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AIB #136

AIB #136
AIB #136

AIB #136
76 DIN-A-4 Seiten; € 3,50.-
AIB, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin
https://www.antifainfoblatt.de/
    Transfeindlichkeit war und ist gesellschaftlich fest verankert. In letzter Zeit kam es bundesweit zu Angriffen auf trans Personen. Am 02.09.2022 starb der trans* Mann Malte C., nachdem er mehrere Tage zuvor am Rande des Münsteraner CSDs niedergeschlagen wurde. In Bremen wurde Anfang September eine trans Frau in einer Bremer Straßenbahn von vier 12- bis 13-Jährige beleidigt und geschlagen.

Mediale Berichte über Hasskriminalität/Transfeindlichkeit nehmen zu. In sogenannte „genderkritische“ Haltungen gegenüber trans* und nicht-binären Personen wird darüber diskutiert, ob trans* und nicht-binäre Personen rechtliche Anerkennung, Gleichstellung und den Abbau von Diskriminierung verdient haben, nicht wie diese erreicht werden können. Falschinformationen (Grooming) werden von rechten Akteur*innen genutzt, um benachteiligte Personengruppen gegeneinander auszuspielen und langfristig die Freiheitsrechte von allen Menschen einzuschränken. Der AIB-Schwerpunkt fokussiert Transfeindlichkeit und die extreme Rechte mit Fallbeispielen und Strategien, reaktionäre Bündnisse und Foren. Erinnert wird auch an den Suizid von Ella Nik Bayan. Ella war eine trans* Frau of Colour und hatte sich am 14.09.2021 auf dem Alexanderplatz in Berlin selbst entzündet. Sie starb noch am selben Tag an den Folgen ihrer Verletzungen. Im Zusammenhang mit einer zunehmenden Transfeindlichkeit sieht das AIB auch einen Antifeminismus als ideologische Verortung gegenüber sexueller und geschlechtlicher Selbstbestimmung. Es folgen Beispiele weiterer ideologische und politische Strukturen und Netzwerke mit Hass gegenüber der LGBTIQ*-Community in Österreich und der LSBTQI*-Community in den USA und einem Artikel über Queerfeindlichkeit in der NS-Zeit.

Gesamteindruck:

Besonders vor den Hintergründen von Ella Nik Bayans Suizid müssen Berichterstattungen mehr auf die strukturellen Gründe und die Lebensrealitäten der betroffenen Personen eingehen, wenn sie von Queerfeindlichkeit berichten. Ella ist im Iran aufgewachsen und hatte selbst in Deutschland Schutz gesucht. Letztlich war sie in Deutschland Trans*feindlichkeit, Frauenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus ausgesetzt. Ihr persönliches Umfeld ordnet ihren Suizid eindeutig als politisch ein und sieht die Ursachen in diesen erlebten strukturellen Diskriminierungen, die Ella in Deutschland begegneten. Der AIB Schwerpunkt skizziert rechte Strukturen, Netzwerke und Allianzen zu und gegenüber Trans*Personen, vermeidet aber Lösungsansätze aufzuzeigen. Wenn wir Queerfeindlichkeit und Gewalt abbauen wollen, braucht es differenzierte Diskussionen um Queerfeindlichkeit und Gewalt. Wir dürfen diese Probleme nicht rassistisch instrumentalisieren, indem wir sie nur in bestimmten gesellschaftlichen Gruppen verorten. Wir brauchen Lösungen auf gesellschaftlicher, institutioneller und politischer Ebene. Mitte September lief das Verbändebeteiligungsverfahren für den Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Dieser muss eingeführt und in konkrete, evaluierungsfähige Maßnahmen gegen queerfeindliche und rassistische Gewalt übersetzt werden. Der Bundesverband Trans e.V. fordert bspw. die rechtliche Anerkennung und die Stärkung des Diskriminierungsschutzes als eine Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und begrüßt die vorgeschlagene Erweiterung des Gleichbehandlungsartikels des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 3 GG) um ein explizites Verbot der Diskriminierung queerer Menschen.