
LANDROSE
Brut LP
Hyperjungle Recordings
BRUT ist keine Platte im klassischen Sinn. Es ist ein Material, ein Konstrukt, ein Schockkörper. Was hier verarbeitet wird, sind keine bloßen Genres – sondern Rohstoffe: Lärm und Eleganz.
Der Künstler – Landrose, alias Temprano – zerlegt sie, rekonstruiert sie, lässt sie kollidieren. Das Resultat ist nicht Ordnung. Es ist Spannung. Reibung. Form in Bewegung.
Im Zentrum von BRUT steht der Rhythmus – nicht als Begleitstruktur, sondern als architektonischer Motor. Er verschiebt, schichtet, bricht. Diese Beats leben, atmen, transformieren sich ständig.
Temprano, ausgebildeter Schlagzeuger, denkt Percussion nicht als Unterbau. Sie ist das Steuer. Jeder Track entsteht auf einem instabilen Fundament aus zerlegtem Breakbeat, Hardcore-Eruptionen,
Techno-Kanten und glitchigem Audio-Schutt. Das Chaos ist da – aber es ist geordnetes Chaos. Mit klarer Hand geführt.
Lärm ist hier kein Zufall. Lärm ist Präzision. Jeder Klang hat Richtung, jeder Impuls eine Funktion. Die Drums marschieren nicht einfach – sie sprechen. Was BRUT entfaltet, ist eine These in
Rhythmus, eine radikale Skulptur aus Klang. Es klingt nach Punk, aber auch nach Hightech. Wild und doch kontrolliert.
Der Bass ist dabei mehr als Verstärkung – er ist Widerstand. Fett, roh, durchdacht. Er wummert, wütet, kriecht. Mal klingt er wie ein Aggregat, mal wie ein Raubtier. Immer ist er organisch,
gezielt, voller Spannung.
Und dann die Synths: Keine süßen Melodien, keine Dekoration. Sie sind der Kompass im Sturm. Sie führen durch den Dunst, markieren Wegpunkte, lassen Schönheit im Dreck aufblitzen. Zwischen
Rauschen, Verzerrung und Trommelgewalt entsteht so etwas wie Anmut. Hier brüllt es – aber es denkt auch.
BRUT ist kein lineares Album. Es verläuft. Es stürzt, setzt neu an, explodiert. Jeder Track ist ein Aufbruch. Die Kompositionen atmen, mutieren, widerstehen der Vorhersehbarkeit. Momente brutaler
Energie werden durch Zäsuren gebrochen – dann schleichen sich plötzlich Licht und Luft ein. Es ist keine Landschaft. Es ist ein Weg.
Der Sound ist komplex, aber nicht verkopft. Taktverschiebungen, Texturschichten, Tempoverzerrungen – alles ist da. Aber nie zum Selbstzweck. Die Musik zielt auf den Körper, nicht nur auf den
Kopf. Sie bleibt spürbar. Greifbar. Fast zu viel – im besten Sinn.
Denn das ist ihr Ursprung: der Live-Raum. Das Schwitzen. Die Verdichtung von Menschen, Bewegung, Lautstärke. Diese kinetische Energie zieht sich durch jedes Stück. Und trotzdem: Nichts ist dem
Zufall überlassen. Die Produktion – komplett von Temprano selbst – ist chirurgisch präzise. Die Wut bleibt klar umrissen. Die Mischung ist dicht, aber durchlässig. Höhen schneiden, Tiefen
drücken, Mitten schaben. Klang wird hier geformt – wie Stein, wie Metall, wie Plastik in Flammen.
Es gibt eine innere Dramaturgie. Keine Erzählung im klassischen Sinn, aber eine Bewegung: Anstieg, Zerfall, Aufbau, Ausbruch. Das Album fängt die Fragilität von Kontrolle ein. Die Kraft des
Widerstands. Den Drang, zu überleben und sich dabei neu zu formen. BRUT hat keine Parolen. Aber es ist politisch. Es beichtet nichts. Aber es ist persönlich.
Temprano schafft einen seltenen Balanceakt: Lärm mit Haltung. Brutalität mit Stil. Es klingt, als hätte jemand Wut in Design übersetzt. Als hätte ein Schweißnasser Schaltkreis gelernt, Gedichte
zu schreiben.
BRUT ist nicht nur ein Album – es ist ein Statement: Für Landrose. Für digitalen Hardcore. Für das Denken über Klang und Struktur. Es ist Musik, die stampft, fragt, fühlt und bleibt. Musik in
Bewegung. Musik, die bewegt.