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„Das-wird-man-ja-wohl-noch-sagen-dürfen“

An den Küsten Amerikas wüten Orkane und Tornados, in Deutschland wüten PolitikerInnen durch die Parteienlandschaft. Wie heftige Windgeschwindigkeiten wehen Kommunikationsstrukturen über die politische Bühne, die quasi beschleunigt,  immer rascher nach immer auffälligeren, reißerischen Nachrichten verlangt.

Auch persönliche Beleidigungen erfüllen diese Anforderungen. So hat die AfD die Politik, aber auch die Medien aufgerüttelt und transportieren, kommentieren jede schlagzeilträchtige Formulierung. Wenn der Landesvorsitzende der AfD Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, von einem "Ministerium der Schande" im Land oder von "Wucherungen am deutschen Volkskörper" spricht, wenn AfDler Homosexuelle in Gefängnisse schicken wollen oder Flüchtlinge "Ficki-Ficki-Fachkräfte" nennt, sind andere PolitikerInnen empört, ermahnen und bitten um Mäßigung. Dieser Umgang erinnert an Erziehungsmittel und -maßnahmen mit verhängten Sanktionen. Während DIE LINKE-PolitikerInnen AfD-Ageordnete ignorieren und einen Handschlag verweigern, sieht mensch im Magdeburger Landtag den/die eine*n oder andere*n CDUlerIn, der/die nicht nur einen freundlichen Umgang pflegt, sondern sich auch beim Kaffee in der Kantine mit den AfD-PolitikerInnen austauscht. Im Landtag streiten, aber hinter der Bühne zusammen kuscheln. Die "Wir haben uns alle lieb"-Mentalität ist weit verbreitet. Ganz gleich wie heftig die Probleme auch sind, sie werden lieber unter den Tisch gekehrt - Konflikte sind zu vermeiden, um jeden Preis. Mal ehrlich, wenn es in den politischen Debatten immer öfter weniger um konstruktive Lösungen geht, sondern darum wer was wie gesagt hat, ist das weniger souverän oder weitsichtig. Im Fokus der Aufmerksamkeit stehen also Zitate, die von Medien und PolitkerInnen analysiert, auseinandergenommen und umgedeutet werden. Dabei spielen Geltungsbedürfnis und bloßem Heischen nach Aufmerksamkeit eine wesentliche Rolle. Denn wo ausgerechnet tugendhafte RednerInnen Gefahr laufen, nicht mehr zitiert zu werden, gehören verbale Ausfälle an der Tagesordnung UND bestimmen die politischen Debatten. Eine politische Sachargumentation war vor, während und nach den Bundestagswahl"kämpfen" nichts zu hören. Was aber wäre, wenn PolitikerInnen mit LeserInnen, ZuhörerInnen und ZuschauerInnen rechnen müssen, die zu unterscheiden wissen zwischen bloßem Heischen nach Aufmerksamkeit und politischer Sachargumentation?! Sie würden als aufgeklärte BürgerInnen einen modernen Staat machen. Voraussetzung dafür aber ist der/die politisch gebildete BürgerIn. Und so bleibt es wies es derzeit läuft. Es wird gebrüllt, gehetzt, verbal gewütet, beleidigt, denn das bleibt in den Köpfen hängen. Debatten, die leidenschaftlich um Grundsätze geführt wurden und in denen die verbale Auseinandersetzung stets die Sache traf, sind Märchen aus vergangener Zeit. Und so zeigt sich das Dilemma im sozialen, politischen und gesellschaftlichen Kontext, wenn die Wirkung von Hetze, Hass und Wut die Kommunikationsstrukturen bestimmt.