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AIB #127

AIB #127
AIB #127

AIB #127
68 DIN-A-4 Seiten; € 3,50.-
AIB, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin
https://www.antifainfoblatt.de/
Der Schwerpunkt "Der Antifasommer" suggeriert eine 'Kaffee und Kuchen'-Freizeitfahrt unter dem Motto "Sommer, Sonne, Antifa!"
Zunächst geht es in die Vergangenheit und nach Brandenburg, wo Anfang 1997 die Idee in die Praxis umgesetzt und das „Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“ gegründet wurde.

Ein Jahr später beschloss die Landesregierung das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“. Rassismus als gesamtgesellschaftliches Problem definieren und sich mit Opfer von Rassismus betroffenen Personen solidarisieren und selbst in einem Bündnis aktiv werden sind laut Kay Wedel notwendige Ziele, die extreme Rechte zu bekämpfen. Das Konzept bemängelt er aber als 'PR_Veranstaltung gegen Demokrativerdrossenheit und Staatsloyalität.' Leider wurde von der Redaktion versäumt, auf die aktuelle Situation hinzuweisen, denn   die AfD im Brandenburger Landtag hält das Konzept der rot-roten Koalition gegen Rechtsextremismus in der bisherigen Form für verfehlt, zu einseitig und fordert einen Aktionsplan auch gegen Linksextremismus.
Ein weiter Rückblick bezieht sich auf den Artikel "Neuer Rasen, gleiches Spiel" nach dem Antifa-Sommer (AIB #63, 2004), Ein Fazit, das konstatiert, dass nur wer kontinuierlich selbst reflektiert antifaschistische Politik betrieben kann.
Des Weiteren gibt es einen Überblick über Antifa-Arbeit in Westhavelland, die das neonazistische Milieu im regionalen Raum (Rahtenow, Premnitz) analysiert und dokumentiert haben (2009 - 2013).
Die Antifaschistische Initiative Heidelberg ist in der Interventionistischen Linken organisiert und 2 Gründungsmitglieder sprechen über den Aufstand der Anständigen. Im Jahr 2000 wurde ein rasanter Anstieg bei rassistisch, antisemitisch und neofaschistisch motivierten Gewalttaten registriert, nach rassistischen Anschlägen rief der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zu einem Aufstand der Anständigen auf; »Wir brauchen einen Aufstand der Anständigen, wegschauen ist nicht mehr erlaubt.« Von nun müsse ein »Maß an Zivilcourage« entwickelt werden, damit Täter nicht »nur kriminalisiert, sondern auch gesellschaftlich isoliert« würden. Leider nur ein PR-Ausruf, denn: Damals wie heute verlangen gut geschützte Politiker Zivilcourage gegenüber rechten Gefährdern, während bundesdeutsche Behörden seit Jahrzehnten völlig unzureichend gegen rassistischen und antisemitischen Hass und noch weniger gegen neofaschistische Organisierung vorgehen und durchzogen sind von einem strukturellen, institutionellen Rassismus, ergo: Die AIHD gibt es heute noch, der Aufstand ist Geschichte. Doch es gibt auch positive Beispiele aus dem von Schröder ausgerufenen Aufstand. Bundesprogramme, die in vielen Berliner Bezirken arbeiten (ReachOut) wie auch die linke Zeitung "analyse&Kritik", die die Wechselwirkung zwischen dem Aufstand der Anständigen und der bundesdeutschen Antifa-Bewegung zusammenfasst und -denkt wie die Antifa Hohenschönhausen erklärt und Antifa-Aktivitäten und -Impulse aufzeigt.

Gesamteindruck:

Lange ist er her, der viel beschworene Aufstand der Anständigen gegen Neonazis und Rassismus, damals im Sommer des Jahres 2000. Der kurze staatlich ausgerufene Antifa-Sommer verblasst relativ schnell, weil rassistische, anti-semitische Gewalttaten bis heute eher zunehmen, sowohl durch die Normalisierung von nationalistischen, antisemitischen und rassistischen Debatten als auch durch die Enttabuisierung von  Gewalt gegenüber marginalisierten Personen. Deshalb muss die Auseinandersetzung mit rechter Gewalt und dem gesellschaftlichen Kontext, in dem sie entsteht, kontinuierlich geführt werden mit dem Ziel, rechte Gewalt zu bekämpfen und die Betroffenen konsequent zu unterstützen. Dafür benötigen wir antifaschistische Bündnisprogramme, staatlich unabhängige Beratungsstellen für Betroffene und Bildungsarbeit an Schulen.