
SUZZALLO
The Quiet Year LP
Thirty Something Records
Suzzallo: Aus der Trauer geboren – Rocky Votolatos Rückkehr mit lärmender Wucht
Suzzallo ist kein gewöhnlicher Neustart. Es ist das Echo eines persönlichen Albtraums, eingefangen in donnernden Gitarrenwänden und melancholischen Melodien. Gegründet von Rocky Votolato in
Seattle, entstand die Band aus dem tiefsten Schmerz: dem Tod seines Sohnes Kienan. Was folgte, war kein klassischer Trauerprozess – es war ein kreativer Überlebensakt, der die Ohnmacht der Trauer
in eine neue, rohe Klangwelt transformierte.
Suzzallos Debütalbum The Quiet Year ist das Ergebnis: eine laute, kantige, intensive Auseinandersetzung mit Verlust – in Tönen, die an die düster-schöne Ära des 90er-Grunge und Alt-Rock
erinnern.
Votolato, lange bekannt für seine leise, introspektive Folk-Arbeit, zeigt sich hier in einer anderen Haut. Zwar kennt man ihn aus neun Soloalben voller sanfter Töne, doch seine Wurzeln liegen im
Lärm – bei Waxwing, jener Kultband aus dem Post-Hardcore-Untergrund des pazifischen Nordwestens. Mit Suzzallo greift er diesen rohen, ungefilterten Sound wieder auf, doch diesmal nicht aus
Nostalgie, sondern aus Notwendigkeit. Die Musik ist direkt, schmerzhaft und kathartisch. Jeder Akkord schreit nach Erlösung.
„Nach Kienans Tod war Stille keine Option mehr“, sagt Votolato. „Ich musste schreien, bevor ich überhaupt wieder singen konnte.“ Der Wendepunkt kam Monate nach dem Unfall. Aus Sprachlosigkeit
wurde Klang – laut, kaputt, lebendig. Suzzallo war geboren, nicht als Projekt, sondern als Ventil. Die Songs sind keine Fiktion, sondern Tagebuchseiten, vertont in verzerrten Riffs und emotional
aufgeladenem Gesang. Es geht nicht nur um Verlust, sondern ums Überleben danach. Nicht Wiederentdeckung – Wiedergeburt.
The Quiet Year ist keine leichte Platte. Sie reißt mit. Tracks wie „River“ und „The Destroyer“ verbinden fuzzgetränkte Gitarren im Stil der Smashing Pumpkins mit hymnischen Refrains, die sich
tief eingraben. Die Musik erinnert an das, was viele in den 90ern gerettet hat – an Bands wie Jawbreaker, Fugazi oder Drive Like Jehu. Aber Suzzallo geht weiter: Melodie trifft auf Schmerz,
Hoffnung auf Schreie.
Begleitet wird Votolato dabei von alten Weggefährten. Am Bass: Steve Bonnell (Schoolyard Heroes). Am Schlagzeug: Rudy Gajadhar (Waxwing). Die Produktion übernahm John Goodmanson, der bereits mit
Legenden wie Sleater-Kinney und Unwound gearbeitet hat. Und mit dabei: Ben Gibbard (Death Cab for Cutie), der mit Harmoniegesang und Instrumenten wie Gitarre, Bass und Klavier emotionale Tiefe
beisteuert.
Die Texte auf The Quiet Year sind schonungslos ehrlich. Sie zeigen Wunden, keine Metaphern. Immer wieder taucht das Bild des Drachen auf – eine stille Hommage an Kienan. Zeilen wie „Niemand hat
uns gesagt, dass die Liebe so gefährlich ist“ oder „Du wurdest der Himmel, das Grau und das Weiß“ treffen mit schlichter Wucht. Es sind keine kunstvollen Phrasen – es ist echte Trauer, vertont
mit radikaler Offenheit.
Am Ende bleibt mehr als Musik. Suzzallo ist ein Akt der Selbstrettung, ein Versuch, inmitten der Dunkelheit etwas Greifbares zu erschaffen. Diese Songs mussten geschrieben werden – für Votolato
selbst. Dass wir sie hören dürfen, ist ein Geschenk.