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Angst vor dem Niedergang

Krisen gehen einher mit Ängsten. Angst ist ein unangenehmes Gefühl, ein uralter Schutzmechanismus des menschlichen Körpers. Ausgelöst wird es dann, wenn etwa allein die Vorstellung, es könnte etwas passieren, was deine Routine, deinen gewohnten Ablauf, vielleicht sogar dein Leben in Gefahr bringen könnte.

Dunkle Wolken kündigen Unheil an

Dein Lieblingsfußballverein hat im letzten Spieltag einen Abstiegsplatz erreicht und lässt dich fassungslos zurück oder ein SEK tritt die Haustür ein, schreit dich an, wirft dich zu Boden, fixiert dich an den Handgelenken, verwüstet die Wohnung, um dann fest zustellen, in die falsche Wohnung eingebrochen zu sein. Die körperliche Reaktion hierauf ist die gleiche: Herzschlag, Atmung, Blutdruck, Muskelspannung und Schweißproduktion werden innerhalb von Millisekunden gesteigert, Beklemmung, Panik, Todesangst ist die Folge. Da kann mensch schon mal nachvollziehen, warum Menschen anfangen sich zu bewaffnen, weil sie ein ganzes Land, eine stolze Nation (sic!) im Niedergang sehen. Bedroht von unbekannten oder bekannten Mächten, die im eigenen Denkmuster herhalten müssen für reale Probleme, die gelöst werden wollen. Der Tod von Diana, die Mondlandung, 9/11, Bielefeld, Corona-Virus...alles inszeniert von dunklen, geheimen, bösen Mächten, eine verschwörerische Kraft. Hinter diesen Paranoiker*innen steht eine permanente Bedrohung, die existenzielle Situation muss unbedingt verteidigt werden. Und so werden Ereignisse wie Krisen auch bewältigt: Der unsichtbare Feind, der sich hinter einer Maske versteckt. Alles muss einen tiefen Sinn haben, alles geschieht nach einem Plan. Gerät dieser aus dem Ruder, was von der paranoiden Vernunft nicht akzeptiert werden kann, muss zwanghaft etwas demaskiert, entlarvt und die verborgenen Gründe, Fakten, Sachverhalte aufgedeckt werden. Menschen und Politiker*innen bekommen in diesen Situationen eine Fehlwahrnehmung von der Realität. Überall lauert die feindliche Meute, die in der Gestalt einer Hydra nicht müde wird, ihren Kopf zu erheben und das Böse nachwächst.


An was soll man noch glauben?

Neuerdings kommen sie alle zusammen auf eine große Veranstaltung: Paranoiker*innen, getarnt als Querdenker*innen und Wutbürger*innen. Und was eigentlich nicht zusammengehört, wächst hier zusammen und gedeiht prächtig: Corona-Rebellen, Telegram- und Youtube-Verschwörungserzählern wie Oliver Janich, Ken Jebsen, Wolfgang Wodarg, Samuel Eckert, Xavier Naidoo, Attila Hildmann (selstsam: wieder nur Männer?!), Reichsbürger, die behaupten, sie würden eigentlich im Deutschen Reich leben; die extreme Rechte, die die Freiheit will, aber damit nicht umzugehen weiß und Q-Anhänger*innen, die in einer anderen Welt leben: In der Welt von Qanon. Die ist seit Ende Oktober 2017 in dem Forum 4Chan beheimatet und hat hier seinen Ursprung. Unter dem Pseudonym Q postete ein Account dort kryptische Texte und Links zu Donald Trumps vermeintlichen Kampf gegen Hillary Clinton und eine angebliche Geheimorganisation, die Kinder quäle und die Weltherrschaft an sich reißen wolle. Klingt das nicht nach den Teletubbies oder dem Sandmännchen? Den Wahnsinn der Welt kann doch nur ertragen, wen selig schläft. Und vielleicht sind diese Figuren ja auch systemgesteuert, wirst von ihnen im Schlaf überlistet, bekommst fremde Ideen eingepflanzt, manipuliert oder Schlimmeres. Operation WeltHERRschaft! Nicht die künstliche Intelligenz oder Roboter übernehmen die Weltherrschaft, sondern krude Verschwörungsideen, die dich dazu verleiten, Aggressionen aufzubauen, die sich im Kern gegen beliebige Objekte, Personen und die Selbstrechtfertigungen richten: Es gibt viele Endzeitreligionen, welche auf die Wiederkunft Jesu warten. Es gibt Donald Trump, der an vieles glaubt, auch daran, die Welt vor dem „Bösen“ zu retten. Da der Messias, dort der Erretter der Welt oder beides in einer Person, wer weiß das schon.

Das Ende naht...

Tja, was wäre mir am Ende meiner Erzählung vom Niedergang der Welt lieber? Donald Trump, Jesus oder das Sandmännchen? Wer könnte wirklich helfen, dein Glaubens- und Überlebenssystem zu bewahren? Du selbst! Und viele Fragen stellen. Etwa, woher eine Information stammt oder warum gerade dieser Quelle vertraut wird. Das mag dauern, ist letztlich jedoch unausweichlich und setzt Medien- und Geschichtskompetenz voraus, damit letztendlich du den Lauf deiner Geschichte selbst bestimmst und die Grenzen des Unmöglichen verschiebst.