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LOTTA #86

LOTTA #86
64 DIN-A-4-Seiten; € 3,50.-
Lotta, Am Förderturm 27, 46049 Oberhausen
www.lotta-magazin.de
    Hessen hat ein strukturelles Problem mit Rassismus und rechter Gewalt. Der aktuelle Schwerpunkt wirft einen kritischen Blick auf staatliche Institutionen, skizziert extrem recht Vorfälle, liefert Erkenntnisse zu „NSU 2.0“ und erschreckende Beispiele wie rechte Chatgruppen und Polizist*innen, Bundeswehrsoldaten, Richter Kontinuitätslinien rechten Terrors unterstützen.

Caro Keller von NSU-Watch schildert im Interview, welche Rolle Hessen im NSU-Komplex spielt und gibt einen Ausblick auf das Projekt „Kein Weg vorbei“, das einen kritischen Blick auf die hessischen Zustände wirft. Den Hintergründen zum NSU 2.0 und den Versuchen, den Angeklagten im laufenden Prozess zum Einzeltäter zu erklären, widmen sich Sebastian Hell und Simon Tolvaj. Sonja Brasch analysiert die Arbeit der „BAO Hessen R“ hinter den Floskeln der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit. Die Gruppe „Pressestelle“ stellt vor, wie sie mit eigenen Recherchen am Aufbau einer Gegenöffentlichkeit zu staatlichen Narrativen in Nordhessen arbeitet.

Gesamteindruck:

Die rechts-terroristischen Morde von Hanau und der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke machten Hessen zu einem „Hotspot“ rassistischer und extrem rechter Anschläge. Dabei haben Verschweigen und Verdrängen von rechten Gewalttaten in Hessen Tradition. Die LOTTA-Redaktion hat in ihren Ausgaben immer wieder Fälle skizziert, die offenlegen, wie Neonazis sich abseits von rechten Strukturen „problemlos unter dem Radar der Öffentlichkeit und der Sicherheitsbehörden bewegen“. Der Schwerpunkt zeigt aber auch, wie wichtig es ist, Betroffenen/Überlebenden/Angehörigen eine öffentliche Stimme zu geben und den Fokus auf ihre Perspektiven zu legen. Es muss eine Solidarität entstehen, in der die Öffentlichkeit mehr über die Betroffenen erfährt, als über die Täter*innen. Wenn Journalist*innen und Medien das nicht tun, müssen Menschen dazu befähigt und ermuntert werden, das selbst zu tun, was „pressestelle“ seit Januar 2020 als Teil ihrer Arbeit ansieht und workshops anbietet. Kraftvollstes Beispiel sind die Angehörigen der Menschen, die in Hanau ermordet wurden, sowie die Überlebenden des rechsterroristischen Anschlags. Sie schufen sich ihren eigenen Raum und setzten die Politik unter Druck, dass ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden musste. Langsam setzt sich die Einsicht durch, dass solidarisch kämpfen heißt, die unterschiedlichen Ebenen von Betroffenheit anzuerkennen und einander zu unterstützen. Auch breite Bündnisse können dabei mithelfen, dem rechten Treiben auf der Straße, in den Behörden wirksam etwas entgegenzusetzen.