· 

Der Dschungel

Der Dschungel
Der Dschungel

Der Dschungel
von Kristina Gehrmann
Nach dem Roman von Upton Sinclair
Seiten 384; 28,00 €
ISBN     978-3-551-71438-1
www.carlsen.de
Inhalt: Hoffnungsvoll kommt Ende des 19. Jahrhunderts eine litauische Auswandererfamilie in Amerika, dem Land ihrer Träume, an. Sie finden Arbeit in den Schlachthöfen von Chicago, aber nichts wird gut: Die hygienischen Zustände sind unbeschreiblich, Korruption scheint ein Naturgesetz zu sein, die Arbeitsbedingungen führen zum frühen Tod Erwachsener und Kinderarbeit wird für die Familie überlebensnotwendig.

Hintergrund: Kristina Gehrmann hat Sinclairs zeitlosen, atemberaubend spannenden Roman adaptiert und den amerikanischen Albtraum an einem schicksalhaften Beispiel veranschaulicht dargestellt. Der litauische Einwanderer Jurgis Rudkus kommt mit seiner Verlobten um 1900 nach Amerika. Wie viele andere findet auch er relativ schnell nach der Ankunft und Unterbringung Arbeit in den Schlachthöfen Chicagos (Union Stock Yards), doch die Hygiene- und Sicherheitsstandards sind so unmenschlich, die Anforderungen so hoch und die Bezahlung so ausbeuterisch, dass die ImmigrantInnen kaum eine Chance auf ein vernünftiges Leben haben. Um das nackte Überleben zu sichern, mussten Frauen und Kinder oftmals mitarbeiten. Nachdem seine Familie durch mehrere Tragödien zerstört wird und ihre Existenz verliert, ist er gezwungen, auf illegalen Wegen Geld zu verdienen. Nach und nach erkennt er die Notwendigkeit, für Reformen und ein besseres Leben zu kämpfen.

Gesamteindruck:

Kristina hat das Schicksal der Großfamilie gestalterisch so umgesetzt, dass Emotionen wie Hoffnung, Hoffnungslosigkeit, Wut, Trauer spürbar aus dem Panel springen, was am besten mit der Figur Jurgis und seinen Charakterwandel deutlich wird. Die Illustratorin erstellte ein Drehbuch mit Bleistiftskizzen, die sie mit einem Wacom-Grafiktablett bearbeitete. Das künstlerische Ausdrucksmittel bringt die handwerkliche Technik hervor und bietet zugleich ein enormes Spektrum der künstlerischen Umsetzung. Schattierungen, Schraffierungen, 3-D-Effekte, Charaktereigenschaften, Ausdruck von Gefühlen.
Des Weiteren hat Kristina jede einzelne der 11 Kapitel-Seiten hübsch gestaltet und alte Zeitungsannoncen, Werbung, Karten als Rahmen layoutiert; Eine tolle Idee, die die wesentlichen Stationen der Familie mit einem gestalterischen Bild wie ein gerahmtes Foto aussehen lassen.
Ebenso wie Sinclairs Intention einer sozialkritischen Perspektive auf Ausbeutungsverhältnisse bringt auch Kristinas Adaption die geballte Macht der privilegierten AusbeuterInnen entlarvend zum Vorschein, wie sie z. B. auch Jurgis spätere Frau Ona am eigenen Leib zu spüren bekommt. In der Romanvorlage wie auch in der Graphic Novel werden also Themen wie Migration, industrielle Revolution, Arbeitsbedingungen, Arbeitssicherheit in den Vordergrund gerückt. Anhand dieser Thematik erscheinen sozial-revolutionäre Errungenschaften wie Rente, Krankenversicherung, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe wie Utopie. Die Arbeit in den Fabriken war gefährlich, schlimme Unglücke keine Ausnahme, Arbeitssicherheit ein Fremdwort. Wurde einer verletzt oder krank, stand der nächste Bewerber bereits vor dem Werktor. Die "Glücklichen", die Arbeit besaßen, mussten bis zu 90 Stunden wöchentlich arbeiten.
Gerechtigkeit findet die zerbrochene Familie, gebeutelt von Krankheit, Tod, Gefängnis am Ende nicht, aber zumindest ein Stück weit Genugtuung, an das Schicksal zu erinnern, das Auswander-Familien erleidet haben. Am Ende ist es Kristina Gehrmann wichtig, auf die Gewerkschaftsverbände hinzuweisen, zumindest spürt der/die LeserIn eine Erleichterung, wenn sich Jurgis Sorgen und Ängste in der widerum schicksalhaften Begegnung zwischen ihm und dem Romanautoren legen, der gewillt war, mit "The Jungle" die schrecklichen Zustände auf dem Gelände in den Union Stock Yards zur Jahrhundertwende des 20. Jahrhunderts aufzudecken.

Leseprobe: