehorsame Massenaktionen wie Block G8, Castor Schottern, Dresden Nazifrei, Ende Gelände oder Blockupy. Die AktivistInnen setzen dabei auf die radikalisierende Wirkung von Widerständigkeit und Selbstermächtigung. Angetrieben und zusammengehalten wird das Projekt der IL von einer gemeinsamen strategischen Verabredung, die im namensgebenden Begriff der Intervention deutlich wird:

 „Wir wollen eine radikale Linke, die selbstbewusst und sprechfähig in politische Kämpfe eingreift, die aktiv gegen die Zumutungen und Grausamkeiten des Kapitalismus kämpft, die auf den Bruch mit allen Formen von Unterdrückung, Entrechtung und Diskriminierung orientiert. Kurz: Wir wollen eine neue, gesellschaftliche radikale Linke, die um politische Hegemonie ringt und Gegenmacht organisiert.“

Die Welt um uns herum befindet sich in Aufruhr: neue Anfänge und reaktionäre Rückschläge, die Lebendigkeit neuer Formen des Widerstands und des Gemeinsamen – aber auch die Gewalt der Kriege, des bürgerlichen Friedens und der Angst. Für viele von uns sind diese Brüche daher gleichermaßen hoffnungsfroh und existenziell bedrohlich.
Obwohl uns das Gefühl eint, eine Aufgabe zu haben und etwas zu verlieren, wenn wir in diesen Zeiten nicht handeln, gibt es neben alten und neuen Erfahrungen aber auch immer wieder Ratlosigkeit, Sorge und das Gefühl, ohnmächtig und ziellos zu sein – obwohl wir so viele sind, obwohl wir so viel wollen.
Auch die AktivistInnen der Interventionistische Linke hat sich verändert und sind auf der Suche.

«Aber die Erfahrung eines wirklich ernstgemeinten Kampfes ist nicht zu ersetzen.»

„Wir wollen eine Linke, die sich einmischt.“ Wie sind eure theoretischen Konzepte, Kritik in der praktischen Arbeit miteinander verwoben und welche Rolle spielt die Frage nach gesellschaftlicher Intervention?
    Die IL ist eine pluralistische Organisierung, dass bedeutet, dass wir keiner einheitlichen theoretischen Konzeption folgen. Wir streiten untereinander darum, was die richtige Strategie oder Taktik ist. Genau dieser solidarische Streit führt zu einer Schärfung unserer inhaltlichen Ausrichtung und Veränderungen unserer Aktionsformen.
Was uns eint, ist die Orientierung darauf Brüche innerhalb des herrschenden Blocks zu identifizieren und zu vergrößern. Dafür suchen wir strategische Bündnisse und begeben uns in emanzipatorische Bewegungen, die an der Seite der Unterdrückten stehen. Das heißt: Wir orientieren darauf gesellschaftliche Bewegungen aufzunehmen und ihre Kritik zu schärfen sowie die Aktionsfähigkeit bzw. ihre Reichweite durch unsere Organisierung zu unterstützen. Organische Bündnispartnerinnen sind dabei Selbstorganisierungen, da diese die Kämpfe organisieren und repräsentieren können.
Zentraler Punkt unserer Kämpfe ist es, gesellschaftliche Auseinandersetzungen miteinander zu verbinden und bestenfalls in einen internationalen Kontext zu stellen. Deswegen organisieren wir uns auch in Deutschland/Österreich und versuchen Prozesse einer europäischen Vernetzung anzustoßen.

Für eine homogene radikale gesellschaftliche Linke müssen andere überzeugt werden. Welche Nachteile hätten denn kurzfristig positive Effekte, wenn mensch weniger radikal denkt?
    Wir sind nicht für eine homogene radikale Linke, deswegen müssen wir niemanden überzeugen.
Die interessante Frage ist eher was „radikal“ heißt. Für uns ist Radikalität nicht einfach nur eine bestimmte Form der Kritik, sondern es ist eine Haltung zum Kapitalismus/Patriarchat. Gleichzeitig ist Radikalität immer im Kontext der Umstände zu sehen. Der bewaffnete Kampf kann gleichermaßen „radikal“ sein, wie sich zu weigern aufzustehen oder einer gesellschaftlichen Norm zu entsprechen. Die wichtige Unterscheidung ist, dass du deine politische Praxis ernst nimmst. Also tust was du sagst und sagen was du tust. Mit allen Konsequenzen die sich daraus ergeben.
Wir laden aber alle ein, Kämpfe gemeinsam zu führen und Solidarität aufzubauen. An den Orten, an denen die Menschen sich befinden und an denen sie denken, dass dort Brüche erzeugt werden können.
Übrigens radikalisieren sich Menschen am besten in den selbst geführten Kämpfen. Die Aufgabe der radikalen Linke ist es diese Kämpfe zuzuspitzen oder Dinge zu tun, die z.B. Selbstorganisierungen manchmal nicht tun können, aber wollen das es passiert.

Eine gängige Erklärung für den raschen Niedergang der Occupy-Bewegung auf der ganzen Welt ist, dass sie die organisatorische Struktur vermissen lassen. Wie können Organisierungsprozesse entlang gesellschaftlicher Unterdrückungsverhältnisse erfolgreich und stärker werden?
    Naja erstmal ist es wichtig sich zu vergewissern, dass wir in der Minderheit sind. Wir agieren aus einer Position der Schwäche. Damit meine ich die Linke insgesamt (nicht überall, aber schon überwiegend). Das bedeutet, es ist erstmal erstaunlich, dass eine rebellische Bewegung wie Occupy eine solche Konstanz weltweit (ich beziehe mich hier eher auf die Nordhalbkugel, auch wenn es ähnliche und gleichzeitige Bewegungen in den Ländern des globalen Südens gab/gibt) haben konnte. Aber das Problem ist, dass Occupy als Bewegungsorganiserung an den eigenen Bewegungszyklus gebunden ist. Ist dieser vorbei, dann wird auch Occupy schwinden, solange sie sich nicht transformieren. Das haben sie nicht getan.
Deshalb ist es sinnvoll Organisierungen anhand von Brüchen innerhalb des Machtblocks zu entwickeln, jedoch mit der Strategie diese Kämpfe zu verbinden. Das macht zu einem gewissen Grade unabhängig von bestimmten Zyklen. Da die Kämpfe sich gegenseitig verstärken und eine Verbindlichkeit und Geschichtlichkeit entwickeln können, die nicht mit dem Zyklus abbrechen. Nur so können sich Aktivist*innen darauf verlassen, dass die Organisierung bestehen bleibt. Das bedeutet, sie können sich in einen Organiserungsprozess begeben, ohne Angst zu haben, dass er schnell wieder weg ist und das eigene Leben mit der Organisierung in Einklang bringen und sich nicht „verbrennen“.

Wie kann ein diskursorientierter Umgang die öffentliche Wahrnehmung vom Kapitalismus erreichen und verändern?
    Diskurse sind gut, aber Kämpfe sind besser. In der Auseinandersetzung im Alltag oder/und auf den Höhepunkten von Kampagnen sind die Orte, an denen Bewusstsein geschaffen wird. Das kommt daher, dass wir keine natürlichen Klassen mehr haben. Also so was wie: Ich komme aus einen Arbeiter*innen Stadtteil und deswegen werde ich Kommunist*in. Das ist vorbei.
Deswegen müssen wir Orte schaffen, an denen dieses Bewusstsein entstehen kann. Das sind Kämpfe. Das Menschen sich in Kämpfe begeben wird natürlich auch über Diskurse gesteuert. Aber die Erfahrung eines wirklich ernstgemeinten Kampfes ist nicht zu ersetzen.

Mit welchen Mitteln lässt sich eine kontinuierliche, lebendige und widerständige Politik entfalten?
Ein Prozess der nicht aufhört und seine eigene Organisierungen verändert. Gleichzeitig eine Verankerung von radikaler Politik in alltäglichen Kämpfen die sich vereinen und immer mal wieder an bestimmten Punkten massenweise zusammenkommen. Dabei müssen die Kämpfe und Aktivist*innen einen Schritt weitergehen als in ihrer bestehenden Praxis.
Wie kann die IL-Politik in Aktionsbündnisse, bestehend aus verschiedenen Lagern, nach außen wahrgenommen werden?
    Naja das ist ein Problem mit dem wir selbst häufig kämpfen. Aber uns ist erstmal wichtiger, dass Kämpfe sich auf Brüche orientieren und solidarisch sind. Dann sind wir glücklich und wenn sie erfolgreich sind, schmeißen wir ‚ne Party.

Wie lassen sich in diesem Zusammenhang linke Ideen für die „Menschen auf der Straße“ attraktiver machen?
    Nicht linke Ideen müssen attraktiver sein, sondern Menschen müssen ermutigt werden ihre Kämpfe zu führen und Linksradikale müssen unterstützend dabei sein und mit ihrer Erfahrung am richtigen Moment zuspitzen.

Die Politik der IL orientiert sich am langfristigen strategischen Ziel einer radikalen Transformation der gesellschaftlichen Verhältnisse. Um das zu erreichen, bedarf es Vertrauen in die Verbindlichkeit von Absprachen und Möglichkeiten nach Kooperationen. Wie lassen sich vor diesem Hintergrund Bündnis- und Aktionserfahrungen mit nicht abgesprochenes Konfrontationsniveau und damit verbundenen staatlichem oder medialem Repressions- und Distanzierungsdruck vereinbaren?
    Sprechen und damit das Vertrauen herstellen. Also vorher besprechen was getan wird und auch nur das tun. Vertrauen aufbauen eben.

Im Positionspapier liegt der Fokus auf antikapitalistische Kritik und Praxis bei gleichzeitiger Verbesserung der gesellschaftlichen Wirksamkeit linksradikaler Politik. Wie lassen sich links-politische Konzepte in derzeitige Staat-Gesellschafts-Beziehungen einbinden?
    Erstmal ist ein Zwischenstandspapier also eine Darstellung vom Moment unserer Diskussionen. Es sind keine Positionen, sondern Diskussionen, die wir dargestellt haben.
 Ich glaube wir sind in stürmischen Zeiten. Deswegen ist z.B. der Protest gegen das G20 Treffen so zentral. Dort soll Ordnung ins Chaos gebracht werden. Wir haben einen Machtblock der sich uneinig ist. Einen Kampf zwischen Zentrum und Peripherie selbst in Europa. Eine liberale Demokratie die von rechts gedrückt wird und eine autoritäre Wende dieser liberalen Staaten. Das macht es schwierig sich genau festzulegen. Einige meinen, eine Art Koalition des Dissidenten Drittels - also Parteipolitisch gesprochen - Rot-Rot-Grün würde Bewegungen mehr Möglichkeiten eröffnen. Andere sagen, genau jetzt geht es nicht, liberale Positionen zu unterstützen, da sie die Neoliberalen sind, die uns in diesen Wahnsinn gezogen haben. Es ist schwierig.

Die Aufnahme und Integration von MigrantInnen wurde seit den 90er Jahren zu einem zentralen Thema der öffentlichen und politischen Debatten, die die kulturelle Vielfalt als Bedrohung auffassen und mit Ausgrenzung, Stigmatisierung und Gewalt reagieren. Wie können Möglichkeiten der Interkulturalität und kulturellen Vielfalt in der öffentlichen Meinung verbessert werden?
    Diese Frage finde ich etwas uninteressant, da es nicht um Vielfalt geht, sondern um Gleichheit und Gerechtigkeit. Wir kämpfen für das gute Leben aller Menschen überall. Das bedeutet wir müssen dort aktiv werden, wo wir es schaffen das Grenzen geöffnet werden und Diskriminierungen bekämpft wird. Für jeden Ort und jede Zeit gibt es die richtige Handlung. Das ergibt sich aus dem Handgemenge und es gibt sicherlich kein immer richtiges Handeln. Am Ende ist die Geschichte sowieso die Richterin.

Solange Ort, Zeit und die Bedingungen richtig sind, glauben Akteure, dass eine revolutionäre Politik möglich ist. Doch individuelle Lebensentscheidungen verhindern kollektive politische Arbeit. Wie lässt sich die Individualisierung durchbrechen, kollektive politische Arbeit stärken und eine linke Kultur entwickeln?
    Auch das ist immer abhängig von den Umständen. Ich würde aber 3 Sachen identifizieren die kollektive Prozesse unterstützen:

  • Vertrauen und commitment = Also das Vertrauen, das niemand alleine ist und andere mitmachen.
  • Entscheidungen = angeblich individuelle Entscheidungen zu kollektivieren z.B. Welchen Arbeitsplatz nehme ich an. Wie will ich leben und welche Rolle spielt meine Gruppe dabei.
  • Haltung = Eine antagonistische Haltung zur gegebenen Welt entwickeln, die dazu führt, dass Kämpfe eingegangen werden sobald Ungerechtigkeit gespürt wird und diese natürlich kollektiv führen.