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Mobina Galore

Mobina Galore
Mobina Galore

Seit ihrer Gründung im Jahr 2010 haben Mobina Galore, das Winnipeg-Punk-Duo Jenna Priestner (Gitarre/Gesang) und die Schlagzeugerin Marcia Hanson (Schlagzeug/Gesang), 3 Alben veröffentlicht und mit ihrer Musik die perfekte Balance aus Aggressivität und eingängigen Hooks gefunden.

Mobina Galore spielen hymnische Punkrock-Songs mit klarer Hardcore-Kante und jeder Menge Inhalt. Themen haben sie als komplett weibliche Band in der von Männern dominierten Musikindustrie nämlich genügend.
Von Anfang an mussten Mobina Galore sich immer wieder mit den sexistischen Äußerungen und Kommentaren wie „ihr seid ja eigentlich ziemlich gut“ und herablassenden Clubbesitzern rumschlagen. Dazu kommt die Herausforderung gegenüber einer männlich dominierenden Musikindustrie. Immer wieder werden sie mit Sexismus konfrontiert, doch genau das motiviert Jenna und Marcia dazu, noch härter zu arbeiten und an dem festzuhalten, was sie am besten können: großartige Punk Rock Songs zu schreiben, die für sich selbst sprechen.
CBC Radio 3 bezeichnete Mobina Galore 2015 als eine der Top 15 Punk-Bands in Kanada. Die Musik der beiden Powerfrauen wird dabei oft mit The Distillers, L7 oder auch Against Me! und Propagandhi verglichen.

Was ist die Basis eurer langjährigen Freundschaft und wie würdest du  eure musikalische Beziehung beschreiben?
    Wir sind seit 10 Jahren ein Paar, daher gibt es Liebe und Respekt auf mehreren Ebenen.

Während meiner Recherchen habe ich gelesen, dass ihr euch seit der Gründung der Band im Jahr 2010 mit Aussagen, blöden Kommentaren wie „Du bist eigentlich ziemlich gut“ und herablassenden Clubbesitzern auseinandersetzen musstet. Wie gehst du mit Sexismus und Diskriminierungen um?
    Früher haben wir nur gelächelt und sind einem kritischen Gespräch aus dem Weg gegangen, aber jetzt, wenn ich mich beleidigt oder in irgendeiner Weise angegriffen fühle, frage ich die Person, warum sie ihr „Kompliment“ so formuliert hat, und ich mache klar, dass es besser ist, lieber die Klappe zu halten, als etwas Beleidigendes und Herabwürdigens zu sagen. Natürlich versuchen die Leute nicht immer, unhöflich zu sein. Manchmal muss man einfach die Leute ansprechen und widersprechen, wie im Alltag.

Hast du lange gedacht, dass es normal ist, wenn eine Frau so behandelt wird?
    Marcia: Frauen* werden als weniger bedrohlich empfunden als Männer, daher denke ich, dass wir mit größerer Wahrscheinlichkeit angesprochen werden, und dass die Person häufiger trinkt. Die Leute wissen einfach nicht, wann sie das Gespräch beenden sollen, aber ihnen gehen die Gesprächsinhalte aus, die sie noch sagen können und  fangen dann an, dumme Dinge zu sagen. Jenna liebt es, Leuten direkt ins Gesicht zu sagen, dass sie sich verpissen sollen, wenn sie nerven.

Was ist das Problem des Sexismus im Punk?
    Wenn du mir sagst, ich sei nur wegen der Musik hier.

Musstest du zuerst andere Frauen auf der Bühne sehen, bevor du dir vorstellen konntest, eine Sängerin in einer Band zu sein, oder war das für dich nicht relevant?
    Jenna: Nein, wir sind beide mit viel Musik im Haus aufgewachsen. Unsere beiden Mütter (und wir auch) hörten viel Celine Dion. Marcia war so besessen von Cher, dass sie sich unbedingt als sie verkleiden wollte. Wir haben immer gedacht, dass wir irgendwann in einer Band sein und auf der Bühne stehen werden. Ich denke, das hat mit unseren Eltern und ihrer Unterstützung und ihrer Liebe zur Musik zu tun, und es stört die Kinder nicht, dass sie etwas nicht können. Wir wollten beide in einer Band sein, seit wir Teenager waren. Wir hörten zu, wenn wir – ob Jugendliche und junge Erwachsene – Frauen oder Männer sahen und uns inspirierten.

Die Probleme von Minderheiten und unterrepräsentierten Gruppen, die wir derzeit in der Gesellschaft und in Punk / HC-Communities haben, sind tief in der Denkweise unserer Gesellschaft verwurzelt. Hier sind Sexismus, Rassismus und Ableismus im Denkmuster verortet. Ob im Internet, an Universitäten oder im Parlament. In Deutschland nehmen derzeit antifeministische Parolen und Politiken wieder Fahrt auf. Ist dies auch in Winnipeg oder Kanada im Allgemeinen zu beobachten?
    Hmm, ich habe keine anti-feministischen Parolen gesehen, außer die eine oder andere Person, die sich aus irgendeinen Grund nicht als Feministin bezeichnen wollte. Manche Menschen werden immer den Drang verspüren, sich zu wehren, Arschlöcher gibt es überall. Weiß jede*r, dass Frauen gleichberechtigt sein sollten? Wir sollten das wahrscheinlich noch mehr Menschen erzählen und beibringen!

Dies ist das Jahrzehnt der rebellischen Frauen*, aber auf Festivalbühnen in Deutschland spielen immer noch 94 Prozent männliche Musiker. Als wäre Punk noch nie passiert! Wo sind all die Riot Grrrls?
    Ich denke, sie planen die Festivals nicht. Ich kenne den Grund nicht, ich hoffe nur, dass mehr Frauen* Bands gründen oder sich auf irgendeine Weise für Musik interessieren, weil wir es lieben, sie auf Shows zu sehen. Es ist auch in Kanada ein großes Gesprächsthema und ich weiß, dass es mehrere Festivals gibt, bei denen es darum geht, bis 2022 50/50 eine Quote zu erzielen2, aber das ist doch Scheiße. Ich bin mir nicht sicher, warum sie eine Frist setzen und nicht sofort eine Gleichstellung umsetzen können. Die Sichtbarkeit von Frauen auf der Bühne ist deshalb so wichtig, weil populäre Musik als Teil aktueller Popkultur immer auch als Spiegel der Gesellschaft wahrgenommen wird. Wenn Frauen dabei lediglich zu einem geringen Anteil vertreten sind, werden sie schnell – unabhängig von ihrer tatsächlichen Anzahl – als unbedeutende Minderheit wahrgenommen und abgetan.

Gibt es irgendwelche Fortschritte, sichtbare soziale Veränderungen und Punk-Verhaltensweisen, die du in diesem Zusammenhang siehst?
    Im Allgemeinen umgeben wir uns nur mit gleichgesinnten und vorausdenkenden Menschen, sodass wir die ganze Zeit Fortschritte sehen. Ob sie klein oder groß sind; ein einfaches Gespräch oder eine Demonstration auf der Straße. Ich höre immer noch viele ältere Punks, die sich darüber beklagen, dass sie in Mosh Pits usw. „sicher“ sein müssen, aber die meisten Menschen verstehen, dass es auf dieser Welt Veränderungen geben muss, nicht nur in einer bestimmten Szene. Wir umgeben uns naturgemäß besonders gerne mit Menschen, mit denen wir konform gehen. Das ist doch Blödsinn und hilft keinem. Ehrlich gesagt, wenn es hart ist, ein Punk zu sein, keinen Respekt für andere zu haben und immer nur beschissene – im Sinne von diskriminierende/sexistische – Songs schreiben, dann sind wir kein Punk.

Wann hast du gelernt, der Erwartungshaltung eines geschlechtstypischen Verhaltens zu widersprechen und Rollenbilder zu hinterfragen?
    Jenna: Bei Marcia war es, als sie das Gymnasium abschloss und sich für die Universität bewarb. Sie wollte ein grundständiges Studium, ein akademisches Hauptfach absolvieren, ein Theater besuchen und Schauspielerin werden, aber ihre Eltern wollten nicht, dass sie das tat. Also machte sie, was sie wollten, ging zu einer Universität für Hochschulabsolventen, hasste es und brach nur einen Monat später wieder ab. Seitdem tut sie, was sich für sie richtig anfühlt. In „Vancouver“ heißt es: „Ich war ein Kind, als ich klug genug war zu wissen, was ich wollte. Als ich 18 war, wurde mir gesagt, dass ich mich immer geirrt habe.“ Die Leute wollen dir immer sagen, was du tun sollst, aber man muss sich nur klar vor Augen führen, dass man sein eigenes Leben führen muss.

Die Riot Grrrl-Bewegung hat wahrscheinlich zu deiner Einstellung beigetragen. Was hat dich hier fasziniert und inspiriert?
    Marcia: Wir beide lieben Le Tigre und wofür die Bewegung steht. Die  unverrückbaren Einstellungen und Lieder haben mich fasziniert. Ich beschäftige mich nicht jeden Tag mit dem Idealen und kümmer‘ mich nicht darum was die Leute denken, aber ich mag es, wenn sich alle im Raum wohlfühlen. Jenna ist mehr von Riot Grrl inspiriert und trägt die Einstellung im Herzen. Sie hat die meiste Zeit ihres Lebens Punkmusik gehört. Aber auch wenn sich ihre Wut im Laufe der Jahre gelegt hat und von Mitgefühl und einer Offenheit gemäßigt wurde, ist sie verdammt nochmal immer noch eine Powerfrau...und Powerfrauen* sind immer noch die besten!

Ist Punk ein therapeutischer Zweck? Was verbindest du damit?
    Jede Form von Kunst auszudrücken ist therapeutisch. Punk ist roh und schnell und macht Spaß und fühlt sich gut an. Punk hat so viele Facetten, alte und neue Ideen kommen und gehen, und wir lieben es, all die positiven Inhalte anzunehmen, besonders wenn wir auf die Bühne stehen, ein bisschen schreien, den Auftritt versauen und es nicht zu ernst meinen – schließlich ist Punk eine Subkultur, egal wie Mainstream ein Teil davon ist.

Denkst du, dass die Popkultur darauf ausgelegt ist, die Bedürfnisse eher von Männern* zu befriedigen und Frauen an den Rand zu drängen? Welchen Beitrag kannst du mit Mobina Galore leisten, um diese Verhältnisse zu ändern?
    Ich denke, die Welt wäre ein besserer Ort, wenn mehr Frauen in Führungspositionen wären. Einschließlich der Musikindustrie. Unser Beitrag ist, dass wir da draußen sind, wir selbst sind und uns treu bleiben, wer wir sind und was wir wollen und allen Arschlöchern sagen, dass sie sich verpissen sollen.

Ihr seid Teil in der von Männern dominierten Punk- und HC-Community. Wie sieht es in der Praxis aus? Bei euren Konzerten? Stehen mehr Mädchen*, Frauen* im Publikum in der ersten Reihe und tanzen und singen mit?
    Es gibt viele Frauen* auf unseren Shows. Wir versuchen, Frauen* und/oder queere Leute zu finden, mit denen wir zusammen spielen können, weil wir es mögen, wenn diese Leute die Umgebung und die Stimmung des Veranstaltungsortes mitgestalten.

Hast du den Eindruck, dass Frauen in der Musikwelt sich auf Äußeres konzentrieren, und hast du den Eindruck, härter und besser arbeiten zu müssen als Männer*?
    Marcia: Wir machen einfach das, was wir machen. Jenna und ich arbeiten als Band sehr hart. Wir versuchen wirklich, uns nicht mit anderen Leuten oder Bands zu vergleichen, egal ob männlich oder weiblich.

Findest du es notwendig, als Frau* einen Platz in der HC einzufordern und feministische Ideen einzuführen, oder sollten wir nicht ständig über geschlechtsspezifische Unterschiede sprechen?
    Wir werden ständig nach feminismus- und geschlechtsspezifischen Fragen gefragt. Wäre es nicht hilfreicher, wenn den Männern diese Fragen gestellt werden?  Ich finde es ein bisschen unfair, dass wir in jedem Interview philosophisch werden müssen. Wir sind Frauen* und wir spielen Musik. Ich wünschte, es wäre so einfach.

Sexismus, die Reproduktion traditioneller männlicher Verhaltensweisen, findet auch in der Punk-Community statt. Ist es dir wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass dies ein großes Problem ist?
    Wir werden ständig nach Sexismus gefragt. Manche Leute sind cool und manche sind Idioten, wir erleben sie alle. Einige sind Idioten, weil sie sexistisch sind, und andere sind nur Idioten, weil sie langweilig sind und zu viel reden.

Inwieweit seid ihr ein gutes Beispiel dafür, den Blick von den gesellschaftlichen Geschlechterverhältnissen auf Prozesse und Praktiken im HC zu lenken und sich andererseits auf die Akteure zu konzentrieren?
    Wir spielen nur Musik, wir fordern nichts anderes, als Partizipation und Selbstbestimmtheit.

„Was denkst du, was ich den ganzen Tag mache?“ heißt es im Titel „4 hours of sleep“. Ist es wichtig darüber nachzudenken, was andere von dir erwarten?
    In gewissem Maße ist es wichtig, ein breiteres Publikum mit Musik zu erreichen. Ich selbst würde von mir/uns erwarten, dass wir als Künstlerinnen  den Anspruch haben, eine gute Schallplatte herauszubringen, aber ich würde es die Klientel nicht vorenthalten, wenn ich sie als zu ‚schwach‘ bewerten würde, denn niemand ist perfekt. Wenn du eine bestimmte Erwartung hast, kannst du Dinge mit Motivation und Tatendrang schaffen. Wenn niemand etwas von sich erwartet, wirst du mit größerer Wahrscheinlichkeit nicht genug hart arbeiten, überhaupt etwas erreichen zu wollen.

„I want it all“ klingt sehr nach Ermächtigung. Siehst du Punk als eine Gemeinschaft, die Widerstandstheorien, Gender- und Performativitätstheorien entwickelt, die MOBINA GALORE anderen Frauen* nahe legt oder sie ermutigt, aktiv zu werden?
    Ja, die Punk-Community ist der Ort für Gegenkultur. Wie ich schon erwähnt habe, wir tun einfach das, was wir tun, und wir lieben es, mit anderen Frauen* zu spielen und Frauen* auf Shows zu sehen und Frauen*, die Shows veranstalten. Wir können nur hoffen, dass Frauen* sich von uns ermutigt fühlen, denn wir fühlen uns von ihnen ermutigt.

Ist das Lied „Sorry, I'm a mess“ ein Ausdruck dafür, dass man als Frau in patriarchalischen Strukturen etwas „falsch“ macht?
    Das Lied hat nichts mit Feminismus, Geschlecht oder dem Patriarchat zu tun. Es geht darum, sich selbst zu bescheißen, wenn du ständig im Trott bist und nicht weißt, was zu tun ist, außer sich immer nur zu entschuldigen und zu rechtfertigen. Es ist mehr ein Lied über die Auswirkungen, selbst immer nur nachsichtig zu sein.