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Der Krieg der Welten

Der Krieg der Welten
Der Krieg der Welten

Der Krieg der Welten
v. Thilo Krapp
136 Seiten (vollfarbig); Softcover
ISBN: 978-3-551-78169-7 / €18.-
https://www.carlsen.de/comics/der-krieg-der-welten
In der Graphic Novel-Adaption des Klassikers der Science-Fiction-Weltliteratur von Herbert G. Wells, greifen Marsianer in Zylinder kommend England und ihre Bewohner an. Ihren dreibeinigen Kampfmaschinen stehen die Husaren und ihre Waffentechnik aussichtslos gegenüber. In den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts setzen Marsianer zur Invasion an.

Mit gewaltigen Kanonen schießen sie diverse Zylinder durch das All. Nach der Landung setzen sie kirchturmhohe, dreibeinige Kampfmaschinen zusammen, die Todesstrahlen und Giftgasgranaten abfeuern. Auch in der englischen Grafschaft Surrey beginnt der Eroberungszug. Völlig überrumpelt sind die Menschen, die den Invasoren militärisch ohnehin nichts entgegensetzen können. Mit unerhörter Grausamkeit gehen die Marsianer gegen die Bevölkerung vor. Planmäßig vernichten sie, was ihnen gefährlich werden könnte, eiskalt morden sie die entsetzten Menschen. Unaufhaltsam dringen sie vor, erreichen London. Sechs Millionen Städter fliehen in heller Panik gen Norden. Jegliche Gegenwehr ist zwecklos, jeder Zusammenhalt geht verloren. Die Menschen denken nur mehr an sich selbst.  Die Rettung kommt höchst unerwartet, als die Menschheit schon verzweifelt schien.
Thilo Krapp hat Wells’ Hauptfigur Robert als weltoffen und zugleich der viktorianischen Zeit verpflichtet interpretiert. Neben Roberts schicksalhafte Begegnung mit den Marsianern wird parallel auch die Geschichte seines Bruders, Henry, erzählt, der auf der Flucht in der Begegnung mit Miss Elphinstone ein von Thilo erdachtes Liebespaar darstellt.

Gesamteindruck:

Anders als im Buch verknüpft Thilo die spannende Sci-Fi-Geschichte weniger mit einem dokumentarischen Charakter, bei dem Flucht, Tod und Schrecken vorherrscht, sondern lässt auch etwas Raum für Romantisches. Die Auseinandersetzung zwischen Robert und dem Kuraten auf Leben und Tod ist einer der Höhepunkte und legt zugleich die moralischen Grenzen auf, die Menschen auf der Flucht ausgesetzt sind. Das eigene Überleben, Hunger und Angst und die eigenen Bedürfnisse verstärken das unmenschliche Verhalten. Die Menschen, die die beiden Brüder auf der Flucht treffen, werden in der Regel nur durch ihre Berufsbezeichnungen identifiziert: der Artillerist, der Kurat, der Kapitän. Als Individuen sind sie nicht wichtig. Sie repräsentieren einen Querschnitt durch die Bevölkerung und stellen exemplarisch bestimmte Reaktionen und Verhalten dar: Erschrecken, Resignation, Wahnsinn, Überforderung, Kampfgeist usw.
Bezugnehmend auf die Marsianer, ihr Verhalten gegenüber die Menschen zwischen Nahrungsquelle und Forschungssubjekt, stellt Thilo gleich am Anfang der Adaption die rhetorische Frage, ob wir uns nicht selbst fragen müssen, ob wir nicht mit derselben Härte gegen unsere eigene Spezies vorgehen. Die Marsianer verfügen zwar über die militärische Vorherrschaft. Doch sie haben ihre Invasion schlecht geplant. Die unsichtbare Gefahr der irdischen Mikroben blieb unbemerkt, was sich rächt: Die prinzipiell unbesiegbaren Eroberer rotten sich quasi selbst aus. Auch das hat seine Parallelen in der Menschheitsgeschichte. So manche überlegene Streitkraft der Vergangenheit ist dank mangelhafter Planung und Organisation oder durch Seuchen in den eigenen Reihen dezimiert worden. In der grafischen Umsetzung hat Thilo Details der viktorianischen Epoche wie Kleidung, Möbel, Häuser herausgearbeitet und in die Panels eingefügt. Fesselnd fand ich die grafische Umsetzung der persönlichen Krise zwischen Robert und dem Kuraten im zerstörten Haus, die die Dramatik, Anspannung, Überlebenswillen großartig einfängt. Ein weiterer Aspekt, der nicht unerwähnt bleibt, sind Roberts ungeklärte Fragen zu den physikalischen und chemischen Waffen(techniken) der Marsianer und die Folgen des Krieges. Letztendlich also bleibt Thilo Krapps Adaption eine in England angesiedelte Kritik an Englands Kolonialpolitik des 19. Jahrhunderts und die Frage, wie verhält sich eine in sich ruhende, selbstgerechte Gesellschaft bei einer invasiven Bedrohungslage, die in dieser Form auch auf das Hier und Jetzt übertragbar ist.


Blick ins Buch

Leseprobe:



Die Geschichte hinter der Graphic Novel

Der Krieg der Welten - The War of the Worlds ist eines der bekanntesten Werke des britischen Science-Fictions Pioniers H.G. Wells. Es wurde bereits 1898 erstveröffentlicht, erlangte aber vor allem durch eine besondere Hörspielfassung große Berühmtheit. Am Vorabend von Halloween 1938 strahlte der us-amerikanische Radio-Sender CBS eine von Orson Welles inszensierte Hörspielfassung aus, die als fiktive Reportage angelegt war und deren Handlungsort von England in eine Stadt im US-Bundesstaat New Jersey verlegt wurde. Viele Hörer hielten diese Reportage für real und glaubten an eine Invasion der Außerirdischen. In der damaligen Presse war sogar von einer Massenhysterie die Rede, die zu zahlreichen Selbstmorden geführt haben soll. In der jüngeren kommunikationswissenschaftlichen Forschung wird dies jedoch angezweifelt. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass die Boulevard-Presse dem damals noch jungen Konkurrenz-Medium Radio eins auswischen wollte, die Panik daher aufgebauscht und das Radio so als verantwortungslos dargestellt wurde. Aber auch die Ausstrahlungen weiterer adaptierter Hörspielfassungen, zum Beispiel in Equador 1949 und in Deutschland 1977, wurden von vielen Hörern so glaubhaft empfunden, dass sie zu teils heftigen Reaktionen führten. Der Roman Der Krieg der Welten und der Autor H.G. Wells, auch Orson Welles, wurden dadurch weltberühmt und die Geschichte zahlreiche Male adaptiert. Eine der wohl bekanntesten Anlehnungen ist der Blockbuster-Film Independence Day von Roland Emmerich, der sich in weiten Strecken an der Handlung von Der Krieg der Welten orientiert.

Über den Autor

Thilo Krapp wurde am 23. September 1975 geboren und hörte im Alter von 11 Jahren Orson Welles’ berühmte Radio-Adaption von „Der Krieg der Welten“. Seitdem weiß er, was Sprecher im Radio mit ihrer Stimme auszulösen vermögen. Die Geschichte hat ihn seitdem nie losgelassen und eines Tages bekam er eine Buchausgabe des Klassikers geschenkt. Es sollte ihn im Laufe der nächsten Jahre immer wieder beschäftigen: in seinem Studium an der Bergischen Universität Wuppertal bei Wolf Erlbruch und während seiner Anfänge als Illustrator und Comiczeichner. Doch es dauerte bis 2013, dass er sich des Stoffes ernsthaft annahm.

Seit seinem Diplom im Jahre 2004 arbeitet er für verschiedene Kinderbuchverlage und Zeitschriften. Zu seinen Werken zählen u.a. die im Gerstenberg Verlag erschienenen Sachbücher „Émile auf der Weltausstellung“ und „Émile in Berlin“. Neben seiner künstlerischen Tätigkeit unterrichtet er an der Akademie für Illustration und Design im Fach Comic/Graphic Novel. Seit 2020 ist er stellvertretender Vorsitzender der Illustratoren Organisation. Er lebt zusammen mit seinem Mann in Berlin.