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AIB #120

AIB #120
AIB #120

AIB #120

64 DIN-A-4 Seiten; € 3,50.-

AIB, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin

https://www.antifainfoblatt.de/

Das aktuelle AIB thematisiert den "geprobten Aufstand von Chemnitz" und die Dynamik der rassistischen Mobilisierung.

Chemnitz war nach der Tötung des 35jährigen Daniel H. in der Nacht zum 26. August Schauplatz rassistischer Proteste geworden. Die organisierten Aufmärsche und rassistische Hetzjagden waren nach Einschätzung des Redaktionskollektivs ein Zusammenschluss aus PEGIDA-, AfD- AnhängerInnen und besorgten BürgerInnen, mit Teilnahme aus dem rechten Ultras und Hooligan-Milieu und von der Identitären Bewegung. Neonazis, die die Tat als herbeigesehnten Rassenkrieg verklären. Kleinstparteien wie Pro Chemnitz, die sich durch diese rechten Mobilisierungen profilieren konnten, Ressentiments durch hetzerische Reden gegen Geflüchtete und Muslime schüren konnten, stellten antifaschistische Arbeit und Aktionen vor einer enormen Herausforderung. Das Redaktionskollektiv kommt zum Schluss, dass es die Aufgabe antifaschistischer Medien ist, schnellstmöglich verlässliche Informationen zu den ProtagonistInnen und dem Hintergrund dieser Mobilisierungen zu sammeln und zu veröffentlichen. Darüber hinaus ist eine lokale und gesellschaftliche Einordnung wichtig, um Informationen authentisch vermitteln zu können. Zum anderen kann eine starke antifaschistische Intervention nur dann erfolgreich sein, wenn möglichst viele Bündnisse geschaffen werden, mit dem Ziel, Übergriffe und Hetzjagden zu verhindern und den Menschen vor Ort Schutz und Unterstützung anzubieten. 

Des Weiteren bewertet das AIB in einem Schwerpunkt den Ausgang des NSU-Prozesses. Andreas Förster erkennt genügend Indizien, dass das Zwickauer Trio nicht abgeschottet agierte, sondern mit einem Unterstützerumfeld größer strukturiert sein dürfte. Es gibt Spuren, die zu möglichen Unterstützern und Mittätern in Neonaziszenen außerhalb von Sachsen und Thüringen führen. Das Urteil gegen André Eminger ist unbestreitbar ein Zeichen in die Neonazi-­Szene, dass rechter Terror möglich ist und weitestgehend ungestraft bleibt. Das Urteil im NSU-Prozess ist als politischer Freispruch des Unterstützungsnetzwerks zu werten. Aus antifaschistischer Sicht folgt aus der Erkenntnis, nicht zugehört zu haben, den rechten Terror nicht als solchen erkannt und den NSU nicht aufgedeckt zu haben, die Konsequenz, dass nur eine kontinuierliche Weiterarbeit, der Kontakt zu den Betroffenen und breite Zusammenschlüsse offene Fragen beantworten, Formen eines würdigen Gedenkens ermöglichen können. 

Gesamteindruck:

Das antifaschistische Bündnis NSU-Watch und das AIB erkennen mit den rassistischen Aufmärschen in Chemnitz und den Urteilen im NSU-Prozess einen möglichen Nährboden für einen neuen NSU. Polizei und Verfassungsschutz stellen in ihren Analysen die Neonaziszene trotz ständiger Waffenfunde als unproblematisch dar. Vor diesem Hintergrund formiert sich eine gut organisierte, bewaffnete Neonaziszene, die nicht nur auf breite Bündnisse und Zusammenschlüsse aufbauen kann, sondern sich mit ihren militanten Aktionen auch aufgrund der Urteile im NSU-Prozess gestärkt fühlt. Erschreckend ist aber auch die Tatsache, dass das Gericht mit ihrem Urteil weder an Aufarbeitung, Aufklärung und Versöhnung interessiert war.